2017 lief mit „Star Trek: Discovery“ die erste neue Star-Trek-Serie seit dem Ende von „Enterprise“ an, und ich habe bisher fast nichts dazu geschrieben. Während die erste Staffel lief, wollte ich am liebsten jede Woche eine Review der Episoden posten, hatte aber nicht wirklich die Zeit dafür. Auch wenn ich damals angesichts des Trailers noch Skepsis geäußert hatte – „Star Trek: Discovery“ ist natürlich Pflichtprogramm! Und ähnlich wie bei „Game of Thrones“ macht es tatsächlich auch Spaß, zur Abwechslung mal wieder an einem festen Tag der Woche sich die Zeit zu nehmen, die Serie zu schauen, und dann am nächsten Tag mit den Kollegen darüber zu diskutieren. So spaßig Binge Watching auch sein mag (10 Staffeln „Friends“ in 7 Monaten!), so eine Serie als Event zu konsumieren ist auch was wert.
Zum Start der zweiten Staffel habe ich mir nun tatsächlich die Zeit genommen, die erste Staffel noch einmal zu schauen und detaillierte Reviews zu verfassen. Diese werde ich nach und nach veröffentlichen und dann hier verlinken. Basierend auf den Einzelreviews habe ich zudem auch eine zusammenfassende Meinung dieser Staffel formuliert.
Ein Wort zu Spoilern: Die Episoden der ersten Staffel sind nun über ein Jahr alt. Die Besprechungen habe ich „live“ beim Schauen getippt, und sie gehen naturgemäß ins Detail, auch was die jeweiligen Auflösungen betrifft. Auch in der folgenden Zusammenfassung meiner Meinung zur ersten Staffel werden Spoiler enthalten sein. Ich werde jedoch keine Details aus Staffel 2 verraten (bis auf ein winziges und unwichtiges Detail).
Die Besprechungen der Einzel-Episoden:
- Episode 1.01 „The Vulcan Hello“
- Episode 1.02 „Battle at the Binary Stars“
- Episode 1.03 „Context Is for Kings“
- Episode 1.04 „The Butcher’s Knife Cares Not for the Lamb’s Cry“
- Episode 1.05 „Choose Your Pain“
- Episode 1.06 „Lethe“
- Episode 1.07 „Magic to Make the Sanest Man Go Mad“
- Episode 1.08 „Si Vis Pacem, Para Bellum“
- Episode 1.09 „Into The Forest I Go“
- Episode 1.10 „Despite Yourself“
- Episode 1.11 „The Wolf Inside“
- Episode 1.12 „Vaulting Ambition“
- Episode 1.13 „What’s Past Is Prologue“
- Episode 1.14 „The War Without, The War Within“
- Episode 1.15 „Will You Take My Hand?“
Eine neue Star-Trek-Serie
Rein optisch kann sich „Discovery“ auf jeden Fall sehen lassen. Die Serie ist auf hohem technischem Niveau umgesetzt, wie man es aber auch immer schon von „Star Trek“ erwarten konnte. Das betrifft alle technischen Kategorien: Ausstattung, Sets, Effekte, Masken, Musik, Kameraarbeit etc. Ich kann mich aber tatsächlich nicht erinnern, in den letzten 20 Jahren in dieser Beziehung an einer „Star Trek“-Serie etwas auszusetzen gehabt zu haben. Das Budget dieser Serien liegt eben weit über dem vieler Syfy-Channel-Produktionen. Auch die Schauspieler sind toll, und auch das kann man von „Star Trek“ erwarten (Voyager ist da tatsächlich die Ausnahme, wo ich mit den Darstellern größtenteils nicht zufrieden war).
