J. R. R. Tolkien: The Hobbit

Cover The HobbitRezension zu „The Hobbit“ von J. R. R. Tolkien, Harper Collins Children’s Books, 2012, 365 Seiten, Ersterscheinung: 1937 (UK)

Inhalt

Bilbo Baggins ist ein Hobbit, der wie alle Hobbits ein ruhiges und abenteuerfreies Leben lebt. Eines Tages jedoch bekommt er Besuch vom Zauberer Gandalf, den er aus seiner Kindheit kennt. Gandalf hat ihn für eine spezielle Mission ausgewählt, für ein Abenteuer. Und ehe Bilbo es sich versieht, sitzen dreizehn Zwerge in seinem Wohnzimmer und planen mit ihm zusammen die gefährliche Reise zum Lonely Mountain, ihrer alten Heimat, aus der sie vor langer Zeit vom Drachen Smaug vertrieben wurden. Das Ziel: Den Schatz ihrer Vorfahren aus den Klauen des Drachens zu befreien…

Bewertung

Vorweg: Ich habe weder den Hobbit-Film gesehen noch den Herrn der Ringe gelesen. Die Einordnung des „Hobbits“ ins Ring-Universum kann ich nur anhand der HdR-Filme vornehmen, ansonsten muss „Der Hobbit“ für sich stehen.

Von Anfang an faszinierte mich der Erzählstil des Buches. Tolkien schreibt in einem märchenhaften Stil, die Sprache wirkt oft antiquiert, ohne dass das aufgesetzt oder unpassend rüberkommt oder dass man sie nicht verstehen würde. Viel mehr trägt es zur speziellen Atmosphäre des Buches bei und vermittelt das Gefühl, tatsächlich eine alte Sage zu lesen. Der Erzähler spricht den Leser auch öfters direkt an, sagt uns z.B. dass Thorin immer so ausschweifend erzähle, dass er uns den Rest jetzt aber ersparen würde.

Die Geschichte ist spannend, und man will beizeiten wissen, wie es weitergeht. Da der „Hobbit“, soweit ich es verstanden habe, als Geschichte für Tolkiens Kinder begann, kann man nicht die Tiefe manch anderen Buches erwarten. Auch bleiben die Charaktere der Zwerge leider größtenteils etwas farblos. Auf der anderen Seite ist es spannend, die vielen Anknüpfungspunkte zum „Herrn der Ringe“ zu beobachten. Man merkt relativ deutlich, dass das komplexe Ring-Universum noch nicht erdacht war, als der Hobbit entstand. Trotzdem trifft man hier viele Details, die man aus den Filmen schon kennt (den Ring, Gollum, Frodos Schwert, Gimlis Vater…). Diese Verbindungen zum „Herrn der Ringe“ sind aber derart gestaltet, dass man diese Geschichte nicht kennen muss. Es ist eher ein Bonus als für das Verständnis notwendig. Ich war im Gegenteil eher überrascht, welch kleine Rolle z.B. Gollum tatsächlich spielt, hatte ich mir die Begegnung zwischen Gollum und Bilbo doch als Höhepunkt des Buches vorgestellt.

Nun zur Kritik: Die ganze Geschichte macht von Anfang an nicht so viel Sinn. Die Zwerge ziehen also los, um ihren Schatz zurückzuerobern. Wie wollen sie das machen? Wie die Sachen wegschaffen oder den Drachen besiegen? Bilbo merkt später im Buch an, dass dieser Teil des Planes nicht durchdacht sei, aber genau genommen haben die Zwerge nicht mal einen Plan. Wieso also beginnen sie dieses Unternehmen überhaupt, und wieso genau jetzt, nach all den Jahrzehnten? Dass Tolkien darauf so gar keine Antwort hat, lässt die Charaktere etwas doof und die Story etwas dünn aussehen, unabhängig wie flüssig und spannend sich das Buch lesen lässt. Besser wäre es sicher gewesen, die Zwerge hätten eine Geheimwaffe gegen den Drachen dabei gehabt. Die hätten sie gerne verlieren können auf der Reise, dann hätten sie in etwa genauso bedröppelt vor dem Berg gestanden, aber wenigstens müsste man ihnen nicht jegliche Intelligenz absprechen. … Ok, ich habe noch mal in den ersten Kapiteln geschmökert: Man kann zwischen den Zeilen herauslesen, dass Gandalf das ganze komplett arrangiert hat, und wohl genau zu diesem Zeitpunkt, weil er kurz zuvor die Karte von Thorins Vater erhalten hat. Das macht die Geschichte aus Sicht der Zwerge aber nicht besser.

Ein echter Hammer kommt gegen Ende des Buches, und da ich etwas spoilern muss, diesen Absatz bitte überlesen, wenn ihr das Buch noch nicht kennt. Die ganze Zeit über wird der Drache als Endgegner aufgebaut und man fragt sich, wie die Zwerge und der Hobbit es wohl schaffen können, ihn zu besiegen. Und dann kommt ein externer Charakter und tötet den Drachen, ganze zwei Seiten, nachdem er zum ersten Mal erwähnt wurde. Das ist ein wirklich großer WTF-Moment und ganz sicher kein gutes Storytelling. Das überrascht um so mehr, als die Geschichte ansonsten gut erzählt ist und Tolkien sichtlich an großen Sagen interessiert ist. Wenn der Held einer Sage eine Aufgabe bekommen hat, wird die doch auch nicht von einem Fremden gelöst, während der Held irgendwo herumsitzt. Das lässt wieder einmal die Hauptcharaktere dämlich aussehen und lässt einen als Leser unbefriedigt zurück.

Gegen Ende wandelt sich die Geschichte noch einmal von einer simplen Heldensaga zu einer mehr politischen Geschichte, vom Stil her ähnlicher dem „Herrn der Ringe“. Tolkien stellt viele passende Fragen, etwa ob die Zwerge ihren Schatz einfach behalten dürfen oder ob sie den Bewohnern des nahen Ortes, auf die sie grundlos den Zorn des Drachen gelenkt haben, ihren Schaden kompensieren müssen. Für meinen Geschmack kommt das jedoch zu spät, zu plötzlich und ist auch zu schnell wieder vorbei. Genau wie der Sieg über den Drachen lässt mich das etwas unbefriedigt zurück.

Ich habe übrigens starke Zweifel daran, dass der „Hobbit“ als Kindergeschichte funktioniert, auch wenn das Buch so vermarktet wird. Ich kann mich irren, aber ich denke, für eine Kindergeschichte sind dann doch die Motivationen und die Handlungsverläufe nicht klar genug. Mal sehen, in ein paar Jahren kann ich da vielleicht mehr zu sagen. 😉

Fazit

Der „Hobbit“ ist ein Klassiker, nicht nur der Fantasy, sondern der Literatur allgemein, und allein aus diesem Gesichtspunkt heraus empfiehlt sich die Lektüre. Angesichts der verschiedenen deutschen Übersetzungen sollte man ruhig zum englischen Original greifen. Tolkien ist Sprache sehr wichtig und er beherrscht sie hervorragend, was das Buch überaus lesbar macht. Das Storytelling lässt leider etwas zu wünschen übrig. Unter dem Strich ist der Hobbit trotzdem empfehlenswert, zumal das Buch nicht zu umfangreich ist.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)