Ahnenforschung: Zu spät gekommen

Ahnenforschung ist kein Hobby für drei Tage. Ein Jahr nachdem es mich so richtig gepackt hat sitze ich immer noch hier und sortiere Dokumente und Fotos. Heute wollte ich kurz über einen bestimmten Aspekt schreiben, nämlich die Reihenfolge beim Vorgehen. Ich hatte ja schon erwähnt, dass es keinen besseren Zeitpunkt als genau jetzt gibt, um die Familienfotos zu beschriften und mit so vielen Verwandten wie möglich zu sprechen. Mir selber ist erst dabei klar geworden, mit welchen verstorbenen Verwandten ich gerne mal über die Familie geplaudert hätte. Das war einfach Pech, dass mich dieses Thema nicht schon mit 20 Jahren gepackt hat.

Im Vergleich dazu kann die Recherche in Archiven, Anfragen an Standesämter etc. eigentlich warten. Wenn man von Katastrophen wie der Flut im Ahrtal absieht sind die Dokumente dort eigentlich sicher. Bestenfalls werden sie mit der Zeit digitalisiert und man kann die Recherche vom eigenen Schreibtisch aus betreiben. Es gibt aber noch eine andere Art Zeugnis der Vergangenheit, und gerade habe ich leider erfahren müssen, dass man sich dabei besser beeilt: Gräber. Denn wenn man Pech hat kommt man zu spät und es gibt nichts mehr zu sehen.

Generell werden Gräber und Grabstätten in Deutschland nicht für die Ewigkeit angelegt. Es gibt je nach Bundesland verschiedene Mindestfristen, ca. 15 bis 20 Jahre. Danach können Gräber auch abgebrochen werden und der Platz wird neu vergeben, es sei denn die Angehörigen verlängern die Grabstätte. Das heißt nun aber nicht, dass automatisch alle Gräber, die älter als 20 Jahre sind, verschwunden sind. Es lohnt im Gegenteil immer, bei der Friedhofsverwaltung nachzufragen. Insbesondere wenn es sich um einen historischen Friedhof handelt, auf dem nicht mehr aktiv bestattet wird oder nur noch Urnen beigesetzt werden, kann man Glück haben. In Greifswald existiert z.B. noch der Grabstein meiner Ururgroßmutter (1823-1905). Der Stein ihrer Tochter steht daneben, während die Gräber meiner Urgroßeltern seit den Sechzigern nicht mehr bestehen.

Ich war gerade in Greifswald und habe die Zeit auch für einen Ausflug nach Stralsund genutzt. Dort steht auf dem historischen Friedhof St. Jürgen ein recht imposantes Grabmal eines anderen Urgroßvaters von mir. Ich hatte online ein Foto von 2014 gefunden, leider sehr klein und wackelig. Dort vorbeizuschauen und ein anständiges Bild zu knipsen stand einige Zeit auf meiner TODO-Liste.

Was soll ich sagen, der Besuch dort war eher eine Enttäuschung und eine Erinnerung daran, dass man so etwas nicht zu lange aufschieben sollte. So ein schönes, 3 Meter hohes Grabmal räumt ja niemand einfach so weg auf einem historischen Friedhof, dachte ich mir. Was aber auch niemand tut: Dieses Grabmal zu pflegen! Der ganze „Friedhof“ ist in beklagenswertem Zustand, viele Grabsteine liegen irgendwo im Gebüsch oder gleich zu Haufen aufgestapelt. Mehr als Rasen mähen und Wege freischneiden ist hier an Maintenance offenbar nicht drin. Und so stellte sich dann heraus, dass in den vergangenen 8 Jahren die Platte vom Grabmal heruntergefallen und zerbrochen ist. Da das Nachbar-Grabmal wohl noch baufälliger ist, wurde ein Bauzaun mitten auf das Grab meines Urgroßvaters gestellt. Der Teil der Grabplatte mit dem Namen liegt in den Brennnesseln hinter dem Bauzaun. Erkannt habe ich das Grab überhaupt nur an dem recht markanten Haus, welches hinter der Mauer steht. 🙁

Ich finde das wirklich traurig, dass die Mittel oder der Wille fehlt, solche Grabmäler zu erhalten. Mag sein, dass sie von einem künstlerischen Standpunkt aus betrachtet gewöhnlich und nicht speziell schützenswert sind. Aber letztlich stehen sie für einen Menschen, der nicht mehr da ist und an den irgendetwas erinnern sollte. Wenn man den Platz nicht anderweitig nutzt, kann man doch genauso gut diese Grabstätten erhalten!? Wie man sieht: Man weiß nie, ob nicht 111 Jahre später ein Nachfahre am verfallenen Grabmal steht und traurig ist, dass sich niemand die Mühe gemacht hat, darauf besser aufzupassen.

2 Gedanken zu „Ahnenforschung: Zu spät gekommen

  1. Ja, es ist wirklich schwierig, wenn Gräber nicht mehr gepflegt werden. Manchmal ist es auch so, daß die Nachfahren überhaupt nicht mehr wissen, wo sich ein Grab befindet. Mein Vater wußte nicht einmal den Namen des Friedhofs, auf dem seine Eltern begraben lagen, obwohl diese eine Gruft gekauft hatten (für die ganze Familie quasi inkl. Kinder und Enkel). Und wenn – wie heute oft – die Kinder und Kindeskinder verstreut in der Welt leben, hat man teilweise auch nicht mehr die Möglichkeit, die Gräber zu pflegen und fühlt sich für deren Erhalt auch nicht verantwortlich.

    Nicht unerwähnt möchte ich folgende Webseite lassen: https://grabsteine.genealogy.net Ich weiß zwar nicht, ob sie wirklich was taugt für die Ahnenforschung, aber anschauen kann man es sich ja. Ich denke aber, daß Du sie schon lange kennst. 🙂

    LG,
    Kaineus.

  2. Doch, die Seite kenne ich. Das ist schon gut um einen Anhaltspunkt zu finden. Man weiß dann aber oft auch nicht, ob das wirklich die gesuchte Person ist, je nachdem wie viele Details auf dem Grabstein stehen. Aber mit einem Datum kann man ggf. eine Sterbeurkunde nachfragen und kommt damit weiter.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)