Robert J. Sawyer: Flashforward

Cover FlashforwardRezension zu „Flashforward“ von Robert J. Sawyer, 319 Seiten, Tor Books New York, 1999

Deutsche Ausgabe: „Flash“, Heyne Verlag, 432 Seiten

Inhalt

April 2009: Am Forschungszentrum CERN, in der Nähe von Genf, wird ein besonderes Experiment vorbereitet. Im Large Hadron Collider sollen energetische Bedingungen wie kurz nach dem Urknall hergestellt werden, um dabei das Higgs-Boson nachweisen zu können. Doch exakt in der Sekunde, als das Experiment startet, geschieht etwas Unglaubliches: Lloyd Simcoe, der Leiter des Experiments, findet sich in der Zukunft wieder. Für zwei Minuten ist er ein stiller Beobachter in seinem eigenen, gealterten Körper, unfähig seine Umwelt zu beeinflussen, ehe sein Geist unvermittelt wieder ins CERN zurückkehrt.

Schnell wird klar, dass dieser Effekt die ganze Menschheit betroffen hat. Jeder erlebte für 2 Minuten sein Leben in 21 Jahren. Jeder – bis auf die Menschen, die in der Zukunft tot sind, wie etwa Simcoes Kollege Theo. So spannend die Visionen für viele Menschen waren, so hatten sie auch einen hohen Preis: Für zwei Minuten wurde die ganze Menschheit bewusstlos, was zu Unfällen mit unzähligen Millionen Toten führte. Neben der Suche nach der Ursache des „Flashforwards“ stellt sich schon bald die Frage: Kann die beobachtete Zukunft verändert werden?

Bewertung

„Flashforward“ ist ein interessantes Buch und nicht leicht zu bewerten. Die Prämisse des Buches ist fantastisch und viele der vorgestellten Ideen sind sehr interessant. Aber die tatsächlich erzählte Geschichte überzeugt mich von Aufbau und Plot her nicht. Nur schon als Anmerkung: Ich habe die auf „Flashforward“ basierende TV-Serie nie gesehen, insofern gebe ich hier also wirklich nur meine Meinung zum Roman wieder.

Die Prämisse ist wie gesagt extrem spannend, aber schon auf den ersten paar Seiten passt der irgendwie nüchtern-langweilige Erzählstil des Autors nicht so recht zu dieser Prämisse. Das zieht sich leider durch den Roman durch, und er ist nur deswegen flüssig lesbar, weil er eben so viele interessante Ideen enthält.

Für eine ganze Weile spielt der Autor mit den verschiedenen Ideen herum, ohne sie so Recht zu einem größeren Ganzen zusammenzufügen. Da hätten wir Lloyd Simcoe, der eigentlich verlobt ist, sich aber in seiner Vision mit einer anderen Frau sieht. Daraus zieht er den Schluss, dass seine geplante Ehe nicht halten wird, und da er glaubt, dass die Zukunft nicht änderbar ist, ist nun die Verlobung in Gefahr. Auf der anderen Seite gibt es Theo, der offenbar in der Zukunft gerade ermordet wurde und nun Hinweise auf seinen eigenen Tod sucht. Daneben gibt es das größere Bild: Wer trägt die Verantwortung für das Geschehen mit den durchaus schrecklichen Folgen? Lässt sich das Experiment wiederholen? Und lässt sich die Zukunft ändern?

Die letzte Frage ist lange Zeit der einzige zentrale Strang des Buches, und der Autor beschreibt insbesondere Lloyds Gedankenmodell des Minkowski-Cubes sehr schön. Man könnte es sich tatsächlich vorstellen, dass die Zukunft feststeht und sich die Gegenwart wie die Abspielnadel eines Plattenspielers über die Zeitachse bewegt: Nur weil wir das Ende der Platte noch nicht gehört haben, heißt das nicht, dass es nicht von Anfang an feststehen würde. Das ist durchaus faszinierend. Weniger überzeugt mich dann aber, wie das Ganze in eine Geschichte gegossen wird. Es kommt einfach nicht speziell glaubwürdig rüber, wie die Charaktere reagieren und auch wie die Welt reagiert. Letzteres nämlich gar nicht, über lange Strecken. Es dauert ewig, ehe jemand einen tatsächlichen praktischen Versuch unternimmt, die These der Unveränderbarkeit der Zukunft zu widerlegen.

Was die Charaktere betrifft, so bin ich mit ihnen leider auch nur bedingt warm geworden. Insbesondere Lloyd erscheint mir sehr merkwürdig in seinem Beharren auf der Unveränderbarkeit der Zukunft. Die Tatsache, dass er vielleicht mehrere Millionen Tote auf dem Gewissen haben könnte, scheint für ihn da nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Jede emotionale Reaktion von ihm und den anderen Charakteren werden dem Leser nicht gezeigt, sie werden vom Autor lediglich behauptet. „Show, don’t tell“ lautet dagegen eigentlich eine Grundregel des Schreibens.

Mit der größeren politischen Geschichte macht es sich der Autor dagegen zu einfach, denke ich. Man stelle sich vor, es gäbe eine technische Gerätschaft, mit der sich das Bewusstsein der ganzen Menschheit ausknipsen ließe. Sollte das nicht politische Begehrlichkeiten wecken? Würden manche Staaten da wirklich vor einer Invasion zurückschrecken, um diese Gerätschaft in die Hände zu bekommen oder zumindest deren Baupläne? Würden alternativ nicht andere wiederum alles daran setzen, dass dieses Experiment nicht wiederholt wird? Später im Buch gewinnt die Geschichte eine gewisse politische Dimension, aber für meinen Geschmack werden solche Fragen viel zu einfach übergangen.

