Jasper Fforde: Early Riser

Cover Early Riser

Rezension zu „Early Riser“ von Jasper Fforde, 400 Seiten, Hodder & Stoughton Publishing, 2018

Deutsche Ausgabe: „Eiswelt“, 2018, Heyne Verlag

Inhalt

Jedes Jahr wird die Welt ein wenig kälter, rückt das Eis ein wenig weiter vor. Während draußen Temperaturen von bis zu -60 Grad herrschen, liegt die Menschheit für 118 Tage im Winterschlaf. Doch nicht alle Menschen ziehen sich in die riesigen Dormitorien zurück. Einige wenige, die Winter-Konsule, halten Wache über die schlafenden Menschen, damit so viele Menschen wie möglich den Frühling erleben.

Charlie Worthing hasst seinen aktuellen Job, denn er lebt mit 22 Jahren immer noch in dem Pool, in dem er zur Welt kam. Dort bekommen Nonnen Kinder für die Allgemeinheit, um die Verluste während des Winterschlafs auszugleichen. Charlie möchte weg, und als sich die Gelegenheit bietet, den Winter-Konsulen beizutreten, ergreift er sie. Sicher, während des Winters wach zu sein ist unglaublich gefährlich. Wenn die vielen Gefahren, echte wie mythologische, einen nicht erwischen, dann tut es irgendwann die Kälte und die Einsamkeit. Aber es ist ein ehrenwerter Job, und für den im Spätsommer nachgeholten Winterschlaf bekommt man Morphenox, die Droge, welche einen besseren, weniger gefährlichen und traumfreien Winterschlaf garantiert. Charlie geht bei dem legendären Konsul Jack Logan in die Lehre. Eine seiner ersten Aufgaben führt ihn nach Sektor 12, in Mittel-Wales, und das kurz vor „Slumberdown“, dem Beginn des Winterschlafs. Dort häufen sich merkwürdige, ansteckende Träume, welche die Menschen erst in den Wahnsinn und dann in den Kältetod treiben…

Bewertung

Ich mag seit langem Jasper Ffordes „Thursday Next“-Romane, muss aber gestehen, dass diese keine einfache Lektüre sind. Sie spielen ja zur Hälfte in einer merkwürdigen und originellen Parallelwelt und zur anderen Hälfte in der noch ungewöhnlicheren Welt der Bücher. Das alles hat immer viele Ebenen, und man muss schon aufpassen, um sich darin zurecht zu finden. „Early Riser“ zeigt den gleichen tollen Einfallsreichtum und spielt ebenfalls in einer originellen Parallelwelt. Jasper Fforde begnügt sich aber dieses Mal damit, nur eine neue Welt zu schildern, ohne dass der Hauptcharakter mittendrin in eine weitere Welt abtaucht. Das macht dieses Buch einfacher zu lesen. Man sollte sich aber natürlich trotzdem ein paar Kapitel Zeit lassen, ehe man als Leser so richtig angekommen ist in der Geschichte.

Die Idee für diese Welt finde ich wunderbar originell: Die Eiszeit hat nie aufgehört, Mammuts ziehen im Winter über die Salzmarsch nach Europa (was bei uns die Nordsee wäre) und während die Wissenschaft keinen Zweifel mehr am Klimawandel hat (es wird jedes Jahr etwas kälter), können sich die Politiker noch nicht dazu durchringen, wirklich etwas dagegen zu tun. Um in dieser Welt zu überleben, hält die Menschheit Winterschlaf, immer schon. Seit Kaiser Constantinus tut sie das in riesigen Schlaftürmen, den Dormitorien. Rund um dieses Szenario häuft Jasper Fforde einen Berg an Ideen an. Aus diesem „was wäre wenn“-Szenario kann er reichhaltig schöpfen.

Das Buch ist aber nicht nur ein Showcase für dieses Szenario, sondern es gibt auch eine spannende Handlung. Ich will nicht zu viel verraten, aber die Geschichte um die ansteckenden Träume wird schnell ein wenig surreal. Man spürt, dass da noch überraschende Wendungen kommen, kann aber nicht genau vorhersagen, wohin die Geschichte gehen wird. Ich fand das jedenfalls spannend, und dass mich ein Buch über den Winterschlaf mehr als einmal bis in den frühen Morgen wach gehalten hat, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. 🙂 Die Auflösung ist am Ende etwas weniger dramatisch, als ich es mir vorgestellt hätte. Aber sie ergibt Sinn, und ich fand auch die Art, wie Jasper Fforde mit den mythologischen Elementen umgeht, sehr passend. Wer es mag, wenn am Ende sämtliche Puzzlestücke zusammenpassen und alles komplett erklärt bekommen möchte, wird aber vielleicht enttäuscht sein.

