Rezension zu „Wachen! Wachen!“ von Terry Pratchett, 8. Scheibenwelt-Roman, Originaltitel: „Guards! Guards!“, Ersterscheinung: 1989 (UK)
Deutsche Ausgaben: „Wachen! Wachen!“, 1991, Wilhelm Heyne Verlag München, 423 Seiten; „Wachen! Wachen!“, 2005, Piper Verlag
Inhalt
Als Karotte Eisengießersohn 1,95 Meter groß geworden ist, gestehen seine Eltern ihm, dass er gar kein Zwerg ist, sondern als Kind adoptiert wurde. Und sie schicken ihn in die Stadt Ankh-Morpork, damit er unter seines Gleichen leben kann. Auf den Rat seines Vaters hin meldet sich Karotte freiwillig zur Stadtwache von Ankh-Morpork, damit diese einen Mann aus ihm machen solle. In Ankh-Morpork wird Karotte der Nachtwache zugeteilt, die von Hauptmann Mumm geleitet wird. Und dieser sieht sich plötzlich mit einem Wächter konfrontiert, der tatsächlich versucht, den Gesetzen Geltung zu verschaffen und dafür schon mal den Präsidenten der Diebesgilde wegen Diebstahls verhaftet…
Doch während Hauptmann Mumm mit dem vor naivem Tatendrang kaum zu bremsenden Karotte klar kommen muss, kündigt sich ein Problem an: Eine Loge geheimer Brüder hat unter Anleitung ihres Obersten Größten Meisters einen Weg gefunden, einen Drachen zu beschwören. Ihr Plan ist es, Chaos in der Stadt zu verbreiten und dann in der Stunde der höchsten Not einen Retter zu präsentieren, den man als König krönen wird. Doch wer mit Magie herumspielt, muss damit rechnen, dass etwas Unerwartetes geschieht. Und so bekommt Ankh-Morpork bald wirklich einen neuen König, wenn auch nicht den, auf den die Brüder gehofft hatten. Und außer der Nachtwache scheint niemand in der Lage zu sein, die Stadt zu retten…
Hauptpersonen
- Hauptmann Samuel Mumm – Anführer der heruntergekommenen Nachtwache
- Karotte Eisengießersohn – bringt frischen Wind in die Wache
- Feldwebel Colon und Korporal Nobbs – was sonst noch von der Nachtwache übrig ist
- der Oberste Größte Meister – er will einen König für Ankh-Morpork
- Lady Sybil Käsedick – die beste Drachenkennerin der Stadt
In weiteren Rollen
- der Drache
- Lord Vetinari, der Patrizier
- Tod
- der Bibliothekar der Unsichtbaren Universität
- Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin Schnapper
- Lupin Wonse, Sekr‘r
- der Troll Detritus
- Errol, der Sumpfdrache
- Karottes Eltern
Schauplätze
Ankh-Morpork, die Spitzhornberge
Bewertung
Die Geschichten um die Wache von Ankh-Morpork haben schon immer zu meinen Favoriten unter den Scheibenwelt-Romanen gehört, und hier nimmt dies alles seinen Anfang. Wie Pratchett in der Widmung des Buches schreibt, hat er diesen Roman für die tapferen Wächter geschrieben, die üblicherweise vom heroischen Helden im dritten Kapitel getötet werden. Und dabei ist es ihm gelungen, einige sehr sympathische Charaktere zu erschaffen.
Zumindest für mich sind diese Charaktere mit das Wichtigste an dem Buch. Im Mittelpunkt steht der Gegensatz zwischen dem alten Hauptmann Mumm und dem jungen Karotte. Mumm ist verbittert und alkoholabhängig, Karotte dagegen dynamisch und von naiver Ehrlichkeit. Und er schafft es, in Mumm und dem Rest der Wache wieder einen Funken Ehrgeiz zu wecken.
Das Buch spielt praktisch ausschließlich in Ankh-Morpork, so dass man viel über die Stadt und deren Funktionieren erfährt. An Personen konzentriert sich Pratchett auf den harten Kern der später sehr angewachsenen Wache. Mumm, Karotte, Colon und Nobby – hier werden diese grundlegenden Charaktere vorgestellt und geprägt. Von der Wache mal abgesehen treten natürlich auch einige der bekannten Stammcharaktere der Scheibenwelt auf, vom Tod über den Bibliothekar bis zum Patrizier.
