Rezension zu „Voll im Bilde“ von Terry Pratchett, 10. Scheibenwelt-Roman, Originaltitel: „Moving Pictures“, Ersterscheinung: 1990 (UK)
Deutsche Ausgabe: „Voll im Bilde“, 1993, Wilhelm Goldmann Verlag München, 340 Seiten
Inhalt
Unweit von Ankh-Morpork gibt es einen Hügel am Meer, der als „Holy Wood“ bekannt ist. Als die Alchimistengilde eine neue Erfindung macht (eine weniger explosive als ihre üblichen Erfindungen), sucht sie sich ausgerechnet Holy Wood aus, um dort die neuen bewegten Bilder zu produzieren. Und schnell wird daraus ein Riesen-Geschäft, nicht zuletzt dank Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin Schnapper, der das Würstchen-Business gegen ein Filmstudio eintauscht. Die Leinwandabenteuer von Schauspielern wie Victor und Ginger halten ganz Ankh-Morpork in Atem. Doch bald zeichnet sich ab, dass in Holy Wood nicht alles mit rechten Dingen zugeht…
Hauptpersonen
- Victor Tugelbend – der junge Fast-Zauberer wird ein Star
- Ginger – die Schauspielerin gerät unter einen unheimlichen Einfluss
- Gaspode – wird zum Wunder-Hund
- Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin Schnapper – treibt sich mit seinen beweglichen Bildern selbst in den Ruin
In weiteren Rollen
- Tod
- Binky, Tods Pferd
- Erzkanzler Mustrum Ridcully, der Quästor, der Dekan, der Dozent für neue Runen, Windle Poons und Ponder Stibbons von der Unsichtbaren Universität
- der Bibliothekar der Unsichtbaren Universität
- Feldwebel Colon und Korporal Nobbs
- Lord Vetinari, der Patrizier
- Detritus
- Frau Allesweiß
Schauplätze
Ankh-Morpork, Holy Wood, Klatsch
Bewertung
Terry Pratchett persifliert in seinen Scheibenwelt-Romanen oft ein bestimmtes Thema, und hier hat es die Filmindustrie erwischt. Auf der Scheibenwelt werden also die beweglichen Bilder erfunden, und das gibt Pratchett Gelegenheit, unzählige Facetten von Hollywood durch den Kakao zu ziehen. Dieser Aspekt des Buches ist auch am unterhaltsamsten, denn Pratchett geht hier mit großer Liebe zum Detail zur Sache: So erfahren wir viel über die technischen Aspekte des Business, über den Einbruch der bezahlten Werbung in die Filmwelt, über Stars und Sternchen, auf Klischee-Rollen festgelegte Zwerge und Trolle, halsabschneiderische Produzenten und größenwahnsinnige Autoren. Gerade die Details wissen hier zu begeistern. So gibt es etwa das Jahrhundert-des-Flughunds-Filmstudio (welches auf der Scheibenwelt ja bekanntlich dem 20. Jahrhundert entspricht), und es gibt eine absolut herrlich verdrehte Anspielung auf King Kong.
Wie in den meisten Ankh-Morpork-Romanen ist natürlich auch „Voll im Bilde“ eine Spielwiese für bekannte und noch unbekannte Charaktere. Victor und Ginger, die beiden Hauptfiguren, sind neu und kommen nur in diesem Buch vor. Aber unterstützt werden sie von Schnapper, der bekannten Zaubererhorde samt Bibliothekar, dem Patrizier und dem Tod. Zwei Charaktere der kurz zuvor eingeführten Nachtwache haben einen Auftritt, genau wie Detritus, der ja später ebenfalls zur Wache stößt. Und Windle Poons wird meines Wissens zufolge das erste Mal erwähnt – sein Ableben spielt im nächsten Buch, „Alles Sense“, eine Rolle.