Aber: All das hilft nichts, wenn die Geschichten nicht stimmen. Und nach mittlerweile einer ganzen Staffel und mehreren Episoden von Staffel 2 muss ich sagen, dass ich mit „Discovery“ einfach nicht warm werde. Die Serie erzählt Geschichten, die an so vielen Stellen keinen Sinn ergeben, dass es nicht wirklich Spaß macht. Ich meckere beim Schauen schon so viel herum, dass ich wahrscheinlich bald aus dem Wohnzimmer geworfen werde und die Folgen dann alleine anschauen muss. 🙂
Das Jahr 2256
Mein Hauptproblem mit „Discovery“ ist die Platzierung der Serie im Jahr 2256. An diesem Punkt hat Captain Pike seit 4 Jahren das Kommando über die Enterprise. Die Ereignisse des Original-Pilotfilms spielen im Jahr 2254, also zwei Jahre vor der ersten Discovery-Folge. Wieso platziert man die Serie dort? Die Autoren erlegen sich damit ja extreme Beschränkungen auf, indem sie sich in den vergleichsweise schmalen Zeitraum zwischen bereits etablierten Episoden einreihen. Natürlich kann man das machen, wenn man einen wirklich guten Grund hat, wieso man diese Beschränkungen in Kauf nimmt. Die ganze erste Staffel habe ich darauf gewartet, dass dieser Grund enthüllt wird, aber es kam nichts. Die Autoren haben das offenbar einfach getan, weil sie es als Gimmick nett fanden.
Was ist nun das Problem daran, wenn „Discovery“ vor „Classic“ spielt? Man muss sich theoretisch an all das halten, was in den bisherigen fünf Star-Trek-Serien etabliert wurde, und das ist eine Menge. Darüber hinaus kann man aber viele Geschichten einfach nicht erzählen, weil wir aus den später angesiedelten Geschichten eine ganz gute Idee haben, was die Föderation weiß und kann und was nicht. An letzterem Punkt hat sich schon „Star Trek: Enterprise“ immer wieder eine blutige Nase geholt, weil man es nicht lassen konnte, 200 Jahre vor dem jeweiligen Erstkontakt die Borg und die Ferengi einzubauen, was nun mal einfach nicht geht. All diese Probleme erbt „Discovery“, ohne dass zumindest in der ersten Staffel erkennbar gewesen wäre, wozu das gut sein soll.
Man hätte es natürlich anders machen können, z.B. indem man die Serie einfach in der Zukunft spielen lässt. Die Autoren wollen gerne einen Krieg zwischen Föderation und Klingonen schildern? Sie möchten uns ein hypermodernes Schiff zeigen mit einem noch nie dagewesenen Antrieb? Prima! Ab ins Jahr 2425 mit genug Abstand zu TNG, DS9 und Voyager, dass man sich nach Belieben austoben kann, aber sich trotzdem die Möglichkeit von Cameo-Auftritten bekannter Charaktere offen hält. Zweidrittel aller meiner Kritikpunkte wären dann auf einen Schlag verschwunden. Ok, über die neudesignten Klingonen würde ich mich immer noch aufregen und über den unsympathischen Hauptcharakter auch.
Aber es geht sogar noch besser, man kann die Serie ja auch einfach als Remake umsetzen. Hatten wir schon, sagt ihr? Nicht wirklich, denn Abrams‘ Star-Trek-Version sollte das ja gerade nicht sein, sondern eine alternative Zeitlinie darstellen. Und dessen Ansatz ist bereits an Mangel an Willen gescheitert, das dann auch entsprechend mit dem bekannten Star-Trek-Universum zu verknüpfen. Auch die Produzenten haben das eingesehen, und Discovery hat keinerlei Bezug zu Abrams‘ vermurkster Alternativ-Zeitlinie. Aber an und für sich spricht nichts dagegen, „Discovery“ zum Remake zu erklären. Man kann diese Art Geschichten gut oder schlecht finden, aber sie haben prinzipiell ihre Berechtigung. „Battlestar Galactica“ war z.B. eine geniale Serie und um Welten besser als das Original. Anders herum braucht die Welt wirklich keine neue Version von „MacGyver“. So oder so haben diese Serien aber die Freiheit, zu ändern was immer sie wollen. Starbuck ist eine Frau? Klar, have fun with it. Mit diesem Ansatz kann man die Serie zeitlich spielen lassen, wann man möchte, eben auch kurz vor der Classic-Serie. Man kann die Klingonen neu designen, und nicht mal ich könnte darüber meckern. Neue Antriebe, voll moderne Technik etc. Alles geht, und dreiviertel meiner Kritikpunkte verpuffen einfach.
