Pilotfilm: The Man in the High Castle

The Man in the High CastleIch hatte mich letztens über das moderne Fernsehen etwas ausgelassen (wozu ich noch ein Update schreiben muss). Eine neue und sehr faszinierende Facette davon ist die aktuelle Amazon Pilot Season. In deren Rahmen habe ich mir vor ein paar Tagen „The Man in the High Castle“ angeschaut, den einstündigen Pilotfilm zu einer möglichen Parallelwelt-TV-Serie.

Amazon Pilot Season

Das Konzept ist einfach: Amazon produziert eine Reihe von Pilotfolgen, aber anstatt sie nur den Studiobossen zu zeigen, können alle Amazon-Kunden sich die Folgen anschauen und über die Produktion der Serien abstimmen. Jedenfalls alle Kunden in ausgewählten Ländern, wozu nun erstmals auch Deutschland zählt. Das Ergebnis der Abstimmung ist natürlich nicht bindend, aber Amazon bekommt dadurch schon einen guten Eindruck, denke ich, welche Serien funktionieren und welche nicht. Das ist auch wichtig, denn die Serien laufen später nicht primär werbefinanziert im Free-TV, sondern können über Amazon Instant Video angeschaut werden, was ja jährlich eine Geld kostet. Wenn Kunden also überlegen, Prime zu kündigen und lieber die Netflix-Mitgliedschaft zu verlängern, ist es für Amazon wichtig, beliebte Serien im Angebot zu haben, die man nur dort sehen kann.

Ich bin nicht sicher, ob dabei eher wirklich gute Serien oder doch auf den Mainstream-Geschmack ausgerichtete Massenware herauskommt. Dazu habe ich noch zu wenige der Streaming-Serien von Amazon, Netflix und co gesehen. Ich finde es aber allemal sehr spannend, als normaler Verbraucher in diesen Auswahlprozess mit eingebunden zu sein. Die Pilotfolgen kann man im übrigen nur auf Englisch schauen. Ob man sie auch ohne Prime-Mitgliedschaft schauen kann, weiß ich im Moment leider nicht.

The Man in the High Castle

Die Serie spielt im Jahr 1962, aber in einer parallelen Wirklichkeit: Hier haben die Alliierten den Zweiten Weltkrieg verloren und einen hohen Preis dafür bezahlt: Nordamerika ist unter den Siegern aufgeteilt. Die Ostküste und der mittlere Westen sind Teil des Deutschen Reiches, während die Westküste zu Japan gehört. Dazwischen erstreckt sich mit der Neutralen Zone ein dünnes Niemandsland. Die normale Bevölkerung muss sich auch Jahre nach dem Krieg mit der Situation arrangieren. Deutsche wie japanische Kultur durchdringt das Alltagsleben, und die Polizei jagt gnadenlos Dissidenten und Untergrundkämpfer. In dieser Welt lernen wir im Osten Joe kennen, der für eine Untergrundgruppe einen gefährlichen Transport übernimmt, und im Westen Juliana, welche in den Besitz eines gefährlichen Filmes gelangt…

Bewertung

Ich liebe Parallelwelt-Szenarien, und so fand ich diese Geschichte schon vom Trailer her interessant. Von den Schauspielern kenne ich persönlich niemanden, außer einem sichtlich gealterten Cary-Hiroyuki Tagawa, das macht aber nichts und lenkt auch nicht so mit bekannten Gesichtern von der Geschichte ab. Das Drehbuch stammt von Frank Spotnitz, einem der Produzenten von „Akte X“. Es basiert auf einem Roman von Philip K. Dick von 1962.

Basierend auf der Pilotfolge ist es gar nicht einfach zu sagen, ob eine Serien-Fortsetzung gelingen würde. Auf der einen Seite wird eine sehr spannende Welt mit vielen Facetten gezeigt. Die Serie spielt ja in der Vergangenheit, also mussten alle Produktionswerte auf alt getrimmt werden. Das Amerika dieses Jahres 1962 ist kein reicher Ort, das Leben ist hart dort für die Verlierer des Krieges. Hakenkreuze sowie deutsche und japanische Schriftzeichen sind allgegenwärtig. Gerade mit den Hakenkreuzen hat man es fast etwas übertrieben. Würde man die wirklich in die amerikanische Fahne einbauen?! Trotzdem ist die gezeigte Welt spannend anzuschauen und zu entdecken. An den Produktionswerten kann man nicht meckern. Hier und da wären weniger Klischees gut gewesen, andererseits gibt es auch wirklich gut gemachte Szenen wie etwas das Treffen zwischen Joe und dem Land-Sheriff.

