Ich möchte euch heute eine Initiative vorstellen, die ich sehr spannend und wichtig finde und deren Ziel nur auf den ersten Blick unsinnig klingt. Die Kampagne „Grundrechte für Menschenaffen“ wird vom Umfeld der Giordano-Bruno-Stiftung getragen, die ich schon mal kurz vorgestellt hatte. Das Ziel ist es, Menschenaffen ebenfalls grundsätzliche Rechte zu gewähren. Genauer gesagt sollen ihr Recht auf persönliche Freiheit, Leben und körperliche Unversehrtheit in Artikel 20a des deutschen Grundgesetzes verankert werden. Viele Infos dazu findet man beim Great Ape Project.
Grundrechte
Was ist mit „Grundrechten“ gemeint? Normalerweise würde man von „Menschenrechten“ sprechen, nur dass das eben schon genau die Eingrenzung enthält, die eben abgeschafft werden soll.
Für einen Menschenaffen haben sicher nicht alle Grundrechte den gleichen Stellenwert. Das Postgeheimnis mag einem Affen relativ egal sein, aber das Recht nicht gefoltert und getötet zu werden ist eben nicht egal. Ebenso würden viele Affen vielleicht gerne selbst entscheiden, wie und wo sie leben.
Wieso Menschenaffen? Wieso das Grundgesetz?
Man kann sich zurecht fragen, wieso Menschenaffen grundlegende Rechte gewährt werden sollen, beispielsweise Delfinen aber nicht. Der Gedanke hinter der Kampagne ist es, die grundlegende Trennung zwischen „Tier“ und „Mensch“ in Gesetzen und Gesellschaft erst einmal an einem besonders deutlichen Beispiel aufzuweichen bzw. abzuschaffen. Wenn anerkannt ist, dass ein Menschenaffe keine Sache ist, dann kann man später mit viel weniger Aufwand hingehen und schauen, für welche anderen Tierarten solche Rechte auch gelten sollten.
Die heutige grundlegende Trennung zwischen „Mensch“ und „Tier“ ist ja in erster Linie aus den Religionen heraus entstanden und hat mit der Entwicklungsgeschichte der Arten nichts zu tun. In diesem Hinblick finde ich auch den Vorschlag sehr spannend, die lateinischen Artennamen von Schimpansen und Bonobos zu „Homo“ anzupassen. Dass ihre Arten heute „Pan“ heißen, spiegelt mehr den Willen des Namensgebers wider, sie vom Menschen abzugrenzen, als eben die realen Verwandtschaftsverhältnisse. Konkret ändern würde das nichts, aber es könnte zum Nachdenken anregen, wenn am Zoogehege „Homo Troglodytes“ steht…
Muss das nun unbedingt ins Grundgesetz? Meinetwegen müssen da nicht speziell die Rechte der Menschenaffen aufgelistet werden. Es sollte aber klargestellt werden, dass nicht alle Tiere außer dem Menschen wie Gegenstände zu behandeln sind. Der Tierschutz an sich wird ja schon erwähnt, das sollte um einen deutlichen Absatz zu den Rechten von Arten mit höherem Bewusstsein erweitert werden. Näheres können dann Gesetze regeln.
Die Ziele
Wenn man sich ein bisschen mit dem Anliegen der Kampagne beschäftigt, sollten einem die Ziele eigentlich einleuchten. Trotzdem habe ich gerade vor wenigen Wochen noch einen abfälligen Kommentar im Radio darüber gehört, so á la „Menschenrechte für Affen, ha ha, was fällt den Bekloppten als nächstes ein?!“. Das finde ich traurig, dass so ein ernstes Anliegen in einem vermeintlichen „Qualitätsmedium“ wie ein Witz abgetan wird.
Ich gehe eigentlich gerne in den Zoo, gerade auch weil das meiner Tochter so viel Spaß macht. Mit ihren wenigen Jahren versteht sie noch nicht, dass die Tiere da nicht freiwillig sind und nicht unbedingt Spaß haben. Ich kann mich jedoch nicht mit meinem Alter rausreden, ich weiß es einfach besser. Das Buch von Colin Goldner zum Thema habe ich nicht gelesen, aber sein Fazit ist wohl, dass die meisten Menschenaffen in deutschen Zoos schlicht psychisch krank sind (und wer wäre das nicht, wenn er Jahrzehnte lang auf wenigen Quadratmetern eingesperrt wäre). In diesem Sinne finde ich, dass es sehr legitim ist, noch mal genau hinzuschauen, unter welchen Bedingungen Tiere im Zoo gehalten werden. Auf geo.de gibt es dazu aus dem Jahr 2014 auch ein Interview mit Colin Goldner.
Wie würde es weitergehen, wenn man Menschenaffen grundlegende Rechte einräumen würde? Einfach freilassen kann man sie nicht, aber es gäbe ganz andere Auflagen für die Haltung. Irgendeine Haltung würde es sicher auch weiterhin innerhalb Europas geben, denke ich, dazu sind sie in ihrer eigentlichen Heimat viel zu bedroht. Aber vielleicht dann lieber einige wenige wirklich große Affen-Parks anstatt Zoo-Gehegen? Wie gesagt, in erster Linie geht es bei dieser Kampagne jedoch um eine Änderung im Denken über Mensch und Tier und nicht so sehr um handfeste Konsequenzen jetzt sofort. Diese würden dann sicher auch erfolgen, aber sich über eine lange Zeit erstrecken.
Was kann man konkret tun, um dieses Anliegen zu unterstützen? Die Giordano-Bruno-Stiftung hat dazu zusammen mit mehreren Tierschutz-Verbänden eine Petition vorbereitet – und der deutsche Bundestag weigert sich, diese auch nur zur Abstimmung freizuschalten. Details auf der Webseite der Stiftung. Darüber hinaus denke ich sollte man einfach wachsam in Bezug auf den Umgang mit Menschenaffen sein. Ruhig mal widersprechen, wenn Menschenaffen wie Besitztümer behandelt werden, und auch im Zoo mal nachfragen bzgl. der Haltungsbedingungen. Und das Great Ape Project kann natürlich jede Form der Unterstützung und Publicity gebrauchen.
Sehr schön finde ich dazu ein Zitat von Michael Schmidt-Salomon aus seinem Brief an den Bundestag:
Denjenigen, die aufgrund der vorgeschlagenen maßvollen Erweiterung des Personenkreises und der damit verbundenen Gewährung von Grundrechten für nichtmenschliche Tierspezies einen rechtspolitischen „Dammbruch“ vermuten, sei entgegengehalten, was Paola Cavalieri und Peter Singer im Vorwort zu Colin Goldners neuem Buch „Lebenslänglich hinter Gittern“ geschrieben haben: „Wir sollten uns nicht davon abhalten lassen, das Richtige jetzt zu tun in der Sorge, wir könnten uns später dazu berufen sehen, erneut das Richtige zu tun.“
In diesem Sinne: Manchmal ist es wirklich relativ leicht zu erkennen, was die richtige Entscheidung ist. Es stirbt kein Mensch, wenn nicht in jedem deutschen Zoo Gorillas und Orang-Utans sitzen. Entsprechende Änderungen müssten gut überlegt werden, bräuchten Zeit und würden ein wenig Aufwand verursachen. Auch wenn wir als Nation im Moment schon von Bahnhöfen und Flughäfen überfordert werden, wäre es doch schön, wenn wir ein solches Anliegen nicht aus Bequemlichkeit einfach ignorieren würden.