Leider wählt „Discovery“ diesen Ansatz nicht, sondern sieht sich als Weiterführung des bekannten Star-Trek-Universums. Schon in der ersten Episode tauchen aber unzählige Ungereimtheiten auf. Die Uniformen passen nicht zu denen, die wir von der Enterprise kennen. Sollen wir glauben, dass die Sternenflotte zwischen 2254 (The Cage), 2256 (Discovery) und 2266 (Classic) drei verschiedene Modelle an Uniformen in Benutzung hatte, wobei die Version von 2254 fast so wie die von 2266 aussieht? Und wieso sehen die Klingonen nun komplett anders aus? Das ist insbesondere unpassend, als DS9 und ENT die „humanoiden Klingonen“ aus der Classic-Serie quasi canon gemacht haben. Nun sehen die Klingonen aber noch krasser aus als zu Zeiten von TNG, haben dafür aber keine Haare mehr. Sie haben hier auch plötzlich eine Tarnvorrichtung, welche die Sternenflotte unseres Wissens nach 2266 zuerst bei den Romulanern trifft. Die Klingonen haben sie erst ein, zwei Jahre später von diesen erworben.
Auch mit der Darstellung der Technik bringt man sich hier in Teufels Küche. Man kann sich eigentlich nur entweder optisch und funktionell an das halten, was die Classic-Serie etabliert hat, oder auf der anderen Seite eine moderne SF-Serie für die heutige Zeit erzählen. „Disocvery“ entscheidet sich für letzteres und bricht dadurch mit sehr vielem, was wir aus Classic wissen. Wir sehen z.B. routinemäßig Holo-Kommunikatoren, die uns im 24. Jahrhundert als brandneu vorgestellt wurden (DS9). Wir sehen auch immer wieder in die Luft projizierte „Bildschirme“, was es selbst bei TNG nicht gab.
Und das sind alles nur Beispiele aus der ersten Episode. Im Lauf der ersten Staffel sammeln sich unheimlich viele Dinge an, die zwingend am Ende der Serie entsorgt werden müssen, damit „Discovery“ zu „Classic“ und den späteren Serien passt. Das Mycelial Network und der Spore Drive müssen nachhaltig entsorgt werden, damit „Voyager“ funktioniert. Für Classic wäre es nötig, dass niemand in der Sternenflotte Kenntnis vom Schicksal der USS Defiant erlangt. Und so geht es weiter… Also: Die Handlungszeit im Jahr 2256 bringt also viele Probleme mit sich, aber bisher keinen erkennbaren Vorteil.
Michael Burnham
Über meine Probleme mit dem Charakter Michael Burnham habe ich mehr in den Einträgen zu den beiden ersten Episoden geschrieben. Ich werde mit diesem Charakter einfach nicht warm, was aus meiner Sicht weniger an Sonequa Martin-Green und mehr an den Autoren liegt. Michael Burnham wird uns am Anfang der Serie vorgestellt, als sollten wir sie gar nicht mögen. Das fängt schon mit dem Vornamen an, den Bryan Fuller wohl nur gewählt hat, um die Zuschauer zu irritieren. Dann wird Burnham uns als Adoptivschwester von Spock vorgestellt, was einfach Schwachsinn ist. Sie wird auf vulkanisch-stoisch getrimmt, was nur bedingt Sinn macht und auch nicht neu ist (Seven of Nine lässt grüßen und Spock auch). Und dann geben sich die beiden Episoden so richtig Mühe, sie uns unsympathisch zu machen: Sie verweigert einen einfachen Befehl. Dann ignoriert sie alle Grundsätze der Sternenflotte und möchte über eine Meuterei einen Angriff auf ein fremdes Schiff durchsetzen, das bisher keinerlei Aggressionen gezeigt hat. Und am Ende versaut sie auch noch den Versuch, T‘Kuvma gefangen zu nehmen. In diesen Momenten wird der Charakter aus meiner Sicht so absolut zerstört, dass man das eigentlich nicht reparieren kann. Burnham hat sich eben nicht in einer Zwangslage falsch entschieden, sondern mit Bedacht und Überlegung einfach total daneben gegriffen.
