Andy Weir: Artemis

Artemis

Rezension zu „Artemis“ von Andy Weir, 305 Seiten, Crown Publishing, 2017

Deutsche Ausgabe: „Artemis“, 2018, Heyne Verlag

Inhalt

Jazz Bashara lebt in der Mondkolonie Artemis, seit sie sechs Jahre alt ist. Nach einem Zerwürfnis mit ihrem Vater lebt sie offiziell von schlecht bezahlten Botengängen. Inoffiziell kontrolliert sie den Schwarzmarkt für Schmuggelware. Auf dem Mond gibt es keine Gesetze, nur die Regeln der Kenya Space Corporation. Wer aber z.B. trotz der strengen Brandschutzvorschriften rauchen möchte, besorgt sich Zigaretten bei Jazz. Eines Tages wird ihr jedoch ein weitaus lukrativerer Job angeboten: Der steinreiche Trond Landvik möchte die Aluminiumfirma übernehmen, deren Schmelzofen als Abfallprodukt die Atemluft der Stationen erzeugt, und Jazz soll für ihn die Harvester sabotieren, welche die Rohmaterialien für den Schmelzprozess einsammeln. Schwierig, aber mit dem richtigen Plan machbar, denkt sich Jazz und kann nicht widerstehen. Sie ahnt nicht, worauf sie sich damit eingelassen hat…

Bewertung

„Artemis“ ist das neue Buch von Andy Weir, dessen Erstlingswerk „Der Marsianer“ sehr erfolgreich war und mittlerweile auch verfilmt wurde. Eine Rezension habe ich damals aus Zeitgründen nicht geschafft, aber ich kann den Marsianer nur wärmstens empfehlen. „Artemis“ muss nun unausweichlich dem Vergleich mit dem Marsianer standhalten. Ein bisschen liegt das aber auch am Autor selbst, der die Werke vom Setting und vom Stil her ähnlich angelegt hat. Beide Romane spielen im Weltall in einer Umgebung mit begrenzten Ressourcen. Beide Hauptcharaktere zeichnen sich durch einen eher schnoddrigen Tonfall aus. Und beide müssen immer wieder ums Überleben kämpfen und dafür die knappen Ressourcen nutzen, die vorhanden sind. Der Autor macht dafür auch immer wieder klar, wie clever Jazz ist, ungeachtet ihres Lebenswandels. Hätte Andy Weir z.B. einen SF-Krimi geschrieben, der auf einem Planeten spielt, hätte sich der Vergleich der beiden Bücher nicht so sehr aufgedrängt, denke ich.

Bevor ich jetzt zu negativ werde: Ich habe „Artemis“ in wenigen Tagen verschlungen. Es ist nicht sehr dick und spannend zu lesen. Obwohl immer wieder technische und physikalische Details vorkommen, kann man der Handlung gut folgen, auch ohne davon zu viel zu verstehen. Das ist ähnlich wie beim Marsianer eine Stärke von Andy Weir, dass er absolut glaubwürdig technische Details der Raumfahrt bzw. hier der Umgebung auf dem Mond rüberbringt und auch als Plot Points in die Geschichte einbaut, das aber gleichzeitig alles sehr verständlich erklärt. Und das, ohne in seitenlange Erklärungen abzuschweifen. Nicht jeder Autor kriegt das überzeugend und so beiläufig hin.

Das Setting auf dem Mond hat Andy Weir offensichtlich sorgfältig ausgearbeitet. Das Buch enthält am Anfang sogar Karten. Man bekommt also schnell ein gutes Gefühl dafür, wie diese Stadt tickt, und hat nicht wie in manchen Romanen das Gefühl, den Überblick zu verlieren. Natürlich ist Artemis auch eine Stadt mit sehr begrenztem Umfang, gerade einmal 2000 Menschen leben dort. Insofern stört es auch nicht, dass man von Anfang an einen kompletten Überblick hat. Der Autor kann bei dem begrenzten Setting sowieso nicht später im Buch noch Dinge hervorzaubern, von denen wir nichts wissen. Was die geschilderte Technik betrifft, ist „Artemis“ wie schon der „Marsianer“ ein realistisches SF-Buch. Andy Weir nennt keine großen Details, wie Antriebe etc. funktionieren. Sie tun es halt, und man schreibt auch auf dem Mond E-Mails und surft im Internet. Da wenig technische Details wie Größenangaben oder Einheiten genannt werden, bleibt der Roman hoffentlich eine Weile aktuell. Physikalische und technische Wunderwerke, die man sich kaum vorstellen kann, kommen hier jedenfalls nicht vor, und das ist ja auch ok so. Die Geschichte soll realistisch wirken.

