Frank Herbert: Dune

Cover 'Dune'Rezension zu „Dune“ von Frank Herbert, Victor Gollancz London, 2007, 608 Seiten, Ersterscheinung: 1965 (USA)

Deutsche Ausgabe: „Der Wüstenplanet“, u.a. Heyne Verlag, 2001, 880 Seiten

Inhalt

In einer fernen Zukunft: Der galaktische Imperator hat den wichtigen Planeten Arrakis als Lehen der Harkonnen-Familie entzogen und den Atreides zugeteilt. Herzog Leto von Atreides weiß, dass dieser Schachzug fast sicher eine Falle ist, und doch hat er kaum eine Wahl, als dem Wunsch des Imperators nachzukommen. Und so verlässt Haus Atreides die Wasserwelt Caladan und zieht nach Arrakis. Die lebensfeindliche Wüstenwelt ist für das Imperium von größter Bedeutung, da nur hier das Spice abgebaut wird, welches von den Navigatoren benutzt wird, um einen Weg durch die Wirren des Hyperraums zu finden.

Letos Sohn Paul wird in dieser Zeit des Umbruchs mit Prophezeiungen und Visionen konfrontiert. Seine Mutter Lady Jessica ist eine Bene Gesserit, ein Orden, der eigene Ziele verfolgt. Paul durchlief als Thronfolger des Herzogs eine harte Ausbildung, doch nun stellt sich heraus, dass er über Fähigkeiten verfügen könnte, von denen auch er noch nichts ahnte. Schon bald zieht sich das Netz der Intrigen enger um das Haus Atreides, und Paul wird auf seine neue Heimat, den Wüstenplaneten Arrakis, angewiesen sein…

Bewertung

„Dune“ ist ein Klassiker der Science-Fiction, und wie die meisten Klassiker hatte ich ihn bisher nicht gelesen. Ich kenne den alten Film und die späteren TV-Mehrteiler, konnte mich aber nie wirklich aufraffen, das Buch zu lesen. Viele Bücher aus dieser Ära sind ja leider nicht speziell gut gealtert, da bin ich immer etwas vorsichtig. Diesen Sommer haben wir dann aber im Rahmen der Cardiffer Reading Group entschieden, „Dune“ zu lesen, und im nachhinein bin ich froh, dass ich diese spezielle Lücke endlich schließen konnte.

„Dune“ ist ein faszinierendes Buch, das seinen Status als Klassiker zu recht inne hat. Frank Herbert erzählt hier nicht nur eine Geschichte, sondern er erschafft eine ganze Welt. Das tut er in solcher Detailfreude und so interessant und glaubwürdig, dass „Dune“ den Vergleich mit anderen Monumentalwerken wie „Lord of the Rings“ nicht scheuen muss, finde ich. Ich hatte eigentlich angenommen, dass ich das Buch nicht speziell spannend finden würde, da ich die Story vom Film her noch gut in Erinnerung habe. Interessanterweise hat gerade das mir erlaubt, mich voll auf die Details dieser Welt zu konzentrieren, und das Buch las sich kein bisschen langweilig. Ich bin nicht sicher, wie das Buch wirkt, wenn man die Verfilmungen nicht kennt. Ist die Story dann verwirrend? Oder wird es eher noch spannender?

Wie gesagt, für mich ist der Mittelpunkt des Buches die faszinierende Welt in einer fernen Zukunft. Frank Herbert spart hier wirklich nicht mit Details und verschiedenen Handlungssträngen: Die Menschheit hat sich im Weltall ausgebreitet und unzählige Planeten besiedelt. Die Macht liegt bei einem Imperator und einem mächtigen Konzern. Darum herum sind verschiedene große und weniger große Häuser gruppiert, unter ihnen die Atreides und die Harkonnen. Intrigen sind an der Tagesordnung, und ein Hauptmerkmal dieser Welt ist das mangelnde Vertrauen. Kein Charakter des Buches traut dem anderen 100%, jeder hat potentiell Hintergedanken, und Giftdetektoren sind ein normaler Bestandteil des herzöglichen Esszimmers.

