Vor fast zwei Jahren hatte ich ja schon mal etwas zu diversen Fallstricken rund um alte Adressen bei der Ahnenforschung geschrieben. Dazu kann ich heute noch einen aktuelle Anekdote nachtragen.
Der Gedanke ist ja naheliegend: Man findet in den Unterlagen eine konkrete Adresse für ein Ereignis und will mal schauen, wie es da heute aussieht. Wenn man dabei nicht auf die Details achtet, kriegt man schnell einen falschen Eindruck. Wie ich seit gestern weiß starb einer meiner Ururgroßväter 1908 auf dem Bürgersteig vor dem Haus Siemensstraße 5 in Berlin-Grunewald. Laut Kirchenbuch an „Herzschlag“. Also schnell mal in Google Maps geschaut, wie es da aussieht. Damit könnte die Geschichte jetzt enden, aber irgendwie kam es mir komisch vor, dass die auf der heutigen Karte angezeigte Siemensstraße gar nicht in Grunewald, sondern in einem benachbarten Stadtviertel liegt. Wieso wurde der Todesfall dann vom Amtsvorsteher von Grunewald angezeigt?
Mit etwas Recherche stellt sich heraus, dass Grunewald 1908 nicht direkt Teil von Berlin war. Im Sterberegister steht auch nur „Grunewald“, nicht „Berlin-Grunewald“. Und damals gab es eben in Charlottenburg eine Siemensstraße und in Grunewald auch (siehe Liste der Straßen und Plätze in Berlin-Grunewald). Nachdem es zusammen mit vielen anderen Kleinstädten 1920 nach Berlin eingemeindet worden war, hatte man nun aber viele Namensdopplungen bei den Straßen. Deswegen gab es dann irgendwann eine große Umbenennungs-Aktion. Die von mir gesuchte Straße heißt heute Lassenstraße und liegt tatsächlich in Grunewald.
Es ist übrigens durchaus etwas beklemmend, sich in Streetview auf die Straße zu stellen und umzuschauen. Eine relativ normale Berliner Vorort-Straße. Waren die größeren Bäume damals gerade frisch gepflanzt? Vielleicht, Grunewald war als Ort 1908 erst wenige Jahre alt. Der schmiedeeiserne Zaun ist eventuell noch Original, aber alle sichtbaren Häuser eher nicht. Gegenüber steht ein hypermoderner Einfamilien-Quaderbau. Trotzdem kann ich den Todesort eines meiner Vorfahren selten so genau zeitlich und örtlich bestimmen.
Die Moral ist jedenfalls, alte Adressangaben niemals direkt für bare Münze zu nehmen und immer möglichst zeitgenössische Karten oder Straßenliste zu konsultieren. Straßen werden umbenannt, Hausnummern werden neu nummeriert, die Nummerierung wird von straßenseiten-abwechselnd zu rauf- und wieder runterlaufend verändert etc.