Nach einer Weile erkennt man eine weitere Ebene der Geschichte, nämlich die größere Weltpolitik. 1962 ist Hitler krank, verschiedene Nazi-Funktionäre laufen sich offenbar schon warm für den Machtkampf um die Führung des Deutschen Reiches. Und wie könnte man als neuer Führer besser Ruhe in die Innenpolitik bringen als mit einem Krieg gegen die einzige andere Großmacht der Erde, Japan? Es wird schnell klar, dass über kurz oder lang dieser Kampf auf amerikanischem Boden ausgetragen werden wird. Zwischen diesen Fronten stehen die amerikanischen Untergrundkämpfer und die Menschen, die einfach nur ihr Leben leben wollen.

Die Charaktere bleiben für meinen Geschmack noch zu blass, vor allem Joe. Für mich war Juliana die Sympathieträgerin der Folge, Alexa Davalos spielt sie sehr überzeugend. Daraus will ich dem Pilotfilm aber gar nicht zu sehr einen Strick drehen, schließlich ist hier sehr viel „World Building“ zu betreiben. Sollte „The Man in the High Castle“ tatsächlich als Serie produziert werden, wird sicher mehr Augenmerk auf die Charaktere gelegt werden. Womit man dann leider immer noch leben muss, ist das Englisch mit mehr oder weniger gutem deutschem Akzent bei vielen der Nazi-Charaktere. Das könnte tatsächlich mal eine Serie sein, bei der die deutsche Synchro das Gesamt-Erlebnis verbessert. 😉

Was mich mit am meisten gestört hat, ist dass man nicht so richtig weiß, was die Serie sein möchte. Ist es eine normale Agenten/Untergrund-Geschichte, die zufällig in einer Parallelwelt spielt? Oder wird das doch eher eine SciFi-Geschichte mit Manipulationen an der Zeitlinie? Der titelgebende „Man in the High Castle“ und der von ihm verbreitete Film wird für meinen Geschmack nicht annähernd genug thematisiert. Die Charaktere scheinen sich teilweise einen Reim drauf machen zu können, aber wir als Zuschauer bleiben im Dunkeln. Hier hätten mehr Andeutungen nicht geschadet.

Davon abgesehen wird für mich entscheidend sein, wie man diese Serie produziert (wenn es denn dazu kommt). Werden es kurze Staffeln mit zehn, zwölf Episoden und einer straffen Handlung sein? Oder 24 Episoden pro Staffel mit Füll-Episoden und albernen Plot-Twists, um irgendwie die Laufzeit voll zu bekommen? Ich denke, ersteres würde hier wesentlich besser funktionieren. Das Szenario bietet sich einfach nicht für zu viele von der Gesamthandlung losgelöste Einzel-Episoden an. Je nachdem worauf die Geschichte hinauslaufen soll, würde es sogar als abgeschlossene Mini-Serie am besten funktionieren.

Fazit

„The Man in the High Castle“ ist kein Instant-Hit, aber durchaus sehenswert, wenn man sich für alternative Realitäten begeistern kann. Die Pilotfolge hat noch einige Schwächen, aber sie hat das Zeug zu einer spannenden Serie zu reifen. Schaut sie euch am besten einfach mal selber an und stimmt dann bei Amazon darüber ab.

Update 19.02.2015: Heise meldet gerade, dass „The Man in the High Castle“ zu den Serien gehört, von denen Amazon eine ganze Staffel für 2016 bestellt hat! Laut Heise lief die Pilotfolge sehr erfolgreich, sie hatte wohl von allen bisherigen Amazon-Pilotfolgen die meisten Zuschauer. Das Thema interessiert also auf jeden Fall, auch wenn die Zuschauerzahlen noch nichts über das Feedback der Zuschauer aussagen.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)