Und dann geht die Serie einen Schritt weiter und erwartet, dass wir die Dinge aus den ersten beiden Episoden einfach vergessen sollen. Sie sind zwar irgendwie noch Background des Charakters, aber sie wird nun wieder als total loyale und kompetente Offizierin gezeichnet. Was sie damals falsch gemacht hat und die Größenordnung ihrer falschen Entscheidung werden nicht thematisiert. Wir bekommen keine Episode, wo sich Burnham damit auseinandersetzt und einsieht, was sie für einen Mist gebaut hat. Stattdessen wird der Charakter so dargestellt, als hätte sie Recht gehabt mit ihrem Meuterversuch und das böse Universum würde das nur nicht einsehen. Fast als wären die Autoren der Meinung, es wäre richtig gewesen, T‘Kuvmas Schiff ohne Provokation zu zerstören.
Form Follows Function
Man hat mit der Discovery eigentlich ein nettes Schiff mit einer netten Crew erschaffen, jedenfalls soweit wir diese Crew überhaupt kennenlernen. Leider ziehen sich durch so ziemlich alle Geschichten immer wieder Plot-Elemente, die für mich einfach nicht funktionieren. Dazu gehört das „mycelial network“, das einfach daherbehauptet wird. Es verbindet also alle Teile des Universums miteinander und man kann darüber reisen, mit der Technologie des Jahres 2256. Hundert Jahre später kennt das aber niemand mehr, und wenn es darum geht, wie die Voyager nach Hause kommt, wird es nicht mal mehr erwähnt. Das ist ein dämliches Gimmick, das eher früher als später entsorgt werden muss, wozu die Discovery-Autoren aber augenscheinlich keine Lust haben.
Ähnlich verhält es sich mit Lieutenant Tyler. Die Geschichte, was da mit Voq und Ash Tyler passiert ist, macht auf so vielen Leveln keinen Sinn, dass es wirklich wehtut. Obendrein erfahren wir erst sehr spät und sehr spärlich Details dazu. Mir war lange Zeit beim Schauen nicht klar, ob das nun ein umoperierter Voq sein soll oder ein gehirngewaschener Ash Tyler. Erst sehr spät kommt dazu eine definitive Aussage, und das in einem „blink and you‘ll miss it“-Nebensatz. Die Liebesgeschichte zwischen Burnham, deren Eltern von Klingonen getötet wurden, und dem klingonischen Spion ist eine im Prinzip nette Idee, aber es hakt an der Ausführung. Das Umoperieren von Voq geht viel zu schnell, und dass er dann einfach auf der Discovery einen kritischen Offiziersposten angeboten bekommt, ist lachhaft. Zumal nicht erkennbar ist, wieso er sich dieser Prozedur überhaupt unterziehen sollte, was sein Plan dabei gewesen sein mag.