Gegen Ende des Buches wird die Geschichte gleichzeitig besser und unglaubwürdiger. Mit der eigentlichen Auflösung konnte ich ehrlich gesagt nicht viel anfangen, dagegen wurde Theos Geschichte recht gut an den Rest des Buches angebunden. Alles in allem finde ich es einfach Schade, dass dieses Buch nicht besser ist. Ich kenne die sonstigen Bücher von Robert J. Sawyer nicht, aber „Flashforward“ lässt mich vermuten, dass er einfach kein guter Autor ist. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, was für ein packendes Buch jemand wie Michael Crichton oder Andreas Eschbach aus dieser Idee gemacht hätte. Am Ende finde ich das fast schlimmer als wenn das Buch einfach nur schlecht gewesen wäre: Aus dieser phantastischen Idee so wenig herauszuholen.

Fazit

Eine sehr spannende Idee, leider nicht wirklich überzeugend erzählt was Plot, Charaktere und Schreibweise betrifft. Das Buch ist lesbar und zeitweise nicht unspannend, aber es bleibt weit hinter seinem Potential zurück.

Links

Webseite des Autors

4 Gedanken zu „Robert J. Sawyer: Flashforward

  1. Das ist also der Inhalt dieser Serie? Hatte sie mir als sie lief mal aufgenommen, bin aber nie dazu gekommen, sie auch zu schauen. Klingt an sich ja recht interessant, aber wenn die Geschichte sich an der unsinnigen LHC-Hysterie aufbaut, bin ich mir nicht sicher, ob ich mir das antun will.

    Finde es im Übrigen witzig, dass du jetzt täglich Blogartikel raushaust, nachdem so lange eher selten was kam. Wie findest du denn während des Umzugsstresses die Zeit dazu?

  2. Hi JR!

    Also, die Serie ist ein wenig anders gemacht und mit viel mehr Charakteren gespickt. Die haben versucht, was aus der Idee zu machen, doch leider ist die Serie nach der ersten Staffel ja abgebrochen worden.

    Auch ich fand die Idee einfach gut. Was Sawyer draus gemacht hat, nun, darüber läßt sich diskutieren. In der Tat ist es das, was man mit typischer Sci-Fi assoziieren würde: Tolle Ideen, aber Schwierigkeiten mit Charakteren. Dennoch gefiel mir das Buch sehr gut, weil ich daraus – wie auch aus Filmen – Gedanken entwickle, mit Strängen spiele und durch solche Bücher und Filme kreative Momente erlebe, besonders, wenn man dabei Zeit zum Nachdenken hat. 😉 Und das ist es dann, was ich an solchen Büchern sehr schätze: Man entwickelt die Geschichten, die einem vielleicht nicht auf Anhieb so gefallen, in der Phantasie weiter, und zwar so weit bis sie einem gefallen. Und das halte ich für guten Input. Ist allerdings reine Geschmackssache.

    Schau‘ Dir mal bei Gelegenheit die Serie an. Würde mich interessieren, was Deine Meinung darüber ist und wie Du sie mit dem Buch vergleichst. Ich kannte die Serie übrigens bevor ich das Buch gelesen habe. 😉

    LG,
    Kaineus.

  3. @Kathrin: Das Buch ist von 1999. Es ist also nicht einfach ein Trittbrettfahrer der LHC-Hysterie, sondern eine ganze Weile davor entstanden. Ich denke eher, man kann dem Autor hier ernsthaftes wissenschaftliches Interesse unterstellen. Er gibt sich auch viele Mühe mit der Schilderung der Gegebenheiten bei CERN.

    Übrigens, was ich noch erwähnen wollte: Der Autor hat korrekt den Namen des Papstes vorhergesagt! Respekt! Wenn ich mich an die Berichterstattung nach der Wahl des Ratzebärs erinnere, waren ja alle Kommentatoren überrascht, dass er sich „Benedikt“ ausgesucht hat.

    Ich bin im übrigen fast sicher, dass die TV-Serie nichts mit dem CERN und dem LHC zu tun hat. Eine amerikanische TV-Serie, die in der Schweiz spielt – sowas machen die Amis einfach nicht. Oder?

    @Kaineus: „Die haben versucht, was aus der Idee zu machen, doch leider ist die Serie nach der ersten Staffel ja abgebrochen worden.“ –> Was ich so über die Serie gelesen habe, und das ist wirklich nur Hörensagen, haben sie das Grundproblem des Buches nicht behoben: Sie hätten bessere Autoren engagieren müssen. 😉

  4. Ach ja, @Kathrin: Meine aktuelle Aktivität hier ist eigentlich nicht so ungewöhnlich. Ich bin leider bisher nicht zu einem Blogger geworden, der wie selbstverständlich jeden Tag etwas schreibt. Vielmehr sammele ich Ideen für Beiträge auf Zetteln und in meinem Kopf, und wenn die Liste lang genug oder mein schlechtes Gewissen groß genug ist, nehme ich mir mal am Stück Zeit dafür, die ich eigentlich nicht habe. Die aktuellen Beiträge sind alle letzten Montag oder so zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens entstanden. Danke, liebes WordPress, dass man Beiträge zeitgesteuert veröffentlichen und so Aktivität vortäuschen kann. 😉

    Der andere Grund ist gerade der Umzug: Auf meinem Schreibtisch stapeln sich immer Bücher und CDs, über die ich was schreiben möchte (naja, jetzt nicht mehr, den Schreibtisch haben wir gestern verkauft *g*). Wo die nun alle eingepackt werden müssen, muss ich die Reviews quasi jetzt schreiben, sonst schreibe ich sie gar nicht mehr.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)