Ahnenforschung: Alte Adressen

ArndtstraßeIch hatte ja schon über meine Begeisterung für alte Adressbücher von der letzten Jahrhundertwende geschrieben. Hierzu noch ein paar Gedanken.

Zum einen finde ich es spannend, wie viele Adressen über 120 Jahre und länger stabil geblieben sind. Natürlich gibt es Straßen, die nach jüngeren Persönlichkeiten benannt sind, andere hießen zwischendurch mal Adolf-Hitler-Straße. Aber wenn ich das Adressverzeichnis von 1910 so durchblättere finde ich doch extrem viele Straßen wieder, die ich aus dem heutigen Greifswald kenne, von A wie Anklamer Straße bis W wie Wollweberstraße. Alle Wohnungen dort lassen sich also ganz gut den heutigen Häusern zuordnen. Oft genug sind die Häuser ja auch aus diesem Zeitraum. Viele der alten Straßennamen sind auch nicht nach Personen benannt, sondern sind eher Klassiker der Straßennamen: Jede Menge umliegende Orte als Namensgeber, dazu Wiesenstraße, Burgstraße, Bahnhofsstraße etc.

Ganze Viertel der heutigen Stadt haben damals natürlich einfach noch nicht existiert. Eindrücklich konnte ich das am Beispiel der Rathenaustraße sehen: Auf einem Foto von ca. 1928 sieht man meinen Ururgroßvater auf einer Bank an irgendeinem freien Feld sitzen. Mein Vater schaute sich das Bild an und meinte mit Blick auf das eine Haus ganz im Hintergrund: Klar, das ist die Rathenaustraße. Seitdem wurde das alles bebaut, wieder abgerissen und neu bebaut. Heute stehen da eine Menge sehr moderne Uni-Gebäude aber eben auch ein paar ältere Gebäude aus dieser Zeit, als der Rest noch freies Feld war. Und so lange ist es ja auch noch nicht her, noch nicht mal hundert Jahre, dass geschätzt die Hälfte der heutigen Stadtfläche noch nicht bebaut war.

Was Stabilität von Adresse angeht habe ich aber auch schon das genaue Gegenteil erlebt: Ich habe mal in der Rosa-Luxemburg-Str. in Pasewalk gewohnt. Letztens wollte ich das Haus mal auf Google Maps anschauen und war mächtig verwirrt, weil mir die Gegend so gar nicht bekannt vorkam. Es hat etwas gedauert, bis ich verstanden hatte, dass man offenbar die damalige Rosa-Luxemburg-Str. in „An der Kürassierkaserne“ umbenannt hat (ist ja nicht falsch, die mächtige Kaserne auf der anderen Straßenseite war in meiner Kindheit ein prägendes Feature dieser Straße) und dann irgendeine andere Straße zur „Rosa-Luxemburg-Str.“ gemacht hat. Da steckt bestimmt eine spannende Geschichte dahinter, Details konnte ich leider noch nicht finden. Soll aber heißen: Zu sicher kann man sich dann auch nicht sein, wo die Vorfahren gelebt haben, nur weil man eine passende Straße auf dem heutigen Stadtplan findet.

Und zuletzt noch eine kurze Info zu Hausnummern: Neben der allgemeinen Tatsache, dass die auch ab und an mal neu vergeben wurden, findet man in älteren Unterlagen und Adressverzeichnissen teilweise absurd hohe Nummern (in meinem Fall Hausnummer 600). Das mag angesichts kleiner Städte wie Anklam anfangs verwundern. Schaut man dann aber in das bereits erwähnte Verzeichnis aller Gebäude der Stadt, wird schnell klar, dass es sich nicht um die Nummer des Hauses in der Straße handelt, sondern um die Nummer des Hauses in der Stadt. Offenbar sind Hausnummern keine naturgegebene Tatsache und auch keine Erfindung für den Briefträger, sondern wurden zumindest in Preußen vom Militär verfügt. Wenn das preußische Heer durchzog und seine Soldaten bei den Einwohnern einquartierte, musste offenbar eine gewisse Ordnung herrschen, wofür die Einwohner Nummern an ihren Häusern anzubringen hatten. In kleinen Orten mit entsprechend kurzen Straßen hat man dann kurzerhand alle Häuser durchnummeriert. Da das Verzeichnis aller Straßen die Gebäude nicht beliebig auflistet, sondern die Straßen nacheinander abläuft, kann man auch sehen, an welchem Ende der Straße die alte Hausnummer 600 sich befunden haben muss. Bei Wikipedia findet man mehr Details zur Entwicklung der Hausnummern und den verschiedenen dafür gebräuchlichen Systemen.

Bei all dem bin ich bisher noch nicht in kleine Dörfer vorgedrungen und auch noch nicht in die Zeit vor 1850. Dort kann man beim Zuordnen der Gehöfte und Dörfer wohl viel Spaß haben. Bisher bewege ich mich noch in Universitäts- und Hansestädten mit einer entsprechenden Tradition und Adressbüchern, welche die Recherche einfach machen. 🙂

Update: Man sollte sich mit den Hausnummern wirklich nicht zu sicher sein und lieber noch mal mit alten Karten oder Adressbüchern vergleichen, ob nicht doch zwischendurch umnummeriert wurde. Ich hatte das gerade in Berlin. Ich hatte etwas Zeit und habe ein Foto des Hauses Marchlewskistraße 61 geschossen, in dem mein Urgroßvater auf die Welt kam. Dachte ich jedenfalls. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass die Hausnummern in der damaligen Memeler Straße rechts hoch- und links wieder heruntergezählt wurden. Heute sind gerade und ungerade Hausnummern wechselseitig vergeben. Das damalige Haus 61 lag vor seiner Zerstörung auf der anderen Straßenseite, dort wo heute ein wuchtiges Polizeigebäude aus den 50gern steht.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)