Neben diesen beiden großen Kritikpunkten störe ich mich immer wieder an Kleinigkeiten, die auf ähnliche Weise unpassend oder unlogisch sind. Die Sternenflotte hält ein Kriegsgericht in einem dunklen Raum ohne Anwalt ab und verurteilt dann Burnham zu einer lebenslangen Haftstrafe? Das widerspricht ALLEM, was wir in 700+ Episoden über die Föderation erfahren haben, sieht aber irgendwie nett aus. Ähnliche Szenen gibt es in quasi jeder Episode, wo Dinge passieren, die keinen Sinn ergeben und nicht erklärt werden, aber nett aussehen. Das fängt mit dem komischen „lightning bug“ an Burnhams Shuttle an, geht über die von ihren Kameraden auf der USS Glenn zurückgelassenen Klingonen weiter bis zur Story um Ash Tyler. An all diesen Punkten folgt die Form eben nicht der Funktion, wie man es von gutem Design her kennt. Hier ordnet sich vielmehr die innere Logik der Geschichte der Ästhetik unter. Solange am Ende ein emotionaler Moment für die Charaktere steht, scheint es nichts zu machen, dass die Grundlagen der Szenen und damit auch dieser Emotionen einfach daherbehauptet sind. Das kann man sicher mal machen, aber es passiert so häufig und so beharrlich, dass man nicht das Gefühl hat, dass die Autoren sich für die innere Logik der Geschichte überhaupt interessieren. Das ist ein neuer Stil, eine Geschichte zu erzählen, den ich aus Überzeugung ablehne und am ehesten mit JJ Abrams assoziiere. Abrams selbst ist an „Discovery“ nicht beteiligt, aber Alex Kurtzman stammt aus seinem Dunstkreis und war schon an den Reboot-Trek-Filmen beteiligt, die an den gleichen Symptomen krankten.
Bei Wikipedia kann man sich viele Details zur Entstehungsgeschichte der Serie durchlesen. Einige merkwürdige Dinge versteht man dann besser. Die sinnlose, mehrwöchige Pause in der Mitte der ersten Staffel wurde z.B. nötig, um Verzögerungen in der Produktion der Episoden aufzufangen. Die ganze Serie wurde ja bereits mehrfach verschoben, ehe sie im September 2017 dann anlief, und auch sonst scheint dort vieles nicht rund zu laufen. Bryan Fuller musste als Show Runner jedenfalls noch vor Drehbeginn gehen, und gerade lese ich, dass zu Beginn der zweiten Staffel mit Gretchen J. Berg und Aaron Harberts zwei weitere Executive Producers ihren Hut nehmen mussten, während Akiva Goldsman gar nicht zurückkam für eine zweite Staffel. Aktuell ist damit Alex Kurtzman der Show Runner. Dass bei so einer Produktion keine Serie mit einer konsistenten Vision herauskommt, ist nicht wirklich verwunderlich.
Die Crew der Discovery
Ebenfalls einer meiner Kritikpunkte an der Serie: Wir bekommen kein echtes Bild der Crew der USS Discovery. Die Serie will sich ja ausdrücklich einen weniger hochrangigen Offizier als Hauptcharakter aussuchen. Das kann man machen, aber damit das als Serie trotzdem funktioniert, ist Burnham auch als rangloser „Specialist“ in alle Kommandoentscheidungen mit eingebunden. Sie verhält sich effektiv wie der Zweite Offizier und kriegt auch entsprechende Aufgaben. Aber immerhin ist zur Abwechslung mal nicht der Captain der Hauptcharakter. Vom Rest der Crew lernen wir nur Saru, Stamets, Culber und Tilly nennenswert kennen. Der Stunt um Lorca führt leider dazu, dass die USS Discovery noch vor dem Ende der Staffel keinen Captain mehr hat. Und Sicherheitschefin Landry wird ja bereits zu Beginn der Staffel wieder entsorgt.