Einer der Unterschiede zum Marsianer ist die Ich-Perspektive, aus der die Geschichte erzählt wird. Der Marsianer war da nahe dran, weil fast alle Kapitel nur aus Videoaufzeichnungen des Astronauten bestanden. Es war dort aber, soweit ich mich erinnere, eben keine echte Ich-Perspektive mit echten Einblicken in die Gefühle und Gedanken des Charakters. Hier schon. Und ich kann mir nicht helfen, aber ich fand Jazz Bashara als Charakter zu oberflächlich. Insbesondere fand ich sie vom Tonfall her zu nahe an Mark Watney aus dem Marsianer. Jazz ist eine 26 Jahre alte Frau, kulturell aus Saudi-Arabien stammend, auch wenn sie den Islam nicht praktiziert. Irgendwie hätte ich mir da einen etwas anderen Ton für ihre Gedanken gewünscht. Vielleicht kann ja mal eine Leserin kommentieren, wie Jazz so auf sie gewirkt hat? Davon abgesehen ist Jazz als Charakter schon gut ausgedacht, mit vielen Ecken und Kanten. Viel davon kommt aber etwas gezwungen rüber. „Show, don’t tell“ wäre der Leitsatz, den Andy Weir ab und zu mehr hätte beherzigen sollen.

Ansonsten ist die Handlung spannend. Zu Beginn wunderte ich mich für eine Weile, ob denn nun alle Details von Jazz‘ Plan aufgehen würden ohne ein Problem. Doch dann fingen Jazz‘ Schwierigkeiten an, und die Handlung schlägt Haken, die man so nicht kommen sieht. Auch im Nachhinein ergibt das alles Sinn und passt zu dem Bild der Mondkolonie, das der Autor gezeichnet hat. Hier und da hätte ich mir aber vielleicht gewünscht, dass die Übergänge von einem Handlungsabschnitt zum anderen etwas organischer beschrieben wären, näher an Jazz als Charakter dran. Die Handlung wirkt manchmal, als wäre sie nach einem Exposé geschrieben worden, und die Übergänge erscheinen mir nicht immer so ganz natürlich zu sein. Das liegt natürlich auch daran, dass Jazz anders als Mark Watney prinzipiell immer eine Wahl hat. Sie könnte jederzeit aufgeben und sich zur Erde deportieren lassen, auch wenn das wegen der hohen Schwerkraft dort kein Spaß wäre. Aber sie hat eine Wahl, die Mark Watney nicht hatte. Die Spannung dort entstand ja vor allem daraus, dass Mark quasi das ganze Buch über mit einem Bein im Grab steht und nur durch große Kreativität dem Tod immer wieder entkommt. In „Artemis“ muss sich der Autor dagegen mehr anstrengen zu begründen, wieso sich Jazz das alles antut, und das wirkt dann manchmal etwas angestrengt.

Fazit

„Artemis“ ist ein spannend geschriebener und unterhaltsam zu lesender SF-Roman. Im direkten Vergleich ist Andy Weirs „Der Marsianer“ meiner Meinung nach besser, aber das heißt nicht, dass „Artemis“ nicht lesenswert wäre. Hier und da ist die Handlung und der Charakter Jazz für meinen Geschmack etwas zu konstruiert. Dinge ergeben sich nicht natürlich genug oder sind zumindest nicht so geschildert. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Gerade auch weil „Artemis“ mit knapp 300 Seiten nicht zu sehr ausufert, kann man es gut mal zwischendurch lesen.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)