Dazu kommen die Bene Gesserit, welche über Jahrhunderte ein Zuchtprogramm aufgebaut haben auf der Suche nach einem bestimmten Individuum. Sehr schön dabei die Rolle der Religion: Die heute bekannten Religionen haben sich offenbar bis in diese Zukunft relativ gut durchmischt, und die Bene Gesserit verbreiten aktiv Prophezeiungen auf unterentwickelten Welten, um ihre Arbeit zu unterstützen. Kommt eine Bene Gesserit später auf so einen Planeten, kann sie sicher sein, eine auf sie passende Prophezeiung vorzufinden. Das bietet einen schönen Kontrast zum teilweise etwas Überhand nehmenden Mystizismus des Buches.

Ebenfalls wichtig sind die Schilderungen der Wüste und des Lebens darin. Frank Herbert hat die Geschichte wohl begonnen, während er ein (nie beendetes) Fachbuch über die Wüsten Amerikas schrieb. Er packt hier also viel reales Wissen hinein, und entsprechend glaubwürdig sind seine Schilderungen. Auch der Umgang mit Wasser in der Kultur der Fremen ist in vielen, vielen Details sehr schön ausgedacht. Gleichzeitig hat er die Wüste Arrakis‘ um die phantastischen Sandwürmer ergänzt, welche im Buch gar nicht so wichtig sind, aber die wohl fast jeder als erstes mit „Dune“ verbindet.

Was die Charaktere betrifft, so war ich überrascht wie lebendig Leto und Jessica erscheinen, an die ich mich aus dem Film nur als Statisten erinnere. Paul dagegen blieb für mich erstaunlich blass, was ich dem Buch noch am ehesten als Schwäche ankreiden würde. Für so einen wichtigen Charakter wird ihm einfach nicht genug Tiefe verliehen. Viele emotionale Details werden nur behauptet, seltsam distanziert, anstatt dass das Buch dies anschaulich schildert. Paul macht sehr erstaunliche Transformationen durch, und auch diese scheinen ihn selber nicht wirklich zu beeindrucken. „Dune“ ist in dieser Hinsicht nicht perfekt, es hat mir aber komischerweise beim Lesen nicht wirklich etwas ausgemacht. Ich denke, das liegt daran, dass Frank Herbert hier mehr eine Mythologie erschafft, eine moderne Sage erzählt, als den packendsten Roman des Jahrhunderts abzuliefern. Und einer Sagengestalt verzeiht man mangelnde Tiefe durchaus, wenn die Sage an sich dafür begeistert.

Der Schreibstil ist etwas trocken, aber sehr lesbar (ich habe das Original gelesen, wohlgemerkt, keine Ahnung wie die deutsche Übersetzung so ist). Da habe ich aus den frühen Sechzigern schon ganz andere Bücher gelesen. Frank Herbert vermeidet es auch geschickt, in die beliebte Falle zu tappen, sich durch die Schilderung von technischen Details unglaubwürdig zu machen, die zehn Jahre nach Veröffentlichung schon überholt sind. „Dune“ hat kein Technobabble, es muss den Leser nicht interessieren, wie genau die Überlicht-Antriebe oder die persönlichen Schutzschilde funktionieren. Nur an wenigen Stellen werden „tapes“ erwähnt, aber das kann man ja auch anders deuten, und die Verwendung von Atomwaffen wirkt etwas antiquiert (so weit sind wir heute schon, dass mir Atomwaffen antiquiert vorkommen *g*). Ansonsten werden wo nötig neue Begriffe erfunden, vieles ist ansonsten aber sehr Low-Tech.

