Ich finde es spannend zu beobachten, wie sich Sehgewohnheiten ändern. Ich bin in meiner Jugend mit amerikanischen Serien aufgewachsen, und in den Achtzigern und frühen Neunzigern durften erfolgreiche Serien auch schon mal 26 Episoden pro Staffel haben. 20 bis 22 waren es fast immer, 13 Episoden galt als halbe Staffel. Mit dem Umzug nach Großbritannien 2007 kam in dieser Hinsicht ein kleiner Kulturschock auf mich zu. Britische Serien haben oft nur fünf, vielleicht acht und bei krass erfolgreichen Serien mal zwölf Episoden pro Jahr. Manche kommen mit drei Episoden aus, wie etwa „Sherlock“. Das erschien mir damals sehr wenig, und gerade bei „Doctor Who“ und „Torchwood“ hätte man gerne mehr gesehen. Ein paar Jahre später beginne ich nun, mich daran zu gewöhnen und es zu schätzen, wenn eine Serie auch mal zum Punkt kommt anstatt sich mit belanglosen Füll-Episoden über die Laufzeit zu retten.
In der Comedy-Serie „Episodes“ wurde dieser Gegensatz sehr schön zusammengefasst. Dort soll eine amerikanische Version einer erfolgreichen britischen Serie produziert werden, und die Autoren verzweifeln an den vielen Änderungen an ihrer Geschichte. Matt LeBlanc führt ihnen vor Augen, dass die erste Staffel der US-Version so viele Episoden haben wird wie die ganze mehrjährige britische Serie. Um in Staffel drei immer noch Geschichten zu erzählen zu haben, muss man sich viele Wege offen halten und kann die Geschichte nicht straff durcherzählen.
Zu dem aktuellen Trend zu kürzeren Staffeln tragen übrigens auch die US-Kabelsender bei, die vermehrt kurze Staffeln von zehn, zwölf Episoden produzieren, die dann dafür aber ohne die Notwendigkeit von Werbung auch bis zu einer Stunde pro Folge gehen dürfen. Aus der gleichen Ecke kommt der Trend, Serien öfters am Stück zu schauen anstatt sich das halbe Jahr davon begleiten zu lassen, wie das früher der Fall war. Um das Jahr 2000 herum habe ich Serien noch im deutschen Fernsehen gesehen, mit Monaten wenn nicht Jahren Verzögerung zum Original, aber dafür ohne die strikte Notwendigkeit, nach einer Staffel aufzuhören mit der Ausstrahlung. „Star Trek TNG“ hing dem Original so weit hinterher, dass man dreieinhalb Staffeln am Stück ausgestrahlt hat. Heute stellt Netflix eine ganze Staffel „House of Cards“ komplett online, und wenn man will, kann man sich die Serie in einer Nacht reinziehen. Das bringt es natürlich mit sich, dass man eine Serie anders sieht als wenn sie sich über Wochen und Monate hinzieht. Selbst wöchentlich veröffentlichte Kabelserien wie „Game of Thrones“ ziehen sich nur zehn Wochen pro Staffel. Ich denke, da erwartet man dann auch einfach eine kompaktere Erzählweise ohne Füllepisoden.
Ein anderer Trend ist der zu durchgehenden Handlungsbögen. Anfang der Neunziger konnte man viele Serien noch in beliebiger Reihenfolge ausstrahlen, ohne dass das zu sehr auffiel. Jede Episode erzählte eine abgeschlossene Geschichte. Mit Serien wie „Babylon 5″ und später „Lost“ oder „Battlestar Galactica“ wurde es viel üblicher, eine durchgehende Handlung zu erzählen, entweder wirklich durchgehend oder mit Einzelepisoden, die in eine größere Geschichte eingebettet sind. Das finde ich durchaus sehr spannend, es verträgt sich aber nur bedingt mit sehr langen Staffeln. Absolutes Negativbeispiel ist da für mich immer noch „Akte X“, das sich über neun Staffeln hinzog, ohne dass die regelmäßig herausgekramte Hintergrundgeschichte zu irgendeinem Fortschritt oder gar Ende gekommen wäre. Aktuell habe ich auch zwei sehr schöne Beispiele: Die erste Staffel „The Walking Dead“ ist nur sechs Episoden lang und funktioniert perfekt. Spannend, es fehlt nichts, eine wirklich runde Sache. Im Vergleich dazu „Prison Break“. Die ersten beiden Staffeln sind konventionelle 20 Episoden lang und die Geschichte schlägt immer wieder absurde Haken, sichtlich bemüht sich irgendwie über die Laufzeit zu retten. Als abgeschlossener Zehnteiler hätte diese Serie wirklich genial sein können, so bleibt sie Mittelmaß.