Ahnenforschung: Unterschiede Standesamt und Kirchenbücher

Heute möchte ich kurz etwas zum Unterschied zwischen Standesamts-Unterlagen und Kirchenbüchern aufschreiben. Wer sich schon ein klein wenig damit beschäftigt hat, weiß ja sicher, dass 1876 die magische Grenze ist, ab der reichsweit die Standesämter eingeführt wurden. Ab da hat man immer zwei mögliche Quellen, um die wichtigen Ereignisse im Leben der Vorfahren zu belegen, kirchliche und staatliche. In einigen Gegenden gab es auch davor schon staatliche Register, z.B. unter Napoleon. Das kurz zu recherchieren kann sich lohnen.

Ganz praktisch bedeutet das zum einen Redundanz: Wenn die Kirchenbücher nicht online sind, sind es vielleicht die Standesamts-Unterlagen. Wenn eine Quelle verloren geht, gibt es noch die andere. Um die Lebensdaten einer Person zu belegen, reicht im Prinzip entweder das eine oder das andere. In aller Regel wird es übrigens beides geben. Unabhängig vom tatsächlichen Glauben waren doch vor 1940 schon sehr viele Menschen in Deutschland Kirchenmitglieder. Man kann aber natürlich nicht ausschließen, dass ein Vorfahre aus der Kirche ausgetreten ist und man deswegen dort nichts findet.

Wenn man sich nun daran gewöhnt hat, mal mit Standesamt und mal mit Kirchenbuch zu arbeiten bei der Recherche, kann man leicht die subtilen Unterschiede vergessen, die einem manchmal helfen und einem manchmal das Leben schwer machen.

Der wichtigste Unterschied ist, dass das Standesamt das Ereignis immer da beurkundet, wo es aufgetreten ist, unabhängig davon, ob die Person dorthin gehört oder nicht. Wer auf einer Urlaubsreise fern der Heimat verstirbt, steht dann am Urlaubsort im Standesamts-Register. Kirchen machen das letztlich auch so, wenn auch nicht ganz so strikt, nur dass das Ereignis nicht die Geburt sondern die Taufe ist bzw. nicht der Tod sondern die Beerdigung. Dieser kleine Unterschied kann tatsächlich wichtig sein, denn die Taufe kann durchaus Wochen oder Monate später stattfinden. Bei Katholiken, die auf ihr Seelenheil bedacht sind, mag das unüblich sein, aber im evangelischen Raum glaube ich wurde schon auch auf eine gute Gelegenheit für eine festliche Taufe mit den Taufpaten geachtet, was ggf. mitten im Winter oder zur Erntezeit nicht ging. So kann es also durchaus sein, dass ein Kind bei den Großeltern zur Welt kommt, aber Wochen später zu Hause getauft wird.

Und am anderen Ende des Lebens hatte ich auch gerade einen solchen Fall: Ein Witwer hat seine Frau um 19 Jahre überlebt, zog zu seinen erwachsenen Töchtern in eine andere Stadt und starb dort später im hohen Alter. Es fand sich im Kirchenbuch aber kein Eintrag für die Beerdigung. Das hätte nun daran liegen können, dass ich in der falschen Kirche gesucht habe oder die richtige Kirche im Kirchenbuch-Portal noch fehlt. Mit dem Sterbeort war ich mir sicher, denn mir liegt eine Sterbeurkunde des Standesamts vor. Dann kam mir jedoch der Gedanke, mal am ursprünglichen Wohnort zu suchen, wo viele Jahre zuvor die Ehefrau beerdigt worden war, und dort wurde ich dann in der alten Gemeinde problemlos fündig. Irgendwie ein schöner Gedanke, dass die Töchter sich nach all den Jahren die Mühe gemacht haben, ihren Vater bei ihrer Mutter zu beerdigen.

Man muss sich also immer bewusst machen, dass es letztlich um die Spuren von sozialen Ereignissen geht, die durch menschliches Verhalten genauso bestimmt sind wie durch Gesetze und Kirchenregeln. Und Menschen haben sentimentale, romantische oder auch ganz praktische Gründe, wieso eine Taufe oder eine Beerdigung zu einem anderen Zeitpunkt oder an einem anderen Ort stattfindet, als man es erwartet hätte.

