Wir haben jetzt innerhalb etwa eines halben Jahres 7 Staffeln „Star Trek TNG“ als Familie zusammen durchgeschaut. Das war sehr spannend, mal wieder die ganze Serie am Stück zu schauen. Neben vielen anderen Dingen fiel mir auch wieder auf, wie gut die Serie an vielen Stellen unsere heutige Technik vorhergesagt hat.
Natürlich ist TNG nun 30 Jahre alt und auch nicht in jeder Hinsicht gut gealtert. Viele Details des Sets sind nicht für hochauflösende HD-Darstellung gedacht gewesen, und hier und da hat man konkrete Zahlen für Datenspeicher oder Energiebedarf genannt, was man wirklich hätte lassen sollen. Aber ich muss mich beim Schauen doch manchmal daran erinnern, wie die reale Welt aussah, als die Serie 1987 auf Sendung ging. Der heute noch bekannte C64 stammt aus dem Jahr 1982, aber auch Nachfolgemodelle von Commodore, Atari oder Apple sahen nicht viel anders aus. Klobige, mechanische Tastaturen, noch viel klobigere Röhrenmonitore und Bedienung per Textbefehl waren Standard. Erste graphische Benutzeroberflächen kamen Mitte der Achtziger auf den Markt, Windows 1.03 zum Beispiel 1985. Wer mag, kann ja mal auf Wikipedia schmökern, da sind viele schöne Fotos enthalten. Zum Datenaustausch wurden Disketten benutzt, und wer unterwegs telefonieren wollte, ging wohl eher in eine Telefonzelle anstatt eines der allerersten ziegelsteingroßen Mobiltelefone aus der Tasche zu ziehen.
Und in diesem Umfeld kam „Star Trek TNG“ auf die Bildschirme und zeigte uns von Anfang an eine konsequente Touch-Bedienung von Computern. Es gibt auf der Enterprise-D nur wenige Knöpfe und Schalter. Stattdessen sehen wir immer mal wieder, dass die Konsolen Bildschirme sind (wenn sie nämlich ein- oder ausgeschaltet werden), welche Bedienelemente anzeigen und auf Berührung reagieren. Worauf der Computer auch reagiert, sind Sprachbefehle. Zudem kann er problemlos in menschlicher Sprache antworten, auch wenn ihm der (simulierte) Humor von Siri und co fehlt. Ich glaube gar nicht, dass Jugendliche von heute nachvollziehen können, wie futuristisch das damals war!
Fun Fact: In diesem Artikel verrät Mike Okuda, dass die flachen Bedienelemente anfangs eine Notlösung waren, um viele Konsolen möglichst billig bauen zu können. Knöpfe und Schalter kosten nun mal viel mehr Geld als ein flacher Ausdruck.
Über die isolinearen Chips bei TNG bzw. ihre cardassianischen Pendants auf DS9 amüsiere ich mich ja manchmal. Aber wenn man bedenkt, wie das Innenleben eines Computers 1987 aussah, dann waren auch sie relativ futuristisch gedacht. Man konnte durch Umstecken offensichtlich Programmveränderungen erreichen, und das funktionierte als „Plug‘n Play“ im laufenden System. Auch das damals keine Selbstverständlichkeit.
Wirklich beeindruckt war ich bei diesem Bild aus der Episode 6.04 „Relics“, wie wir es in so vielen TNG-Episoden gesehen haben:
Das PADD (Personal Access Display Device) ist ein tragbarer Computer. Die Props der Serie hatten aus Kostengründen keine elektronischen Komponenten sondern waren nur aufgeklebte Ausdrucke, deswegen haben wir nie im Detail gesehen, was die PADDs können. Aber man konnte offensichtlich damit Daten anzeigen und sie wie alle anderen Computer über den Touchscreen bedienen. Wenn man ein wenig sucht, findet man sicher auch noch eine Episode, wo Daten darauf drahtlos aus dem Hauptcomputer abgerufen werden. Aber am krassesten ist doch: Schaut euch mal an, wie dünn das Teil ist. Und trotzdem ein funktionierender Computer! In früheren Episoden gab es tatsächlich eine etwas dickere Fassung des PADDs, aber auch das war schon ziemlich dünn.
Patrick Stewart und all die anderen Schauspieler haben mit diesen Teilen jahrelang rumhantiert. Haben die sich nicht ganz mächtig die Augen gerieben, als Apple 2010 das erste iPad rausbrachte? Mittlerweile ist es kein Problem, wirklich ein so dünnes Tablet zu kaufen. Dick wird es dann nur durch die Schutzhülle, die es vor der Spider-App schützt.
Und so sieht es in vielen Bereichen unseres Alltagslebens aus. Automatisch aufgleitende Schiebetüren in Apotheken oder dem DB-Reisezentrum wundern niemanden mehr, Klapptelefone im Stil der Classic-Kommunikatoren sind schon wieder out, Kinder wachsen mit Touch-Geräten auf und müssen erst lernen, auf älteren Geräten nicht auf dem Bildschirm herumzupatschen, und Sprachbedienung von Computern ist zumindest prinzipiell möglich, wenn auch im Moment noch keine universelle Steuerungsmöglichkeit („Ich habe dich nicht verstanden“). Um Informationen zu recherchieren, greift man sich schnell das Tablet und surft damit drahtlos im Internet, und so wie Data sich beliebige Musikstücke vom Computer auf Zuruf abspielen lassen kann, haben wir heute wie selbstverständlich Musik aus der ganzen Welt und allen Zeitepochen in Spotify zum Abruf. Man könnte noch lange so weitermachen.
All das sagt viel über das Talent und die Fantasie der kreativen Köpfe hinter den Sets und Props von „Star Trek TNG“ aus. Rick Sternbach, Mike und Denise Okuda, Doug Drexler und all die anderen haben zum einen die existierende Technik sinnvoll weitergesponnen, so dass viele ihrer „Vorhersagen“ eingetroffen sind, einfach weil sie eine logische Folge waren. Zum anderen haben sie aber auch das Bild von futuristischer Technik für eine ganze Generation geprägt, so dass sich reale Designer und Entwickler davon inspirieren ließen. Wenn man etwas wirklich cooles erschaffen wollte, dann baute man es „wie bei Star Trek“. 🙂
Und wie geht es weiter? Einer der Anlässe, diesen Text zu schreiben, war ein Artikel auf heise.de, den ich im Mai gelesen habe: Impfen ohne Spritze. Darin wird beschrieben, dass daran geforscht wird, mit einem hochdichten Mikroarray Medikamente künftig direkt in die Haut zu injizieren. Statt einer riesigen Nadel hat das Pflaster 3000 winzige Nadeln. Man klebt es auf die Haut, merkt kaum was, und zack, geimpft. Wer denkt dabei nicht an Dr. Crushers Hypospray?