Was die Geschichte an sich betrifft, so ist sie durchaus unterhaltsam. Zwar war es leicht zu erraten, wer der Oberste Größte Meister ist, da ich die späteren Romane der Wache schon kannte, aber das kann man ja nicht dem Roman zur Last legen. Und allein die differenzierte Charakterarbeit macht das Buch schon lesenswert. Hinzu kommt natürlich Pratchetts wundervoller Schreibstil, der für genügend Gelegenheiten zum Lachen sorgt.
Ein wenig Ernsthaftigkeit steckt natürlich auch in diesem Scheibenwelt-Roman. Denn über die verschiedenen Charaktere, allen voran Samuel Mumm, transportiert Pratchett auch einige Ansichten über die Menschen, Regierungen etc. Da stecken durchaus auch ernste und gute Gedanken drin, wie es in vielen Scheibenwelt-Romanen der Fall ist. Außerdem nimmt Pratchett Geheimgesellschaften und ihre Rituale kräftig auf die Schippe.
Wirklich negativ ist mir übrigens die Übersetzung aufgefallen: So viele Verschreiber sollten in einem Buch eigentlich nicht sein. Zudem wird ‚assassins‘ hier noch mit ‚Meuchler‘ übersetzt, statt wie in späteren Büchern mit dem schöner klingenden ‚Assassinen‘.
Fazit
Alles in allem aber ein interessantes und lohnendes Buch. Die späteren Romane über die Wache gefallen mir noch besser, aber man sollte es schon allein deshalb lesen, um die Anfänge der Wache zu kennen.
Zitate
Wer nahezu zwei Meter groß und in den Schultern fast ebenso breit ist, braucht bei seinen Reisen nicht mit unliebsamen Zwischenfällen zu rechnen. Es mag durchaus geschehen, dass irgendwelche Leute hinter Felsen hervorspringen, aber sie sagen nur: „Oh! Entschuldigung. Ich habe dich für jemand anders gehalten!“
[S. 42]
Und dann er selbst: Eine dürre, unrasierte Ansammlung schlechter Gewohnheiten, in Alkohol mariniert.
[S. 67, Mumm über sich selbst]
Sein Alter blieb ein Rätsel. Wenn man Zynismus und allgemeine Lebensmüdigkeit als Maßstab nahm – die Kohlenstoffdatierung der Persönlichkeit –, so war er etwa siebentausend Jahre alt.
[S. 70, über Nobby]
Hauptmann Mumm lief durch die Kurze Straße – es war die längste in der ganzen Stadt, ein deutlicher Hinweis auf den berüchtigten subtilen Humor der Ankh-Morporkianer.
[S. 85]
Außerdem richtete es den intelligentesten Blick auf Mumm, den er jemals bei einem Tier gesehen hatte, einschließlich Korporal Nobbs.
[S. 131]
Der Bibliothekar wies mit einigen erstaunlich knappen Gesten darauf hin, dass Zauberer nicht einmal dann ihre eigene Nase fanden, wenn sie mit beiden Händen suchten.
[S. 134]
Sie mussten sich bessern, bevor man auch nur in Erwägung ziehen konnte, ihre Namen in die Liste der Zehn unerwünschtesten Personen einzutragen.
[S. 250, Mumm über die Palastwächter]
Der Patrizier hatte immer die Ansicht vertreten: Wenn man es Besuchern zu bequem machte, wollten sie vielleicht bleiben.
[S. 292]
„Nun, vermutlich ärgerst du dich so sehr, weil du impotent bist.“
Mumms Augen quollen aus den Höhlen. „Was?“ brachte er hervor.
„In Hinsicht auf den Drachen, meine ich“, fuhr Lady Käsedick unbekümmert fort. „Weil du nichts gegen ihn unternehmen kannst.“
[S. 315]
Du hast das Recht, die Aussage zu verweigern. Du hast das Recht, nicht einfach so in ein Piranha-Aquarium geworfen zu werden. Du hast das Recht, nach der Folter vor Gericht zu erscheinen. Du hast das Recht…
[S. 397, Karotte zu einem Verhafteten]
Die Rechte an obigen Zitaten liegen bei Terry Pratchett und den Verlagen. Dies soll keine Copyright-Verletzung darstellen, sondern lediglich zum Lesen des Buches anregen. Alle Seitenangaben beziehen sich auf die Heyne-Ausgabe.
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