Das Universum vor Gericht

Protokoll der Verhandlung Menschheit gegen Universum

Die Verhandlung begann um 9.45 Uhr mit der Aufnahme der Personalien:

Die Klägerpartei:
Name: Menschheit
Alter: etwa 12.000 Jahre
Wohnort: Erde

Der Beklagte:
Name: Universum
Alter: etwa 19 Milliarden Jahre
Wohnort: Hyperraum

Die Klägerpartei wurde aufgefordert, ihren Fall vorzutragen und die Anklagepunkte zu nennen. Der Kläger holte daraufhin weit aus, er beschrieb seine Heimat, die Erde, die unzähligen, verschiedenen Länder, die so oft durch Wasser getrennt waren. Die Menschen waren gezwungen, sich Schiffe zu bauen, um diese Ozeane zu überqueren. Und allzu häufig gingen die Schiffe unter. Ein Sturm, Nebel vor der Küste… Die Menschen hatten es satt, auf ein Schiff zu steigen und nicht zu wissen, ob sie ankommen würden.

Also beschloss man, dem ein Ende zu bereiten. Man würde sich in Zukunft von der Natur, von den Gewalten der Elemente, von den Launen des Universums nicht mehr unterkriegen lassen. Man würde ihnen ein für alle mal den Spaß verderben, denn man würde ein neues Schiff bauen, ein Schiff, das ganz anders sein sollte. Es würde unsinkbar sein! Kein Sturm könnte ihm etwas anhaben, und der Mensch würde endlich über die Natur triumphieren.

Gesagt, getan. Man baute ein Schiff, das unsinkbar war. Und es wurde groß, geradezu titanisch groß, und man beschloss, es TITANIC zu nennen.

Im Jahre des Herrn 1912 begann die Titanic ihre Jungfernfahrt, und alle waren glücklich, denn endlich war die Ungewissheit verschwunden. Dieses Schiff würde nicht sinken, das wussten alle ganz genau, denn es war ja unsinkbar. Um so größer war ihre Überraschung dann, als die Titanic am 15.04.1912 einen Eisberg rammte und zu sinken begann.

Für das Protokoll: Die Tatzeit wird auf 23.39 am 15.04.1912 festgelegt.

Und welchen Verbrechens soll sich das Universum nun schuldig gemacht haben?, fragte der Richter leicht gelangweilt.

Dazu wollte ich gerade kommen, fuhr der Kläger fort. Das Universum hat das schlimmste Verbrechen begangen, das man sich vorstellen kann: Es hat gegen die Naturgesetze verstoßen. Es ist nicht natürlich, dass ein Schiff, welches unsinkbar ist, sinkt. Und dermaßen unnatürliche Vorgänge passieren nicht von alleine. Nebenbei ist es auch des 1500fachen Mordes schuldig.

O.k., rufen Sie bitte ihren ersten Zeugen auf, meinte der Richter.

Unser erste Zeuge ist das Universum selbst! Und dann, als das Universum auf dem Zeugenstuhl Platz genommen hatte: Wo waren Sie am Abend des 15. Aprils 1912?

Äh, zu Hause.

Gibt es dafür Zeugen?

Äh, ich fürchte, nein.

Wie haben sie sich gefühlt, als sie erfahren haben, dass es gelungen ist, ein unsinkbares Schiff zu bauen?

Ich war stinksauer.

Haben sie entgegen den Naturgesetzen und aller Logik dafür gesorgt, dass das unsinkbare Schiff sank?

Äh, nicht direkt.

Sondern?

Naja, ich habe vielleicht einen Eisberg am Nordpol ein bisschen angestupst…

Danke, keine weiteren Fragen, Euer Ehren.

Das Universum machte noch einen letzten Versuch, seinen guten Ruf zu retten: Aber wer sagt denn, dass das Schiff wirklich unsinkbar war? fragte es. Dafür gibt es doch gar keinen Beweis!

Darauf hatte der Kläger nur gewartet. Er setzte sein „Jetzt hab‘ ich dich!“-Lächeln auf und erwiderte siegessicher: Wohl in der Schule nicht aufgepasst, was? Es war bei der Konstruktion des Schiffes definiert, dass es unsinkbar sein sollte. Definitionen muss man nicht beweisen!

Ich glaube, ich habe jetzt genug gehört, meinte der Richter. Im Namen der Ordnungsmächte ergeht folgendes Urteil: Schuldig im Sinne der Anklage! Ein Bruch der Naturgesetze wird mit dem Tod bestraft, die Strafe ist sofort zu vollstrecken. Henker! Wallte deines Amtes!

Der Henker trat aus seiner Nische…

Bitte, Gnade! kreischte das Universum.

…hob einen Entropie-Induktor…

Die Menschheit fügte hinzu: Äh, vielleicht sollten Sie sich dieses Urteil noch einmal überlegen, Euer Ehren. Wir wären ja schon zufrieden, wenn wenigstens der Nachbau des Schiffes unsinkbar wäre…

…und brachte das Universum damit zum Kollabieren.

Es machte ‚Plop‘ und der Beklagte sowie auch der Kläger als Einwohner des ersteren waren nicht mehr als verwehende Energiemuster im Hyperraum.

Einer der Gerichtsdiener beugte sich vor und fragte den Richter: Und was ist, falls der Angeklagte Revision gegen das Urteil einlegen will?

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)