Ansonsten gibt es natürlich auch inhaltliche Unterschiede. In der Regel stehen in Standesamts-Unterlagen mehr und ggf. genauere Daten drin. Aber in manchen Punkten haben auch die Kirchenbücher die Nase vorn. Das Standesamt punktet hier:

  • Genaue Angaben zu den Eltern der Brautleute im Heiratseintrag. Die gibt es hier eigentlich immer, in Kirchenbüchern mal so, mal so und mit unterschiedlich vielen Details. Namen stehen normalerweise im Kirchenbuch auch drin, Orte auch. Aber genaue Geburtsdaten und Berufe findet man eher beim Standesamt.
  • Verweise auf andere Einträge. Man findet relativ oft auf den Rand von Geburts- oder Hochzeitseinträgen einen Verweis auf Heiraten oder Sterbedaten gestempelt. Gerade wenn man gar nicht weiß, wann und wo jemand gestorben ist, ist das extrem hilfreich. In größeren Städten wie Hamburg oder Berlin kann man z.B. ja nicht mal eben das Kirchenbuch durchlesen, um jemanden zu finden.
  • Trauzeugen bei Heiraten. Das kirchliche Heiratsregister ist oft nicht ergiebig, und Trauzeugen wurden in meinen bisherigen Funden nicht genannt. Beim Standesamt stehen sie dagegen mit dabei. Oft sind es die Väter der Brautleute, dann ist es nicht so spannend. Aber manchmal sind es eben auch Geschwister, von denen man plötzlich einen Wohnort oder Beruf erfährt. Und auch deren Biographie macht es ja lebendiger, wenn man mit Sicherheit weiß, dass sie an diesem Tag mit auf dem Amt und danach in der Kirche waren.
  • Unterschriften! Wenn es sich um das Hauptregister handelt, sollten die Beteiligten unterschrieben haben. Bei Geburts- und Sterbeeinträgen kann der Anzeigende gerne auch die Hebamme oder ein Krankenhausarzt sein, aber in Hochzeitseinträgen findet sich logischerweise die Unterschriften des Ehepaares und der Trauzeugen.

Dafür findet man dieses nur in Kirchenbüchern:

  • Oft steht beim Taufeintrag dabei, das wievielte Kind des Ehepaares es ist. Bei wiederverheirateten Witwern/Witwen bin ich nicht sicher, wie das gehandhabt wurde, aber generell kann einem das einen guten Hinweis geben, nach wie vielen Geschwistern man noch suchen muss und auch, wann das Paar eigentlich geheiratet haben müsste.
  • Taufpaten! Logisch, die Taufe ging den Staat ja nichts an. Die Taufpaten sind aus vielen Gründen interessant: Man versteht dann plötzlich, wo die Zweitnamen der Vorfahren herkommen. Und oft handelt es sich um Verwandte der Eltern, gerne deren Eltern oder Geschwister, die sonst vielleicht nirgends mehr auftauchen. Und plötzlich weiß man ein Detail mehr über Tante Anna, von der man vorher nur Geburt und Sterbedatum hatte, und nun weiß, dass sie dazwischen in einem ganz anderen Ort Dienstmagd war. Oder man kann plötzlich eingrenzen, wie lange der Bruder des Vorfahren mindestens gelebt haben muss, nachdem man vorher nicht mal wusste, ob er das Baby-Alter überlebt hatte.

Es lohnt also, immer beide Einträge zu beschaffen, wenn das irgendwie möglich ist.

Ein Gedanke zu „Ahnenforschung: Unterschiede Standesamt und Kirchenbücher

  1. Sehr spannender Artikel! Wir haben ja auch viel mit Kirchenbüchern zu tun. Der Unterschied war mir noch nicht so bewußt – allerdings beschäftige ich mich weder durchgehend noch so intensiv wie Du mit dem Thema. Danke.
    LG,
    Kaineus.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)