David Gray: Draw The Line

Im September erschien endlich das neue Album von David Gray, „Draw The Line“. Das Vorgängeralbum „Life In Slow Motion“ ist immerhin von 2005, und so war ich dann doch ziemlich gespannt auf die neue Musik. David Gray hat sich für „Draw The Line“ von einem Teil seiner Musiker getrennt und quasi einen Neuanfang gewagt.

„I‘d had a really good run, I‘d built a band with some great people. But the creative spark that had been there, that [1998's] ‚White Ladder‘ was born out of, was sort of gone. I just felt there was a need for some new energy and a new impetus to the whole thing.“

Cover 'Draw The Line'Und in der ersten Single des Albums, „Fugitive“, kam diese neue Energie auch wirklich rüber. Das Album selber hat mich dann beim ersten Hören erstaunlicherweise gar nicht so begeistert. „Fugitive“ hatte ich da ja schon mehrere Wochen lang rauf und runter gehört und der Reiz des Neuen war schon etwas verflogen. Die restlichen Songs des Albums entsprachen dagegen einfach nicht den Erwartungen, welche verschiedene Interviews mit David Gray bei mir geweckt hatten. Die meisten Songs sind eher ruhig, einige lyrisch, andere schwermütig. Energiegeladen im Stile von „You‘re The World To Me“ kam mir beim ersten Hören eigentlich keines der Lieder vor. „Jackdaw“ und „Stella The Artist“ ragen da noch am ehesten heraus.

Das Album

Aber wie immer gilt: Dreimal hören ehe man sich ein Urteil bildet und möglichst wenig vorgefertigte Erwartungen mitbringen. „Draw The Line“ ist natürlich ein klassisches David-Gray-Album, das sich hinter keinem seiner Vorgänger zu verstecken braucht. Gerade mit dem letzten Studioalbum verglichen ähnelt „Draw The Line“ meiner Meinung nach eher wieder den beiden Alben davor. Die Songs sind weniger orchestral instrumentalisiert, ohne so einfach wie David Grays Debut-Album zu werden. Die Texte sind diesmal teilweise etwas belanglos, aber es sind auch in dieser Hinsicht einige sehr gute Songs dabei. Wie immer muss man genau hinhören, denn einige der Lieder haben Texte, die man rein von der Musik her zu urteilen gar nicht erwarten würde. Und das ist dann wieder absolut typisch für David Gray, eine gewisse Bissigkeit muss da einfach sein.

Zum Album: Es enthält 11 Songs mit einer Gesamtspielzeit von etwa 47 Minuten. Gestalterisch ist das Album sehr schön gemacht, irgendwie verschnörkelt und auf klassisch getrimmt (erinnert mich ein wenig an Queens „Innuendo“). Die dermaßen gestalteten Liedtexte zu lesen ist aber leider etwas schwierig. Es gibt im übrigen zwei Versionen, die normale Ausgabe und die Deluxe-Edition mit zwei CDs. Auf der Bonus-CD sind Live-Aufnahmen älterer Songs zu hören. Im Überschwang, die CD endlich kaufen zu können, hatte ich daran gar nicht gedacht und die normale CD erstanden. Das muss ich bei Gelegenheit noch korrigieren.

Die Tracks

Die Titel im einzelnen:

  1. Fugitive
  2. Draw The Line
  3. Nemesis
  4. Jackdaw
  5. Kathleen
  6. First Chance
  7. Harder
  8. Transformation
  9. Stella The Artist
  10. Breathe
  11. Full Steam

„Fugitive“ ist wie erwähnt die erste Single des Albums und strahlt das aus, was ich vom ganzen Album erwartet hatte: Es ist ein dynamischer Song, kraftvoll und optimistisch wirkend. Der Text ist etwas verklausuliert, aber ich denke, man kann die Bedeutung herauslesen. Und nicht zuletzt ist „Fugitive“ sofort eingängig, man kann die Melodie mitsummen, den Text mitsingen. Das Ganze hat Ohrwurm-Qualität. Sehr, sehr schön ist auch das Video geworden, finde ich:

David Gray – Fugitive
Video: http://www.youtube.com/embed/utLCu-Mpnqo

„Draw The Line“, der titelgebende Song, ist schwermütiger. Inhaltlich geht es um einen Neuanfang, und musikalisch ist das Lied durchaus auch einprägsam. Der dritte Song, „Nemesis“, ist sehr interessant: Beim ersten Hören klingt es nach einer Liebesballade, ein ruhiger, verspielter, lyrisch klingender Song. Der Text sieht aber anders aus:

I am your one true love
Who sleeps with someone else
I am your Nemesis
Baby I‘m life sweet life itself

Das Leben selbst als Nemesis!? Ein interessantes Konzept auf jeden Fall, und der Gegensatz von Musik und Text macht das ganze spannend. Der Text hätte auch auf David Grays erste beide Alben perfekt gepasst, das hätte sich damals aber sicher anders angehört.

