Richard Morgan: Woken Furies

Cover Woken FuriesRezension zu „Woken Furies“ von Richard Morgan, Verlag Victor Gollancz London, 2005, 563 Seiten

Inhalt

Einige Jahrzehnte nach Sanction IV: Takeshi Kovacs ist nach Hause zurückgekehrt, nach Harlan’s World, und gibt sich dort einem privaten Rachefeldzug hin. Den Punkt, an dem es ihn interessiert, wem er dabei auf die Füße tritt, hat er schon lange hinter sich gelassen. Doch er will auch nicht sterben, und so flieht er vor den Yakuza mit einer deCom-Crew nach New Hokkaido, jenem während des Bürgerkrieges unbewohnbar gewordenen Kontinent, der nun mühsam „aufgeräumt“ wird. Bald wird klar, dass nicht nur die Yakuza hinter Kovacs her sind, sondern die First Families selbst. Und sie haben den Besten der Besten angeheuert – einen jungen Takeshi Kovacs, noch Mitglied des Envoy-Corps, dessen Bewusstseins-Backup die Harlan-Familie wer weiß wo aufgetrieben hat. Doch in den Wirren des Techno-Krieges gegen die Relikte von New Hokkaido wird Kovacs in eine viel gefährlichere Geschichte verwickelt, die zurückreicht bis zur Revolution von Quellcrist Falconer…

Bewertung

Ich hatte ja Anfang des Jahres geschildert, dass ich „Woken Furies“ signiert von Richard Morgan erstanden habe. Nun habe ich es endlich mal gelesen. Die Bewertung fällt gar nicht so leicht, denn Morgan hat einiges reingepackt in dieses Buch, und es ist wie schon der zweite Kovacs-Roman nicht direkt leicht zugänglich. Man sollte vorher zumindest „Altered Carbon“ gelesen haben, denke ich, da dort die Welt dieses 26. Jahrhunderts sehr schön vorgestellt wird. Band 2 und 3 haben dagegen eigentlich sehr wenige Schnittpunkte.

Generell sind alle drei Kovacs-Bücher sehr verschieden und spielen auch jeweils in einer komplett neuen Umgebung. Die einzige Konstante ist der Charakter Kovacs, selbst sein Körper ist jedes Mal ein neuer (da niemand seinen Körper auf eine Reise durchs All mitnimmt, per Needlecast wird nur der Geist übertragen). Richard Morgan schafft es trotzdem, diesen Charakter sehr lebendig werden zu lassen, was auch nötig ist, da die Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt wird. Kovacs ist hier noch mal um einiges älter als in Band 1 und 2, und war er dort noch eindeutig der Gute, kann man sich da in „Woken Furies“ nicht mehr sicher sein. Einen wirklich „guten“ Charakter gibt es in diesem Buch eigentlich nicht mehr, alle sind auf ihren Vorteil und ihre eigenen Ziele bedacht, ungeachtet von Regeln, Gesetzen, Anstand etc. Die Welt von Takeshi Kovacs ist definitiv eine sehr düstere, und Morgan schildert sie mit einem gewissen Zynismus. Was Kovacs auf Harlan’s World treibt, wird erst spät im Buch enthüllt. Es macht Sinn und passt zum Charakter, macht diesen aber wirklich nicht sympathischer.

War Band 1 eine Kriminalgeschichte und Band 2 eine Kriegs-Geschichte mit SciFi-Elementen, so ist „Woken Furies“ eine Geschichte über Revolutionen. Harlan’s World kannten wir bisher nur aus verschiedenen Erinnerungen Kovacs‘. Nun wird diese slawisch-japanische Welt mit Leben gefüllt, was spannend geschildert ist. Neben viel Lokalkolorit konzentriert sich der Autor auf den Dualismus der autokratisch herrschenden First Families und der anarchischen Revolution Quellcrist Falconers. Falconer wurde ja schon im ersten Buch immer wieder erwähnt und spielt hier nun eine etwas größere Rolle. Richard Morgan beschönigt dabei keine der beiden Seiten, und so sehen wir gleich zu Beginn, wie die Wirren des Revolutionskrieges einen ganzen Kontinent verwüstet haben. Später treffen wir alte Revolutionäre und Mitglieder der Harlan-Familie genau wie normale Leute, die einfach nur ihr Leben leben wollen in einer zusehends gefährlichen Welt.