Durch die ganze Staffel zieht sich leider der Unwillen der Autoren, uns irgendetwas Konkretes über die Crew der USS Discovery zu verraten. Unabhängig davon, welchen Rang der Hautcharakter bekleidet, kann man das Szenario doch nur ernst nehmen, wenn man annimmt, dass die Führungsoffiziere des Schiffes an wichtigen Entscheidungen beteiligt sind. Die Realität in der Serie sieht jedoch anders aus: Viele wichtige Offiziere spielen für die Handlung keine Rolle. Detmer, Rhys, Bryce, Owosekun und Airiam sind oft auf der Brücke zu sehen, haben aber keine nennenswerten Dialoge. Sie nehmen an keinen Außenmissionen teil, genauso wenig wie an Besprechungen (und falls sie da mal mit saßen, durften sie zumindest nichts sagen). Wir Zuschauer erfahren praktisch nichts über sie. Besonders ärgerlich ist das im Fall von Lieutenant Commander Airiam: Sie ist ranghoch und erfahren genug, um das Kommando zu übernehmen, wenn Saru und Lorca nicht auf der Brücke sind, aber wir Zuschauer erfahren nicht einmal den Namen ihrer Spezies!
Andere wichtige Offiziere gibt es nur offscreen, wir erfahren nicht einmal ihre Namen. Immer wenn ein Arzt zu sehen ist, ist das anfangs Lieutenant Commander Culber. Es wird jedoch relativ früh erwähnt, dass er nicht der Chief Medical Officer des Schiffes ist. Da seine Nachfolgerin als „Onscreen-Ärztin“, Lieutenant jg. Pollard, im Rang deutlich unter ihm steht, kann sie auch nicht der CMO sein. Aus der einen Bemerkung aus „Choose Your Pain“ kann man aber schlussfolgern, dass die USS Discovery einen CMO hat. Wieso sehen wir ihn oder sie dann nicht? Nicht einmal am Ende der Staffel, als die ganze Brückencrew einen Orden bekommt, incl. Dr. Culber? Das ist grundlos unsinnig und macht die Discovery als Schauplatz einfach weniger glaubwürdig.
Analog ist nicht wirklich klar, ob Lieutenant Stamets der Chefingenieur des Schiffes ist. Er verhält sich so und Lorca verhält sich auch so. Die Produzenten haben aber wohl getwittert, dass er nicht als solcher gedacht ist. Und tatsächlich gibt es eine Szene in Staffel 2 (Sorry, einziger Mini-Spoiler zu Staffel 2), in der ein Charakter gegenüber Stamets erwähnt, dass sie eine Aufgabe im Auftrag des Chefingenieurs ausführt. Auch hier: Was soll das? Wieso gibt man den Hauptcharakteren nicht einfach auch entsprechende Posten? Alternativ müsste man sich eben die Mühe machen, den Chefingenieur zu casten und hin und wieder zu zeigen. In der ersten TNG-Staffel war z.B. Lieutenant Commander Argyle sicherlich kein Hauptcharakter. Aber wenn ein wichtiges technisches Problem anstand, hat Picard mit ihm gesprochen und nicht mit Wesley.
Die Staffel im Überblick
Schaut man auf die erste Staffel zurück, dann ergibt sich ein sehr uneinheitliches Bild. Man kann die Geschichte der Staffel schwer in einem Satz zusammenfassen, da hier mindestens zwei Geschichten parallel erzählt werden. Irgendwie geht es um Burnhams Weg zu sich selbst, aber auch um Lorcas Weg zurück nach Hause und natürlich um den Krieg gegen die Klingonen. Ok, man kann es in einem Satz zusammenfassen, wenn der Satz eine Aufzählung ist. 🙂 All das sorgt aber dafür, dass die Staffel eben nicht einen konsistenten Spannungsbogen hat, sondern ein bisschen hin- und herspringt.
