Terry Pratchett: Fliegende Fetzen

Cover Fliegende FetzenRezension zu „Fliegende Fetzen“ von Terry Pratchett, 21. Scheibenwelt-Roman, Originaltitel: „Jingo“, Ersterscheinung: 1997 (UK)

Deutsche Ausgaben: „Fliegende Fetzen“, 1999, Wilhelm Goldmann Verlag München, 416 Seiten; „Fliegende Fetzen“, 2004, Blanvalet Verlag

Inhalt

Aus den Weiten des Ozeans steigt eine vor langer Zeit versunkene Insel wieder auf. Und da Leshp ziemlich genau in der Mitte zwischen Ankh-Morpork und Klatsch liegt, entbrennt schon bald ein Streit darum, wer die Insel in Besitz nehmen darf. Fremdenfeindliche Tendenzen machen sich in Ankh-Morpork breit, die Stimmung richtet sich eindeutig gegen die „Handtuchköpfe“ aus Klatsch.

Während dieser schwierigen Phase kommt Prinz Khufura von den Klatschianern zu Verhandlungen in die Stadt. Doch auf ihn wird ein Attentat verübt, ein Bogenschütze verletzt ihn schwer. Während Vetinari die Herrschaft über die Stadt an einen Kriegsrat unter der Kontrolle von Lord Rust abtreten muss und die ersten Regimenter gebildet werden, kommt Kommandeur Mumm von der Stadtwache Ankh-Morporks einem ungeheuerlichen Verbrechen auf die Spur. Wer hat das Attentat auf den Prinzen in Auftrag gegeben? Wer will es so aussehen lassen, als hätten Klatschianer den Attentäter bezahlt und dann ermordet? Und kann es sein, dass jemand sich hinsetzt und beschließt, absichtlich einen Krieg anzuzetteln?

Für Kommandeur Mumm sind das neue Dimensionen des Verbrechens, er wird zusehends in die Politik hineingezogen. Doch schließlich bricht er mit der gesamten Stadtwache nach Klatsch auf, um das Verbrechen aufzuklären und den Krieg zu verhindern.

Hauptpersonen

  • Kommandeur Mumm – er muss ein Verbrechen aufklären, dass die üblichen Dimensionen weit übersteigt
  • Hauptmann Karotte und Angua – wie immer die fähigsten Leute der Stadtwache
  • Feldwebel Colon und Korporal Nobby – erfüllen einen geheimen Auftrag
  • Lord Vetinari – der Patrizier greift persönlich ein
  • Lord Rust – möchte Ankh-Morpork in den Krieg gegen die Handtuchköpfe führen
  • 71-Stunden-Ahmed – ein mysteriöser Klatschianer

In weiteren Rollen

  • der Tod
  • Leonard von Quirm
  • der Bibliothekar der Unsichtbaren Universität
  • Detritus, Dorfl, Besuch-die-Ungläubigen-mit-erläuternden-Schriften, Abfluss, Reg Schuh, Grinsi Kleinpo und andere Wächter
  • Lady Sybil Käsedick
  • Willikins
  • der Disorganizer
  • Prinz Khufura und Prinz Cadram von Klatsch
  • Jabbar, nicht-der-Anführer-der-D‘regs
  • Kapitän Jenkins

Schauplätze

Ankh-Morpork, Leshp, Wüste von Klatsch, Al-Khali, Ozean

Bewertung

Mal wieder ein Roman der gutbekannten Stadtwache Ankh-Morporks. Mittlerweile sind einem Mumm, Karotte und der Rest der Wache ja schon ans Herz gewachsen, und so fühlt man sich auch in diesem Roman gleich wie unter alten Bekannten. Pratchett spinnt nebenbei die Story um den nicht jünger werdenden Mumm und die stetig wachsende Wache weiter. Gerade auf Mumm wird viel Augenmerk gelegt. Aber auch Nobby darf neue Seiten an sich entdecken.

Die Story ist flüssig und mit dem üblichen Humor erzählt. Anfangs erinnert mich das Ganze an das Kennedy-Attentat, diese Hommage ist unverkennbar. Später befasst sich das Buch vor allem mit Politik und der Rechtmäßigkeit des Krieges. Mumms Idee, beide Regimenter einfach zu verhaften, aus Gründen wie „Komplott mit der Absicht, Krawalle zu schaffen. […] Bedrohliches Gebaren. Vorsätzliches Herumlungern. Unerlaubtes Zelten in der Wüste. Reisen mit dem Ziel ein Verbrechen zu verüben.“ hat schon etwas Bestechendes. Terry Pratchett versucht hier auch durchaus, uns eine ernste Botschaft vor Augen zu führen. In seinem köstlichen, humoristischen Stil zieht er den Krieg und den Fremdenhass zwischen „Handtuchköpfen“ und „Würstchenfressern“ ins Lächerliche und zeigt dadurch die Absurdität des Ganzen. Immer behält aber die humoristische Seite die Oberhand, das Buch ergeht sich nicht zu sehr in Tiefgründigkeit, was auch ganz gut so ist.

