Rezension zu „Steelheart“ von Brandon Sanderson, Band 1 der Reihe „The Reckoners“, 384 Seiten, Ember (Random House, New York), 2014, Ersterscheinung: 2013
Deutsche Ausgabe: „Steelheart“, 2014, Heyne Verlag
Inhalt
In der nahen Zukunft: Die Anomalie „Calamity“ erscheint am Himmel über der Erde und verleiht einigen Menschen Superkräfte. Doch Macht korrumpiert, und viele der sogenannten „Epics“ besitzen dank ihrer neuen Kräfte unglaubliche Macht. Bald schon stellen sie sich selbst über das Gesetz und machen sich ganze Städte untertan. Einer dieser Epics ist Steelheart, der über die Reste von Chicago herrscht. Mit seinen Kräften hat er die Stadt in Stahl verwandelt, während sein Untergebener Nightwielder Chicago in ewige Nacht hüllt.
David ist acht Jahre alt am Tag als Steelheart die Macht ergreift. An diesem Tag sieht er seinen Vater sterben – und er sieht den unverletzlichen Steelheart bluten. Nur mit Glück entkommt er dem Epic und widmet sein weiteres Leben der Suche nach Informationen über die Epics, über ihre Schwachstellen. David will Rache, doch dazu muss er sich den Reckoners anschließen, den einzigen Menschen, die sich noch gegen die Epics wehren…
Bewertung
Die Inhaltsangabe von „Steelheart“ klang interessant, und so war ich dann doch etwas überrascht, wie wenig mich das Buch begeistert hat. Es ist nicht ganz einfach zu sagen, woran das liegt, und vielen anderen Menschen geht es da offenbar anders, denn die Bücher von Brandon Sanderson erfreuen sich durchaus Beliebtheit.
Wie gesagt, meine Abneigung gegen das Buch zu konkretisieren ist nicht ganz einfach. Unterm Strich fand ich aber einfach die gezeigte Welt recht leblos. Der Autor holt hier meiner Meinung nach nicht annähernd genug aus dem eigentlich ja spannenden Setting heraus oder er präsentiert die Details dieser Welt einfach nicht auf besonders interessante Weise. Die Charaktere sind dagegen durchaus spannend und werden recht gut vorgestellt und eingesetzt. Die Geschichte ist eigentlich auch spannend. Aber auch hier lässt mich die Art der Präsentation relativ kalt. Die Suche nach der Schwachstelle von Steelheart sollte eigentlich spannend sein, erscheint mir aber eher unlogisch. Wieso legen die Reckoners z.B. mit ihrem Plan einfach los, ohne die Schwachstelle zuerst zu kennen? Davon abgesehen, dass die ganze Nummer mit den Schwachstellen der Epics sowieso eine eher unlogische Angelegenheit ist. Aber gut, das Buch will keine Hard SF sein, sondern kann eher unter post-apokalyptischer Fantasy einsortiert werden.
„Steelheart“ wird im übrigen aus der Ich-Perspektive von David erzählt, und auch hierfür gibt es von mir Punkt-Abzug. Vielleicht habe ich in letzter Zeit einfach zu viel Bücher in der Ich-Perspektive gelesen. Das kann als Stilmittel sehr effektiv sein, aber dann muss man es auch gut machen. Bei David bekam ich dadurch jedenfalls im Gegensatz zu allen anderen Charakteren kein besonders gutes Gefühl dafür, wer er ist oder wie er tickt. Obwohl man ja eigentlich über ihn am meisten erfahren sollte, bleibt er von den Charakteren des Buches am blassesten. Die anderen Charaktere sind zwar teilweise etwas klischeehaft angelegt, werden aber schnell mit Leben gefüllt. Und jemand wie Cody, der ständig von Schottland, dem Heimatland seiner Eltern, redet, das aber im Südstaaten-Dialekt seiner eigenen Heimat tut, ist da schon regelrecht innovativ und unterhaltsam.
Das Buch wird im übrigen als Jugendbuch vermarktet. Glaubt der Autor, dass Jugendbücher nicht zu tiefgründig sein dürfen? Muss das so sein, um sich gut zu verkaufen? Könnte man zumindest denken, andererseits erinnere ich mich an Bücher wie „Sabriel“ oder „Mortal Engines“, die es wesentlich besser als „Steelheart“ geschafft haben, eine glaubwürdige und spannende Welt aufzubauen. Eine andere Vermutung, die mir irgendwann kam: Vielleicht schreibt der Autor einfach auch zu viel zu schnell. Brandon Sanderson ist ein amerikanischer Autor, der unter anderem dafür bekannt ist, dass er Robert Jordans „The Wheel of Time“-Reihe nach dessen Tod zu Ende geführt hat. Er hat in den letzten Jahren neben diesen drei Mammutwerken noch eine wirklich große Anzahl Romane veröffentlicht. Vielleicht wäre hier weniger mehr gewesen.
Ein anderer Kritikpunkt, der bei mir recht schnell aufkam: „Steelheart“ ist ein bisschen wie ein gedankenloser Actionfilm, bei dem links und rechts alles explodiert und die Leute wie die Fliegen sterben, aber ohne dass man einen Tropfen Blut sieht. Es gibt meiner Erinnerung zufolge genau eine Szene, wo David Mitgefühl mit einem der Polizeioffiziere zeigt. Ansonsten hat er kein Problem damit, die menschlichen Polizisten reihenweise zu töten. Es wird darüber auch nicht groß reflektiert. Drei, vier Sätze innerer Monolog, und dann geht das Buch schnell über zu weiterer Action. Schlimmer noch: Die ganze Geschichte basiert darauf, die Epics zu besiegen. Aber selbst als die Reckoners etwas mehr über die Hintergründe der Epics gelernt haben, ändert sich an den Zielen der Gruppe nichts. Niemand kommt auf die Idee, den Epics zu helfen, die ja immerhin auch Menschen sind. Niemand kommt auf die Idee, sie vor Gericht zu stellen (schwierig, wie das vielleicht sein mag). Nein, die Reckoners postulieren einfach, dass dieser oder jener Epic ein ganz schlimmer Mörder ist, und dann wird er halt umgebracht. Für diese Art von Unterhaltung habe ich vielleicht zu viel „MacGyver“, „Star Trek TNG“ und „Doctor Who“ geschaut, aber das stieß mir wirklich sauer auf. Dass „Steelheart“ als Jugendbuch vermarktet wird, macht so einen Kritikpunkt noch mal um so schlimmer.
Fazit
„Steelheart“ ist ein flüssig zu lesendes, aber relativ oberflächliches Fantasy-Buch, bei dem man über Details wirklich nicht zu viel nachdenken sollte. Die vorgestellte Welt könnte viel spannender sein, als sie im Buch dann tatsächlich rüberkommt. Als Jugendbuch würde ich es aufgrund des gedankenlosen Gewalteinsatzes tatsächlich nicht empfehlen. Ansonsten kann man es lesen, muss aber sicher nicht. Die Auflösung ist immerhin gelungen. Trotzdem kann ich der Versuchung gut widerstehen, Band zwei zu lesen.