Rezension zu „A Feast For Crows – Book Four of A Song of Ice and Fire“ von George R. R. Martin, 1060 Seiten, Bantam Books, 2011, Ersterscheinung: 2005
Deutsche Ausgabe: „Zeit der Krähen“, 2006, Blanvalet Verlag; „Die dunkle Königin“, 2006, Blanvalet Verlag
Inhalt
Eine gewisse nervöse Ruhe ist in Westeros eingekehrt nach der langen Zeit des Krieges. Die einen lecken ihre Wunden, andere brechen zu neuen Abenteuern auf oder machen sich erstmals auf den Weg zu mehr Macht. Auf den Eisernen Inseln krönt sich Balon Greyjoys Bruder zum neuen König, doch sowohl Greyjoys Tochter als auch die Anhänger der alten Meeres-Religion wollen das nicht akzeptieren. Brienne sucht mit unerwarteter Unterstützung nach Sansa Stark, Sam und Gilly sind auf dem Weg nach Oldtown und Arya geht in Braavos in die Lehre. In King’s Landing untersucht Regentin Cersei den Mord an ihrem Vater und versucht, den Einfluss von Margaery auf König Tommen zu beschneiden. Der Rest des Landes liegt in Trümmern, und viele einfache Leute kommen in die Hauptstadt, um gegen die Politik der Krone zu demonstrieren. Und auch im fernen Dorne regt sich Rebellion: Erzürnt über den Tod ihres Onkels schmiedet die Tochter des Prinzen einen Plan. Nach dornischem Recht ist Prinzessin Myrcella die rechtmäßige Erbin des Eisernen Thrones…
Bewertung
Band 3 von Martins „A Song of Ice and Fire“-Saga war ein Monumentalwerk von 1100 Seiten, das hochspannend eine sehr komplexe Geschichte erzählt hat. Wie schreibt man dazu einen Nachfolger, wie legt man noch mal eine Schippe drauf, wenn das Ergebnis noch als Taschenbuch erscheinen soll? Der Autor hat darauf keine Antwort gefunden und irgendwann die Notbremse gezogen: Statt die Geschichte einfach in der Mitte zu teilen, hat er sie nach Handlungsplätzen geteilt. Band 4 erzählt deswegen die ganze Geschichte für einige der Charaktere anstatt die halbe Geschichte für alle zu erzählen. So war 2005 zumindest der Plan.
Bei vielen Fans kam das wohl nicht so gut an, was auch mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung zusammenhängt. Auf Band 4 mussten die Fans immerhin fünf Jahre warten, und dann ging die Geschichte für viele beliebte Charaktere nicht weiter. Im Nachwort verspricht George Martin Band 5 für 2006, also ein Jahr später. Er erschien dann 2011. Dass das die Geduld der Fans strapaziert, ist kaum verwunderlich. Aber: Ich habe den Luxus, nahtlos von Band 3 zu Band 4 zu wechseln, und der fünfte Band liegt auch schon auf dem Nachttisch. Ich laste die riesigen zeitlichen Lücken bei der Bewertung diesem Buch also nicht negativ an. Der Schmerz kommt für mich erst in ein paar Wochen, wenn ich Buch 5 zuschlage in der Gewissheit, dass die TV-Serie die Geschichte zu Ende erzählen wird ehe Band 6 erschienen ist. 😉
Meine Bewertung von Band 4 ist noch aus einem anderen Grund nicht ganz objektiv: Während der Lektüre von Band 3 kannte ich die ersten vier Staffeln der TV-Serie und somit einen Großteil des Inhalts des Buches. „A Feast For Crows“ war nun das erste Buch dieser Reihe, bei dem ich den Großteil des Inhalts nicht kannte. Das machte die Lektüre natürlich noch mal viel spannender. Ganz objektiv macht „A Feast For Crows“ aber auch deswegen einen frischen Eindruck, weil wir eine Menge neuer Schauplätze kennenlernen: Das Buch beginnt in Oldtown, dem Standort der Zitadelle des Maester-Ordens. In Dorne lernen wir Prinz Doran Martell kennen, seine Tochter, die Töchter von Oberyn Martell, Arys Oakheart und Prinzessin Myrcella. Und durch die Augen verschiedener Charaktere erforschen wir Braavos, das sicher nicht zufällig stark an Venedig erinnert. Gleichzeitig wird die Geschichte in King’s Landing weiter erzählt, in Riverrun, unterwegs mit Brienne von Tarth und auf den Eisernen Inseln. Die Mischung aus alten und neuen Charakteren und alten und neuen Schauplätzen fand ich sehr angenehm.
Genauso ist auch der geringere Umfang nicht unangenehm, wenn man Buch 5 schon gekauft hat. An der reinen Seitenzahl sieht man es nicht, aber nach Band 3 kommt einem dieses Buch wie ein Kinderbuch vor. Die Schrift ist riesig im Vergleich zum winzig bedruckten „A Storm of Swords“. 😉 Zusammen mit Martins nach wie vor flüssigem und spannenden Schreibstil sorgt das dafür, dass man die 1000 Seiten beizeiten durch hat. Mehr als einmal dachte ich mir, dass auf das Buch ein Sticker gehören müsste: „Dieses Buch gefährdet ihre Gesundheit“! Dass meine Tochter krank war, hat nicht geholfen, aber gefühlt habe ich an dieses Buch mehr Nachtschlaf verloren als an ihre Krankheit.
Beim Lesen fiel mir übrigens ein sehr interessanter Aspekt auf: In den ersten drei Büchern war die Flut an Orten und Charakteren manchmal etwas überwältigend. Öfters musste man zu den Karten am Anfang des Buches oder zu dem Personenanhang am Ende blättern, um Details nachzuschlagen. Mit Band 4 tritt Martin nun etwas auf die Bremse, und man hat so langsam das Gefühl, diese Welt wirklich zu kennen. Mit Dorne und Oldtown werden fast die letzten großen weißen Flecken auf der Landkarte gefüllt, aber es werden nun keine neuen Häuser mehr aus dem Ärmel gezaubert. Man kennt alle Helden dieser Welt und alle Schurken, und wenn Väter oder Söhne bekannter Charaktere auftauchen, kann man sie ohne Nachzuschlagen zuordnen. Man hat irgendwie das gute Gefühl, sich in dieser Welt auszukennen.
Fazit
Lesenswerte Fortsetzung zu „A Storm of Swords“. Wenn man solange dabei geblieben ist, hat man sowieso keine große Wahl, als hier weiterzulesen und danach zu Band 5 zu greifen. 🙂