Für mich macht noch etwas anderes das Buch so lesenswert: Jasper Fforde stammt zwar aus England, lebt aber in Wales und baut in seine Bücher gerne ein unabhängiges Wales ein. Bei „Thursday Next“ ist das kommunistische Wales nur ein Nebenschauplatz, eine Kuriosität am Rande. „Early Riser“ spielt dagegen vollständig in Wales, inclusive eigener Monarchie. England ist hier nur eine kuriose Randerscheinung, Wales ist Teil der Northern Federation und man bezahlt mit dem Euro. Das Buch spielt in Swansea und Cardiff, in Merthyr Tydfil und dann vor allem in Talgarth, etwas nördlich davon. Das Wales im Buch ist natürlich wieder eine ganze Ecke grandioser geschildert als das echte Wales. Talgarth ist in Wirklichkeit eine Kleinstadt im südlichen Powys, mit nur einem Zehntel der Bevölkerung, welche die Sektor-Hauptstadt im Buch hat.

Ganz toll fand ich auch, dass die Gower-Halbinsel so einen prominenten Platz einnimmt. Charlie träumt immer wieder von einem Tag am Strand von Rhossili, im Hintergrund Worm’s Head und das zerfallene Schiffswrack am Strand. Aus unseren Jahren in Wales ist das auch einer meiner absoluten Lieblingsplätze, nicht umsonst hängt ein Poster davon bei uns im Wohnzimmer. „There‘ll always be the Gower“ Das dürfte ein neuer Klassiker werden, so wie „Wales – It’s not always raining“ in den Thursday-Next-Romanen.

Das Buch ist im übrigen aus der Ich-Perspektive von Charlie geschrieben. Es dauert tatsächlich eine Weile, ehe man ein Gefühl dafür bekommt, wer der Erzähler ist. Das macht einerseits Sinn, denn man denkt ja selber nicht ständig über das eigene Aussehen und die eigene Lebensgeschichte nach. Andererseits ist es schon komisch, wenn man in Kapitel drei noch nicht mit Sicherheit weiß, ob der Erzähler männlich oder weiblich ist. Wie oben schon geschrieben: Man muss dem Buch etwas Zeit geben, sich zu entfalten. Es hilft auch sicher, die ersten paar Kapitel am Stück zu lesen. Wer Bücher in 2-Seiten-Häppchen konsumiert, wird es schwer haben.

Am Ende des Buches gibt es natürlich wieder lustige Werbeposter, unter anderem vom Welsh Tourist Office. Und auf seiner Webseite hat Jasper Fforde einige Zusatzinfos online gestellt, unter anderem Fotos von den Schauplätzen des Buches in Talgarth, wie es dort in Wirklichkeit aussieht.

Fazit

„Early Riser“ kombiniert ein einfallsreiches und unterhaltsames Szenario mit einer spannenden Handlung. Das Buch steckt voller Ideen und Fußnoten, wie man es von Jasper Fforde gewohnt ist, ist aber leichter zu konsumieren als die Thursday-Next-Romane. Auch für Fans von Wales ist hier viel Tolles enthalten. Unterm Strich stellt das Szenario die eigentliche Handlung ein wenig in den Schatten. Ich fand das Buch aber trotzdem sehr lesenswert und kann es empfehlen.

Links

Auf seiner Website hat Jasper Fforde normalerweise einiges an Material zu jedem Roman online gestellt. Für dieses Buch hält es sich in Grenzen, aber vielleicht kommt hier ja später noch etwas dazu:

Meine anderen Fforde-Reviews:

2 Gedanken zu „Jasper Fforde: Early Riser

  1. Ein neues Buch auf meinem wachsenden Lesestapel! Ich muss auch mal wieder die Thursday-Next-Romane lesen. Ich weiß nicht einmal, ob ich alle im Regal stehen habe. Und dann auch noch die anderen Bücher von Jasper Fforde. Das hier klingt auf jeden Fall spannend.

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