Ein guter Teil des Romans dreht sich um die Klatschianer, die das Scheibenwelt-Äquivalent der Araber bzw. Moslems sind. Ihre Kultur wird hier etwas näher beleuchtet, außerdem treffen wir die D‘regs wieder. Die meisten alten Bekannten aus Ankh-Morpork haben mehr oder weniger große Auftritte, natürlich auch der GROSSGEDRUCKT SPRECHENDE. Auch Leonard von Quirm, der Da Vinci der Scheibenwelt, hat wieder Gelegenheit, verrückte Erfindungen zu machen.

Mehr als sonst ist diesmal Lord Vetinari involviert, der natürlich nicht einfach zusehen kann, wenn seine Stadt ins Verderben rennt. Seine Lösung des Ganzen folgt dabei dem Motto „Veni, vici … Vetinari“.

Fazit

Insgesamt ein unterhaltsamer, aber auch angemessen tiefgründiger Roman um die Stadtwache. Möglich, dass die Stadtwache irgendwann einmal abgenutzt ist. Hier jedenfalls präsentiert sie sich wieder einmal auf interessante und erfrischende Weise.

Zitate

Mumms Grinsen war ebenso humorvoll wie jenes, das sich einem Ertrinkenden ziemlich schnell nähert und oben mit einer Flosse ausgestattet ist.
[S. 14]

Es war bemerkenswert, was auf Ankh-Morpork herabfallen konnte. Niemand verlor ein Wort darüber, wenn es kleine Fische und Frösche regnete, aber Bettgestelle erregten doch Aufmerksamkeit.
[S. 50]

Auf Leshp regnete es so heftig, dass es für die Insel kaum einen Unterschied machte, dass sie aus dem Meer aufgestiegen war.
[S. 60]

In Ankh-Morpork gab es keine Feuerwehr mehr. Manchmal dachten die Bürger der Stadt sehr direkt, und es dauerte nicht lange, bis sie einsahen: Es konnte falsch sein, eine Gruppe von Männern für die Anzahl der Brände zu bezahlen, die sie löschten.
[S. 136]

Karottes Meinung nach drückte solch ein Verhalten die instinktive Erkenntnis der Leute aus, dass Zivilisation auf dem gegenseitigen Respekt von Besitz basiert. Angua hingegen hielt diese Personen für kleingeistige Mistkerle, die fähig waren, einem die Uhrzeit zu verkaufen.
[S. 143]

„Weiß jemand wie spät es ist?“
„Bimmel-bimmel-bamm!“ ertönte eine fröhliche Stimme aus seiner Tasche.
„Verdammt!“ fluchte Mumm, aber es war bereits zu spät.
„Es ist … etwa so um neun“, erklärte eine quiekende, freundliche Stimme, deren Tonfall darum bat, erdrosselt zu werden.
„Etwa so um neun?“
„Ja. Haargenau etwa so um neun.“
Mumm rollte mit den Augen. „Haargenau etwa so um neun?“ fragte er. Er zog ein kleines Objekt aus der Tasche und hob den Deckel. Der Dämon darin bedachte ihn mit einem zornigen Blick.
„Gestern“, verkündete er, „hast du folgendes gesagt, und ich zitiere: ‚Wenn du nicht mit dem Acht-Uhr-sechsundfünfzig-und-sechs-Sekunden-Präzisions-Unsinn aufhörst, wirst du bald die Unterseite eines Hammers betrachten.‘ Woraufhin ich erwiderte: ‚Dadurch wird die Garantie hinfällig. Hier Namen einfügen.‘ Woraufhin du gesagt hast: ‚Nimm die Garantie und steck sie dir…‘“
[S. 148, Mumm und sein Disorganizer]

„Viele Soldaten haben in vielen verschiedenen Regimentern gedient“, sagte Nobby.
„Ja, das stimmt“, räumte Colon ein. „Aber nicht während der gleichen Schlacht.“
[S. 177]

Eine der allgemeinen Regeln des Glücks lautet: Hüte dich vor angeblich nützlichen Gegenständen, die weniger wiegen als ihr Handbuch.
[S. 178]

„Um eine Niederlage zu vermeiden, wenn man es mit einem zahlenmäßig überlegenen Feind zu tun hat, der über bessere Waffen und Stellungen verfügt, schlägt General Taktikus folgendes vor.“ Mumm blätterte. „Man lasse sich nicht auf einen Kampf ein.“
[S. 256, Mumm]

Gib einem Mann Feuer, und er hat es einen Tag lang warm. Steck ihn in Brand, und er hat es warm für den Rest seines Lebens.
[S. 265, Fester Fanggut]

Es mag durchaus einen Sinn haben, alle Brücken hinter sich abzubrechen, aber dabei sollte man besser nicht auf ihnen stehen.
[S. 373]

Die Rechte an obigen Zitaten liegen bei Terry Pratchett und den Verlagen. Dies soll keine Copyright-Verletzung darstellen, sondern lediglich zum Lesen des Buches anregen. Alle Seitenangaben beziehen sich auf die Goldmann-Ausgabe.

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