Zu Beginn liegt ein Schwerpunkt des Buches auf der Schilderung der Kriegsführung dieser hoch-technisierten Ära. Dabei kommt es neben Feuerkraft logischerweise darauf an, die Computer des Gegners zu infizieren und lahmzulegen. Auf New Hokkaido patroullieren nach 200 Jahren immer noch autarke Kriegsmaschinen, die von den deCom-Crews nun mühsam zerstört werden. Kovacs schließt sich mehr zufällig einer solchen Crew rund um den „Technohead“ Sylvie an, diese neuen Charaktere werden einem als Leser auch schnell sympathisch. Harlan’s World hat im übrigen die Besonderheit, dass es von Orbitalen der Marsianer umgeben ist, welche sämtliche Flugobjekte ab einer gewissen Flughöhe abschießen. Die geheimnisvollen Marsianer geben dem ganzen Setting noch mal einen interessanten Touch.

Das Unverwechselbare von Morgans hier kreierter Welt sind ja die Cortical Stacks, welche das Bewusstsein einer Person speichern und sie damit praktisch unsterblich machen. Während im letzten Band sehr viel mit Matrix-ähnlichen Konstrukten gespielt wurde, in die man Bewusstseine booten kann, hält sich das hier im Rahmen. Die Geschichte spielt doch eher in der realen Welt. Die Frage nach dem Wert menschlichen Lebens in einer solchen Welt schwingt auch hier immer mit, auch wenn sich die Charaktere selber diese Frage eher selten stellen. Im Kontrast zu uralten Geistern wie Kovacs treffen wir auch mal Jugendliche, die noch in ihrem Originalkörper leben, was in Band 2 komplett gefehlt hatte. Eine interessante neue Facette ist das „Double Sleeving“: Das gleiche Bewusstsein in zwei Körpern einzuspielen. Das ist aus naheliegenden Gründen streng verboten, auch wenn es technisch problemlos möglich ist. Genau genommen ist es so streng verboten, dass es einen unschönen Einsatz des Envoy-Corps nach sich zieht, wenn die UN es herauskriegt. Der Kontrast zum jüngeren Kovacs ist auf jeden Fall interessant, auch wenn es kein zentrales Element des Buches ist.

Wie oben erwähnt fand ich „Woken Furies“ nicht leicht zugänglich. Morgan erklärt vieles nicht oder erst spät im Buch, so dass man sich als Leser schon selbst zurecht finden muss in dieser Welt. Das macht durchaus auch Spaß, aber es empfiehlt „Woken Furies“ nicht als kurzweilige Lektüre für übermüdete Abende. Zudem muss man mit dem Zynismus der Welt und der Charaktere, die Morgan hier kreiert hat, klarkommen. Das war in Band 1 irgendwie noch etwas besser ausbalanciert. Auf der anderen Seite hat sich der Autor ein sehr schönes Thema für den Abschluss der Geschichte um Kovacs ausgedacht (soweit ich weiß gibt es keine weitere Kovacs-Romane). Mit Harlan’s World und der Quell-Revolution kehrt er zu den Dingen zurück, die schon in Band 1 den Charakter und den Background von Takeshi Kovacs geprägt haben. Darüber mehr zu erfahren, ist äußerst spannend. Gerade weil dies der Abschluss der Geschichte um Kovacs ist, bin ich auch geneigt, Richard Morgan zu verzeihen, dass er einem das Lesen an einigen Stellen nicht ganz leicht macht.

Fazit

Spannendes und interessantes Finale für Takeshi Kovacs. Man muss sich erneut in einer neuen Umgebung zurecht finden, mit vielen neuen Charakteren, und die Geschichte braucht eine ganze Weile, um so richtig Fahrt aufzunehmen. Dafür wird sie um so interessanter, wenn man erst mal mitbekommen hat, worum es wirklich geht.

Links

Rezension zu „Altered Carbon“
Rezension zu „Broken Angels“
Webseite des Autors

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)