Ich könnte jetzt noch viel zu verschiedenen Details schreiben. Sehr faszinierend fand ich zum Beispiel, dass sich bei den Kleinkriegen der Häuser die Größe einer Invasionsstreitmacht in erster Linie danach richtet, wie viel man für den Transport auf den Überlicht-Schiffen bezahlen kann. Details dieser Art gibt es viele, und auch etablierte Fakten bekommen später im Buch immer wieder eine neue Tiefe, wenn man mehr über die Hintergründe erfährt.

Alles in allem muss ich „Dune“ auf zwei Arten bewerten. Wenn man es nur als Roman nimmt, lässt es etwas zu wünschen übrig. Das liegt u.a. sicher auch daran, dass Frank Herbert ursprünglich zwei längere Geschichten oder Novellen geschrieben hat, die dann erst im Nachhinein zu einem Roman gebündelt wurden. Dieser Bruch ist durchaus zu spüren beim Lesen. Die Charakterisierung von Paul fällt mir zudem zu flach aus, und später im Buch fließt die Handlung für meinen Geschmack zu flüssig (alles passiert wie es geplant ist, das einzige unerwartete und eigentlich wichtige Ereignis passiert ausgerechnet off-page und wird dem Leser nur knapp weitererzählt – show, don’t tell). Aber gleichzeitig ist „Dune“ viel mehr als nur ein Roman. Es ist eine Mythologie, eine eigene Welt, und diese fasziniert mich sehr. Zusammen mit dem guten Schreibstil des Autors erklärt das meine doch recht hohe Bewertung. Ich habe das Buch wirklich gerne gelesen und überlege mir ernsthaft, vielleicht auch mal die vielen Bücher zu probieren, die Frank Herberts Sohn zusammen mit Kevin J. Anderson verfasst hat.

Fazit

Zurecht ein Klassiker und lesenswert, selbst wenn man die Handlung aus einer der Verfilmungen schon kennt. Man sollte allerdings politische Geschichten mögen, sonst hat man daran möglicherweise nicht so viel Spaß.

2 Gedanken zu „Frank Herbert: Dune

  1. Lieber JR,

    ich bin bei der Recherche nach Newsletter-PluIns auf einen Forumsbeitrag von Dir gestoßen, der mich auf Deinen Blog geführt hat. Und nachdem Du wohl sehr SciFi und Fantasy begeistert bist, möchte ich zunächst unseren neuen Webshop vorstellen: AECLYPTICQ I Die phantastische Bibliothek – Bücher, Hörbücher, Comics aus den Genres Fantasy, SciFi und Mystery.

    Und hier bin ich auf eine Besprechung von einem „ganz alten Schinken“ – von Dune! – gestoßen. Das ist echt super!

    Unser Shop ist seit Mai aktiv, wir führen ihn zu zweit und die Zugriffe steigern sich langsam (aber sicher). Ich mache parallel Pressearbeit und langsam entwickelt sich auch hier etwas. Wir werden zunächst keinen Blog an unseren Shop anschließen (nutzen WordPress zunächst nur für unseren Newsletter, falls das möglich ist) sondern haben nur die „Kundenbewertung“ aktiviert (wie hier, die Sache mit den Sternchen).

    Nun wollte ich mal hören: Ob Du eventuell Lust hast, Deine ein oder andere Besprechung auch bei uns zu posten? Gerne natürlich unter Angabe des Blogs, vielleicht finden sich so weitere Freunde?

    Ich freue mich über ein kurzes Feedback und grüße schön

    Barbara

  2. Wenn du Dune schon mochtest, dann kann ich die folgenden Teile absolut empfehlen. Ich persönlich fand Teil 1 deutlich am schwächsten und die folgenden Bände jeweils als eine Steigerung.

    Allerdings: Das bezieht sich nur auf jene Teil, die Frank Herbert geschrieben hat. Die neuen Bücher von Frank Herberts Sohn waren für mich sowohl vom Stil als auch vom Inhalt mehr als enttäuschend.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)