Ahnenforschung: Wieso eigentlich?

Ich hatte ja kürzlich beschrieben, dass ich mich aktuell mit der Geschichte meiner Familie beschäftige. Mich fasziniert das ungemein, und zwischendurch kam auch schon mal die Frage auf, wieso eigentlich. Nicht jeder in der Familie findet das ähnlich spannend oder versteht mein Interesse.

Für mich hat das mehrere Komponenten. Zum einen bin ich ein klassischer Sammler. Früher waren es Ü-Ei-Figuren, Trading Cards und Perry-Rhodan-Hefte, nun sind es eben alte Urkunden, Daten und Fotos. Zumindest belegen sie im Vergleich zu Perry-Rhodan-Heften kaum Platz in der Wohnung. Zum anderen hatte ich immer Interesse am Katalogisieren von Informationen. Meine erste Webseite listete die Raumschiffe der Sternenflotte auf, meine zweite Seite die Unsterblichen aus Highlander. Das Zusammentragen und Sortieren von Informationen macht mir Spaß, und es ist fast verwunderlich, dass ich nicht für Wikipedia arbeite.

Ein anderer Aspekt ist die eigene Vergänglichkeit. Wenn man 15 oder 20 Jahre alt ist, hat man das normalerweise nicht im Fokus. Man verliebt sich, entdeckt die Welt und geht irgendwann auf viele Hochzeiten. Mittlerweile bin ich aber 40 Jahre alt und die letzte Hochzeit ist eine ganze Weile her. Stattdessen stehen jetzt immer mal wieder Beerdigungen an und man lernt langsam, wie man Trauerkarten schreibt. Die ältere Verwandtschaft verschwindet so langsam, Eltern von Freunden sterben und man denkt auch mal drüber nach, was von so einem Leben übrig bleibt. Richtig schlimm ist es, wenn ältere Nachbarn sterben, für deren Nachlass sich offenbar niemand mehr interessiert, und man findet dann Berge von sorgfältig gepflegten Fotoalben im Müll…

Natürlich fassen eine Geburts-, eine Heirats- und eine Sterbeurkunde ein jahrzehntelanges Leben nicht adäquat zusammen. Aber der Gedanke, dass man irgendwo Spuren hinterlassen hat, dass wenigstens ein schönes Foto im Stammbaum eines Nachkommen aufgeklebt ist, ist doch tröstlich. Insofern geht es mir auch nicht darum, einfach nur eine Kette an Zahlen und Namen aneinanderzureihen oder irgendeinen Zweig bis zu Karl dem Großen zurückzuverfolgen. Idealerweise bilden stattdessen die Dokumente die Grundlage für eine Familiengeschichte. So gut ich kann will ich dazu Erinnerungen sammeln, Texte von anderen Verwandten und meine eigenen Erinnerungen und das alles zu etwas Lesbarem verarbeiten.

Je weiter man zurückgeht, desto mehr ist natürlich anhand der teils spärlichen Quellen geraten. Trotzdem ist es spannend, zu erfahren, aus welchen Orten beispielsweise die Vorfahren stammten oder welche Berufe sie ausübten. Innerhalb weniger Generationen haben sich da schon ganz verschiedene Charaktere versammelt, vom Landbriefträger über den Schuldirektor bis zum Polizeipräsidenten und Politiker. Und auch geographisch ist einiges dabei, wenn auch im Moment eher auf die Osthälfte Deutschlands konzentriert. Greifswald war ja klar, das Erzgebirge auch. Dass ein Stück weiter zurück Verbindungen zu Anklam und Lassan bestehen wusste ich früher dagegen nicht. Auf Anhieb kann ich nicht mal sagen, ob ich je in Anklam gewesen bin. Selbst wenn man dann über den konkreten Menschen nichts mehr erfahren kann, so lässt sich anhand anderer Quellen zumindest erahnen, wie man z.B. als Schuhmachermeister um 1850 in Anklam gelebt haben muss.

Zur Beschäftigung mit der eigenen Familie gehört es natürlich auch, dass die Familie nicht nur aus netten Personen besteht. Man stößt unweigerlich auf unangenehme Zeitgenossen, auf Menschen, die begeistert in den Krieg gezogen sind, auf sehr unglückliche Menschen etc. Ich finde aber auch das spannend – mehr über den Charakter von Menschen zu erfahren, die ich nur kurz kennengelernt habe oder nur aus Erzählungen kenne. Manche Dynamiken in der eigenen Familie versteht man dann besser und manche Traumata durchziehen tatsächlich Generationen, auf eine ganz unheimliche Weise. Gerade aus früheren Zeiten gibt es oft nur Fotos von festlichen Anlässen, wo alle immer gutgelaunt und bestens gekleidet sind. Aber auch auf diesen Bildern kann man manches erahnen, wenn man den Leuten in die Augen blickt.

Nicht zuletzt will ich mit diesem neuen Hobby auch meiner Tochter etwas hinterlassen. Im Moment blickt sie nach vorne und hat so viel noch vor sich. Stammbäume von vor hundert Jahren sind da denkbar uninteressant. Aber irgendwann wir sie sich vielleicht auch fragen, wo sie eigentlich herkommt, und dann muss sie mit ihrer Suche nicht bei Null anfangen.

Ein Gedanke zu „Ahnenforschung: Wieso eigentlich?

  1. Ja, Genealogie ist eine wirklich spannende Sache. Und ja, auch ich schreibe leider immer mehr Trauerkarten.

    Doch die Vergangenheit der Familie ist ja auch irgendwie Teil von einem, und deren Einfluss hat uns auch ein bißchen zu dem Menschen gemacht, der wir sind.

    Mmmmh, ob der Schuhmachermeister oder seine Kinder in Anklam noch Otto Lilienthal kennengelernt haben?

    Und: Wie digitalisierst Du Photoalben? Einfach auf den Scanner legen? Oder per Photo, Buchscanner oder Albumscanner? Ich stehe nämlich gerade vor diesem Problem.

    So, ich gehe mal die nächste Trauerkarte schreiben. 🙁

    LG,
    Kaineus.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)