Patrick Rothfuss: The Name of the Wind

Cover The Name of the WindRezension zu „The Name of the Wind – The Kingkiller Chronicle: Day One“ von Patrick Rothfuss, Verlag Victor Gollancz London, 2007, 662 Seiten

Deutsche Ausgabe: „Der Name des Windes“, Klett-Cotta Verlag, 863 Seiten

Inhalt

Das Waystone Inn ist ein Wirtshaus in einem kleinen Ort am Rande des Nirgendwo. Eines Tages wird die Eintönigkeit jedoch unterbrochen: Ein reisender Chronist erkennt den unscheinbaren Wirt Kote als den legendären Kvothe – Mittelpunkt von tausend Geschichten, Magier, Genie, Held. Er überzeugt Kvothe, ihm seine Geschichte zu erzählen, und so berichtet Kvothe von seinem Leben. Wie er als Sohn einer Edema-Ruh-Familie aufwuchs, immer unterwegs durch die Länder des Commonwealth. Wie ein alter Magier sich der Schauspiel-Truppe anschloss und begann, ihn zu unterrichten. Wie seine Familie ermordet wurde und er schließlich zur Universität gelangte, dem ersehnten Ort, wo man die Magie erlernen kann…

Bewertung

„The Name of the Wind“ ist ein faszinierendes Buch. In gewisser Weise ist es das genaue Gegenteil von „The Fallen Blade“: Wo „The Fallen Blade“ nicht annähernd mit seiner spannend klingenden Inhaltsangabe mithalten konnte, ist „The Name of the Wind“ fesselnd, obwohl es eigentlich gar keine große Geschichte zu erzählen hat. Oder genauer gesagt: Es erzählt die Grundlage für eine große Geschichte, aber die wirklich spannenden Teile kommen wohl erst in Band 2 und 3. Dieser 660-Seiten-Wälzer stellt tatsächlich gerade einmal den Auftakt dar, denn Kvothe willigt ein, seine Lebensgeschichte an drei Abenden zu erzählen. Dies hier ist der erste Abend, der seine Kindheit und frühe Jugend abdeckt.

Das Buch lebt von zweierlei: Zum einen den Charakteren, allen voran Kvothe selber, und zum anderen vom wirklich guten Schreibstil des Autores. Rothfuss erzählt die knappe Rahmenhandlung mit einem Erzähler in dritter Person, aber im größten Teil des Buches fungiert Kvothe als Ich-Erzähler. Man lernt so sehr viel über diesen eigenwilligen Charakter. Kvothe ist nicht nur clever, mit seiner schnellen Auffassungsgabe ist er ein halbes Genie. Das macht ihn sehr selbstsicher, zuweilen arrogant. Er schreckt auch vor Betrug nicht zurück, um seine Ziele zu erreichen, und ist in dieser Hinsicht kein klassischer strahlender Held. Trotzdem funktioniert der Hauptcharakter als Identifikationsfigur. Als Leser fiebert man mit Kvothe mit und möchte wissen, wie aus dem mittellosen Jungen der Erzählung der offenbar weltbekannte Held aus der Rahmenhandlung wird.

Die Geschichte wird relativ langsam erzählt. Rothfuss teilt sie in sehr viele teils sehr kurze Kapitel, so dass man nie zu lange an der gleichen Stelle der Story hängen bleibt. Dass die Lektüre in dieser epischen Breite funktioniert, liegt für mich in erster Linie aber daran, dass Patrick Rothfuss wirklich mit Sprache umzugehen versteht. Um das näher zu verstehen lest euch einfach mal auf Amazon den Prolog des Buches durch: „A Silence of Three Parts“. Rothfuss versteht es einfach, gekonnt zu formulieren und zu beschreiben und dabei auch sehr gut zu beobachten. Gleichzeitig hat er auch eine humorvolle Ader. Das kommt nicht ständig durch, aber es gibt immer wieder auch Momente zum Lachen. Insbesondere erfrischend fand ich, dass er die ganze Geschichte mit einem gewissen Realismus erzählt und dabei auch mit den Erwartungen des Lesers an typische Fantasy spielt. Mit die beste Szene des ganzen Buches ist ein Moment, wo man mit Büchern wie denen von Trudi Canavan im Hinterkopf etwas Bestimmtes erwartet und es dann doch ganz anders kommt.