Dazu kommen die bereits erwähnten unzähligen Storyelemente, die inhaltlich keinen Sinn ergeben oder nicht zum bekannten Star-Trek-Universum passen. Normalerweise beides. Ebenfalls zu beobachten: Die Serie übertreibt es oft. Anstatt einfach nur einen Krieg mit den Klingonen zu schildern, wird hier gleich die ganze Föderation an den Rand des Untergangs gebracht mit Verlusten, die den Dominion-Krieg wie ein Scharmützel aussehen lassen. Anstatt mit dem Mycelial Network einfach nur eine neue Art des Reisen zu etablieren, wird hier gleich ein Netzwerk aufgemacht, das sich angeblich durchs ganze Multiversum zieht und alles Leben miteinander verbindet. Und die Handlungen von Spiegel-Stamets führen folglich nicht einfach nur zum Untergang des Netzwerks (Yay!), sondern bedrohen gleich das Leben im ganzen Multiversum. Eine Spur kleiner geht es einfach nicht, scheinbar. Nicht dass an diesen Punkten gegen Ende der Staffel Glaubwürdigkeit noch ein Thema wäre.
Positive Aspekte
So, nach sehr viel Meckerei will ich auch ein paar positive Aspekte erwähnen. „Discovery“ ist ja nicht einfach nur schlecht. Vielmehr hätte es mit etwas mehr Mühe bei allen Beteiligten tatsächlich eine gute Serie werden können. Das macht es ja um so ärgerlicher. Nun, jedenfalls: Der Vorspann ist toll, einer der besten aller Trek-Serien. Doug Jones spielt Saru super, der Charakter ist einem auf Anhieb sympathisch und passt perfekt in eine Trek-Serie. Auch Jason Isaacs als Captain Lorca spielt diese schwierige Rolle gewohnt gut. Lobend erwähnen will ich auch Jayne Brook als Admiral Cornwell, ein starker Charakter.
Was das größtenteils misslungene Einpassen in das schmale Fenster zwischen „The Cage“ und „Classic“ anbelangt, ragt der Charakter Harry Mudd heraus. Rainn Wilson spielt ihn gut, und ausnahmsweise haben die Autoren hier aufgepasst. Der Discovery-Mudd passt perfekt zu dem, was wir aus „Classic“ über ihn wissen, und ist nebenbei noch sehr unterhaltsam. Und dann soll noch die Beziehung zwischen Stamets und Culber nicht unerwähnt bleiben. So wenig ich mit dem merkwürdigen Stamets warm werde, so muss ich doch anerkennen, dass die Beziehung der beiden einfach gut geschildert wurde. Gerade dass man darum kein großes Theater macht, ist gut und angemessen. Die Szene, welche beide beim abendlichen Zähneputzen zeigt, ist in all ihrer Normalität einfach schön.
Fazit
„Star Trek: Discovery“ repräsentiert wohl die moderne Art, Geschichten zu erzählen. Alles Show, keine Substanz, nichts muss Sinn ergeben solange es gut aussieht. Damit kann ich mich nicht anfreunden. Die Autoren geben sich erkennbar keine Mühe, sich in das bestehende Star-Trek-Universum einzupassen. Wieso sie es dann überhaupt probieren und nicht ein Remake angefangen haben, bleibt ihr Geheimnis. Dazu kommt das Herumgeeiere zwischen mehreren Handlungsbögen und der unsympathische Hauptcharakter. Möglich, dass jemand, der noch nie „Star Trek“ geschaut hat, in „Discovery“ reinzappt und an der auf Hochglanz polierten Action hängen bleibt. Als Star-Trek-Fan seit 1990 kann ich mich jedenfalls nicht damit anfreunden und die Serie gleichzeitig auch nicht einfach ignorieren. Um das verpasste Potential ist es jedenfalls sehr Schade.
Nachtrag: Ich habe nun zu jeder Episode der ersten Staffel eine mehr oder weniger ausführliche Review verfasst und erst im Nachhinein die wundervollen „Recaps“ von Super Anemic entdeckt. Bloggerin Nique Yager hat hier zu jeder Episode eine ausführliche Screenshot-Galerie erstellt und diese mit sarkastischen Sprechblasen versehen. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, und in diesem Fall sagen ca. 25 Bilder mit einigen Worten viel mehr aus als meine 2000+ Worte an Text pro Folge. Wenn ihr nur Zeit für eines habt, dann schaut euch die Recaps an. Ich habe sie am Ende meiner Reviews verlinkt.