Rezension zu „Rivers of London“ von Ben Aaronovitch, Verlag Victor Gollancz London, 2011, 392 Seiten
Deutsche Ausgabe: „Die Flüsse von London“, dtv, 480 Seiten
Inhalt
Constable Peter Grant hat gerade seine zweijährige Probezeit bei der Londoner Polizei beendet und sieht seine Karriere in Richtung eines Schreibtischjobs verlaufen, als ein Mordfall sein Leben gründlich auf den Kopf stellt. Peter soll nur den Tatort bewachen und trifft dabei einen wichtigen Zeugen – der sich als Geist herausstellt. Ehe er es sich versieht, wird er zu einer Spezialeinheit versetzt, die ansonsten nur aus seinem Chef besteht, Chief Inspector Thomas Nightingale, dem einzigen Polizei-Zauberer Londons. Nightingale führt Peter in die geheimnisvolle Unterwelt Londons ein, die voller Geister, Vampire und Flussgeister ist. Zwischen letzteren entbrennt gerade ein Konflikt, und es ist Peters Aufgabe zu vermitteln. Bald stellt sich zudem heraus, dass der Mordfall kein Einzelfall und der Täter definitiv übernatürlichen Ursprungs ist…
Bewertung
Ehe ich hier zu kritisch werde, will ich anmerken, dass sich „Rivers of London“ sehr amüsant und flüssig liest. Der Schreibstil und die Sprache von Aaronovitch erinnern ein wenig an Terry Pratchett. Nicht umsonst habe ich das Buch in weniger als zwei Tagen verschlungen.
Der Autor erzählt die Geschichte aus der Ich-Perspektive Grants. Naturgemäß enthält die Geschichte viele Details zu zwei Themengebieten: London und die Londoner Polizei. In die Geschichte fließen natürlich immer wieder Schilderungen der Stadt ein. Es hilft, wenn man London ein bisschen kennt, z.B. wenn man den Scotland-Yard-Spielplan grob im Kopf hat. Ansonsten fand ich aber nicht, dass das Buch die Stadt für einen Nicht-Londoner so speziell lebendig werden ließ. Es wird zum Glück aber auch nicht zu sehr auf den Details Londons herumgeritten. Viel spannender fand ich dagegen die vielen Details aus dem Arbeitsalltag der Metropolitan Police. Hier hat Aaronovitch wirklich ernsthaft recherchiert, was durchaus spannend ist.
Unterm Strich stören mich aber doch einige Sachen an „Rivers of London“. Zuerst macht sich relativ schnell das Gefühl breit, das alles so oder so ähnlich schon mal gelesen zu haben. Insbesondere der Vergleich mit den „Harry Dresden“-Büchern drängt sich mir auf. Hier wie dort werden wir in die Unterwelt einer Stadt eingeführt, erfahren etwas über die Gesellschaftsstrukturen der diversen Kreaturen. Hier wie dort arbeitet ein isolierter Teil der Polizei mittels Magie daran, übernatürliche Mordfälle zu lösen. Selbst in Details stimmen die Welten überein, z.B. in der Unverträglichkeit von Magie mit moderner Technik. Und nicht zuletzt sind beide Romanreihen aus der Ich-Perspektive erzählt.
Was Jim Butcher meiner Meinung nach wesentlich besser hinbekommen hat ist die Einführung des Lesers in diese neue Welt. Harry Dresden war sein ganzes Leben lang Zauberer, er ist ein Insider. Für Peter Grant dagegen ist das alles neu. Trotzdem zeigt er keine nennenswerten Anflüge von Unglauben, Entsetzen, Angst etc. Eben noch wusste er nichts von Geistern, und schon übt er fleißig Magie und jagt übernatürliche Übeltäter, als wäre es das normalste der Welt. Das wird für meinen Geschmack alles etwas zu glatt geschildert. Dass die Auflösung des Buches etwas konfus gerät, fällt dann eigentlich gar nicht so sehr ins Gewicht.
Interessant ist die Schilderung der Flussgeister und ihrer Fehde geraten. Mama Thames und Father Thames haben sich auseinandergelebt, und ihre Kinder, jedes einen Nebenfluss des Thames symbolisierend, beginnen die alten Übereinkünfte zu brechen. Die Geschichte um die Flussgeister ist nur ein untergeordneter B-Plot, der aber relativ originell geschildert wird. Da „Rivers of London“ auch der Name der Reihe ist, in der mittlerweile drei Nachfolge-Romane erschienen sind, kann man wohl davon ausgehen, dass die Flussgeister auch in den weiteren Büchern um Peter Grant eine Rolle spielen werden.
In den USA heißt das Buch übrigens aus unerfindlichen Gründen „Midnight Riot“. Ben Aaronovitch lebt tatsächlich in London. „Rivers of London“ ist sein erster eigener Roman, nach mehreren Doctor-Who-Büchern. In meiner Ausgabe ist am Ende noch eine 16-seitige Kurzgeschichte enthalten (auf dem Cover klebt ein Aufkleber „Special London Edition“).
Fazit
Sehr gut geschriebene und unterhaltsam zu lesende Urban-Fantasy, die aber von der Geschichte Originalität vermissen lässt und gegen Ende etwas konfus wird.