Die nächsten beiden Titel sind dann wirklich Liebeslieder, mehr oder weniger, wenn auch sehr verschiedene. „Jackdaw“ ist wieder ein energetischer und fröhlicher Song. „Kathleen“ ist dagegen schwermütig, zumindest vom Text her. Musikalisch klingt auch „Kathleen“ eher beschwingt. David Gray singt hier übrigens zusammen mit Jolie Holland, man hört sie aber leider nur sehr schwer heraus. Das mag Absicht sein, da es ja inhaltlich gerade darum geht, dass Kathleen nicht mehr da ist, aber ist doch etwas Schade.

Als nächster Titel folgt „First Chance“, mit fast 6 Minuten Länge das längste Stück des Albums. „First Chance“ erinnert textlich und auch von David Grays Stimme her wieder an seine frühen Werke. Zumindest während der Strophen selber dominiert auch die Gitarre. Es schwingt eine gewisse Ungeduld und Ärger mit.

First chance I get I‘m outta here,
First chance I get I‘m gone

„Harder“ ist wieder ein relativ ruhiger Song. Der Mittelteil klingt sehr schön harmonisch, während der Rest des Liedes nicht sehr herausragt. „Harder“ geht musikalisch relativ nahtlos über in „Transformations“. Dieses Lied beginnt sehr ruhig, steigert die Lautstärke dann aber zur Mitte hin. Es hat eine optimistischere Atmosphäre und einen irgendwie poetisch klingenden Text.

„Stella The Artist“ setzt das fort: Es ist ein Song an die Inspiration selbst, Stella symbolisiert Grays Muse. Das Lied ist schneller, kraftvoller und fröhlicher. „Breathe“ ist das vorletzte Lied der CD. Es wird von einer zugrundeliegenden sehr einfachen Melodie getragen, die zwischen den Strophen immer wieder durchklingt. Der Text ist eindringlich und energisch vorgetragen. Das Lied passt sehr gut zu David Gray und hat wirklich was.

Den Abschluss des Albums bildet „Full Steam“, was gleichzeitig vielleicht auch das interessanteste Lied der CD ist. David Gray singt „Full Steam“ zusammen mit Annie Lennox, und im Gegensatz zu Track 5 ist dies ein echtes Duett, wo man beide Stimmen gleichberechtigt heraushört. Beim ersten Hören war ich hier eher enttäuscht, aber der erste Eindruck trügt eben manchmal auch: „Full Steam“ ist ein toller Song, der sehr schnell zum Ohrwurm wird. Mehr als einmal habe ich den am Ende der CD einfach dreimal, viermal nacheinander laufen lassen. Wichtig: Ihr müsst auf den Text achten. Dreht die Musik ruhig lauter auf und greift euch das Booklet. Musikalisch ist das Lied eher ein Understatement, erst der Inhalt macht es zu etwas Besonderem.

Das Lied beginnt relativ leise, Annie Lennox und David Gray wechseln sich konstant jede Zeile ab. Der Gesang ist irgendwie schwermütig und langsam, aber doch kraftvoll vorgetragen. Das ganze baut sich dann zum Refrain hin auf, den beide zusammen singen.

Now you saw it coming
And I saw it coming
We all saw it coming
But we still bought it
You saw it coming
And I saw it coming
But still running full steam ahead

Inhaltlich hat das was Fatalistisches und Trauriges, aber es ist einfach genial vorgetragen. Wie gesagt, Ohrwurm-Gefahr.

Fazit

Der ganz große Wurf, der komplette Neuanfang, wie das Album vorab beworben wurde, ist „Draw The Line“ eher nicht. Es steht mehr in der Tradition der Vorgängeralben als ich erwartet hätte, aber das ist ja auch nicht schlecht, schließlich waren alle David-Gray-Alben bisher auf ihre Art sehr gut. Mit „Fugitive“ und „Full Steam“ wird das Album eingerahmt von zwei sehr genialen Songs. Dazwischen liegen viele interessante Stücke, einige Songs wissen jedoch nicht so wirklich zu begeistern. Insbesondere ist mir nicht klar, wieso der sehr schöne Song „Indeed I Will“ auf dem Album nicht drauf ist (gab es im Vorfeld als kostenlosen Download).

Alle Kritik ist aber natürlich Meckern auf hohem Niveau: „Draw The Line“ ist auf jeden Fall ein hörenswertes Album, das auch einen guten Gesamteindruck macht. Wer David Gray noch gar nicht kennt, sollte vielleicht zuerst zum „Greatest Hits“-Album greifen, um ein bisschen ein Gefühl für seine Musik zu bekommen, Fans kommen jedoch an „Draw The Line“ nicht vorbei.

Mehr Videos von David Gray kann man in seinem YouTube-Channel sehen. Es gibt wohl auch ein Video zu „Full Steam“, das dort hoffentlich bald zu sehen ist.

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