Trotzdem ist „The Name of the Wind“ natürlich klassische Fantasy. Der Autor schildert hier wie unzählige andere vor ihm eine neue Welt, repräsentiert durch den obligatorischen Kartenausschnitt vorne im Buch. Ich finde, man merkt bei der Lektüre, dass dem Autor die Welt an sich nicht direkt wichtig ist, denn sie bleibt ein wenig vage. Der Fokus dieser Geschichte liegt mehr auf der Magie, auf Geschichten und Sagen, auf Musik und auf der Universität. Kvothe ist in einer Schauspieltruppe aufgewachsen, er hat Bühnenerfahrung und spielt meisterhaft die Laute. Immer wieder erzählen Charaktere Geschichten oder singen Lieder. Das alles trägt sehr zur Atmosphäre des Buches bei und bringt auch immer wieder viele Puzzlesteine für die Hintergrundgeschichte mit sich. Wo die Welt geographisch und politisch vage bleibt, da wird sie kulturell sehr lebendig.

Der Autor nutzt die Magie zudem nicht als Freibrief für willkürliche Handlungswendungen, sondern baut dazu ein logisches Fundament mit festen Regeln. Kvothe lernt an der Universität die verschiedenen Arten der Magie genauso wie die verschiedenen Wissenschaften. Als Leser hat man das Gefühl, die Regeln dieser Magie zu verstehen. Die Welt, in der die Geschichte spielt, entspricht übrigens etwa der beginnenden Renaissance, nur dass Fortschritte durch Wissenschaft hier über Magie gelingen.

Was ich aber kritisch anmerken muss: „The Name of the Wind“ ist zu lang. Vielleicht werden Band 2 und 3 die Detailverliebtheit des Autors hier am Beginn der Geschichte als richtig bestätigen. Betrachtet man das Buch jedoch für sich, hätte man sicher locker 100 Seiten ohne zu große Verluste herauskürzen können. Die eigentlich erzählte Geschichte dreht sich nämlich manchmal schon etwas im Kreis, wenn es z.B. um Kvothes ständige Versuche geht, an Geld für seine Studiengebühren zu kommen, oder um seine Fehde mit einem Mitstudenten. Das wiederholt sich nach einer Weile dann doch ein bisschen, zumal wenn man die erwähnten Bücher von Trudi Canavan gelesen hat, die ja in einem ähnlichen Rahmen spielen.

Ist „The Name of the Wind“ nun ein Meisterwerk? Muss man es gelesen haben? Die abschließende Bewertung fällt mir nicht leicht, nachdem ich es nun für diese Rezension gerade zum zweiten Mal gelesen habe. Beide Male habe ich das Buch innerhalb weniger Tage verschlungen. Anders geht es auch nicht, das Buch wird eher nicht als Lektüre für 10-Minuten-Busfahrten funktionieren. Eine Beurteilung ohne Band 2 und 3 gelesen zu haben ist aber schwierig. Beurteilt man den Abschluss einer Trilogie, hat man dabei auch immer den Anfang mit im Hinterkopf. Hier haben wir nun den Anfang, der offensichtlich eine große Story vorbereitet, die wir aber noch nicht kennen und hier auch nicht zu lesen kriegen. Vorerst habe ich also 4 von 5 Sternen vergeben, wenn sich die Fortsetzung als exzellent erweist, ändere ich das aber vielleicht auch noch zu 4.5 Sternen.

Ich lehne mich jedenfalls mal aus dem Fenster und behaupte: Ja, es lohnt sich! „The Name of the Wind“ ist exzellent geschrieben und liest sich äußerst spannend. Dieses Buch lebt noch sehr von Andeutungen, vom langsamen Enthüllen der Identität des Hauptcharakters. Aber wenn Patrick Rothfuss auf diesem Niveau weiterschreibt, wird „The Kingkiller Chronicle“ sicher ein Standardwerk der Fantasy.

Fazit

Spannend geschriebene, epische Fantasy. Man muss Bücher dieser Dicke mögen und sollte im Blick behalten, dass Band 3 im Moment noch nicht erschienen ist. Aber wer gerne in eine fremde, komplexe Welt abtaucht und sich von einer großen Geschichte fesseln lässt, ist hier richtig.

Links

Webseite des Autors

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Bitte beachte die Kommentarregeln: 1) Kein Spam, und bitte höflich bleiben. 2) Ins Namensfeld gehört ein Name. Gerne ein Pseudonym, aber bitte keine Keywords. 3) Keine kommerziellen Links, außer es hat Bezug zum Beitrag. mehr Details...

So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)