Und dann wäre da Gaspode, welchen ich schon aus dem später erschienenen „Rollende Steine“ kenne (und offensichtlich noch weiteren Büchern, wie ich gerade bei Wikipedia lese – ich muss wohl „Men at Arms“ wirklich noch mal lesen). Gaspode verwandelt sich durch die Magie von Holy Wood von einem normalen Straßenköter in einen sprechenden Hund, und ich muss sagen, er hat einige der besten Szenen des ganzen Buches. Insbesondere der Kontrast zum vorzeigbaren aber strohdummen Filmhund Laddie ist herrlich geschildert. 😉
Apropos „Rollende Steine“: Vier Jahre und fünf andere Scheibenwelt-Romane liegen zwischen diesen beiden Büchern, aber die Parallelen beider Romane haben mich doch einigermaßen verblüfft. Vielleicht trügt mich da ja mein Gedächtnis, immerhin ist es viele Jahre her, dass ich „Rollende Steine“ gelesen habe. Aber ich könnte wetten, Terry Pratchett hat sich hier quasi selbst kopiert. Hier wie da gerät Ankh-Morpork unter einen nicht ganz natürlichen Einfluss, welcher sich spezielle Individuen rauspickt und dann die Stadt mit Filmen respektive Rockmusik überzieht (unter entsprechend vielfältigen Anspielungen auf die Musik- bzw. Filmbranche). Hier wie da spielen die Zauberer und Gaspode eine Rolle. Fand ich beim Lesen schon etwas merkwürdig, und ich musste mich ständig daran erinnern, dass „Voll im Bilde“ zuerst geschrieben wurde.
Fazit
Ein solider und unterhaltsamer Scheibenwelt-Roman, der sehr gekonnt die Welt der Filmindustrie auf die Schippe nimmt. Die Hintergrundstory konnte mich nicht so begeistern, aber der Rest des Buches und insbesondere Gaspodes Szenen sind lesenswert.
Zitate
Es heißt, alle Straßen führen nach Ankh-Morpork, der größten Stadt auf der Scheibenwelt. Nun, man erzählt sich zumindest, dass es heißt, alle Straßen führten nach Ankh-Morpork. Es stimmt nicht. Alle Straßen führen von Ankh-Morpork fort, doch ab und zu gehen manche Leute in die falsche Richtung.
[S. 12]
„Fleischpasteten! Heiße Würstchen! In Brötchen! So frisch, dass die Schweine noch gar nicht gemerkt haben, dass ihnen was fehlt.“
[S. 15]
Der Vollmond kroch über der Dunstglocke von Ankh-Morpork am Himmel entlang, dankbar dafür, dass ihn einige tausend Meilen von der Stadt trennten.
[S. 20]
Zauberer verabscheuten die Zusammenarbeit, aber sie wussten Hierarchien zu schätzen und neigten zu ausgeprägtem Ehrgeiz. Sie brauchten Organisation. Was nützte es, ein Magus der siebten Stufe zu sein, wenn man nicht auf sechs andere Stufen hinabsehen und die achte anstreben konnte?
[S. 22]
Es handelte sich um jene Art von reizvoller Gegend, die nur dann reizvoll ist, wenn man sie für kurze Zeit bewundern kann, um anschließend zu einem Ort mit heißen Bädern und kalten Drinks zurückzukehren. Es kommt einer Strafe gleich, dort länger verweilen zu müssen.
[S. 49]
„Ich habe einmal von einer Stadt gehört, in der es so lasterhaft zuging, dass die Götter sie in eine Pfütze aus geschmolzenem Glas verwandelten“, bemerkte Gaspode ganz nebenbei. „Nur eine Person beobachtete, wie es geschah, und sie verwandelte sich ebenfalls: tagsüber in eine Salzsäule, und des Nachts in einen Pfefferstreuer.“
[S. 169]
Während ihrer langen Geschichte war die echte Stadt mehrmals in Flammen aufgegangen. […] Die meisten großen Steingebäude überstanden die Brände ohne nennenswerte Schäden. Viele Bürger (zumindest jene, die in Steingebäuden wohnten) glaubten, ein ordentliches Feuer einmal in hundert Jahren oder so sei wichtig für die Gesundheit der Metropole, da es die Anzahl von Ratten, Kakerlaken, Flöhen und Leuten, die sich keine Häuser aus Stein leisten konnten, in vertretbaren Grenzen hielt.
[S. 222]
Die Rechte an obigen Zitaten liegen bei Terry Pratchett und den Verlagen. Dies soll keine Copyright-Verletzung darstellen, sondern lediglich zum Lesen des Buches anregen. Alle Seitenangaben beziehen sich auf die Goldmann-Ausgabe.
Links
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