Keith R.A. DeCandido: Star Trek – Articles of the Federation

Cover Articles of the FederationRezension zu „Star Trek: Articles of the Federation“ von Keith R.A. DeCandido, ca. 395 Seiten, 2005, Pocket Books New York

Deutsche Ausgabe: „Star Trek: Die Gesetze der Föderation“, Cross Cult, 2010

Inhalt

Im Laufe der Tezwa-Krise trat Föderations-Präsident Min Zife überraschend zurück. Die anschließende Wahl gewann gegen Ende 2379 Nan Bacco, ehemalige Gouverneurin von Cestus III. Bacco tritt ein schweres Erbe an: Die über 150 Mitgliedsvölker der Föderation erholen sich immer noch von den Zerstörungen des Dominionkrieges, während das romulanische Reich im Chaos versinkt und ein schwieriger Erstkontakt für Probleme sorgt. Doch jenseits des anstrengenden Tagesgeschäfts warten noch ganz andere Probleme auf die resolute Präsidentin: Die Verfehlungen ihres Vorgängers lassen sich nicht so leicht beerdigen wie man im Palais de la Concorde gehofft hatte…

Bewertung

„Articles of the Federation“ ist eines der ungewöhnlichsten Star-Trek-Bücher, die ich bisher gelesen habe. Es ist nicht speziell ein TNG- oder DS9-Roman, vielmehr spielt es ähnlich der „Lost Era“-Reihe ganz allgemein im Star-Trek-Universum und wird größtenteils von neuen Charakteren getragen. Man kann das Buch eigentlich nicht treffender beschreiben als es der Autor im Nachwort tut: Es ist eine Star-Trek-Version von „The West Wing“. Wer diese US-Serie nicht kennt: Sie spielt im Weißen Haus und erzählt vom Tagesgeschäft eines fiktiven amerikanischen Präsidenten. Ich habe West Wing nie gesehen, aber die Serie soll wohl sehr beliebt und gleichzeitig auch sehr gut gewesen sein. Zu Bush-Zeiten hatte der fiktive Präsident Bartlet allemal bessere Umfragewerte als der echte Präsident.

Dieses Konzept überträgt DeCandido nun auf Star Trek. Er zeigt uns den Regierungsalltag der Föderation mit all seinen mehr oder weniger spannenden Facetten: Kabinettssitzungen und Tagungen des Föderationsrates, Diskussionen über Handelsvereinbarungen und die Besetzung von Ratsausschüssen, politische Intrigen und neugierige Reporter, militärische Krisen und diplomatische Herausforderungen. Während wir die Wendepunkte der Föderationsgeschichte sonst immer über die Schulter eines Starfleet-Captains zu sehen bekommen, werden sie uns hier aus der Perspektive eines Schreibtisches in Paris präsentiert. Im Mittelpunkt steht dabei Nan Bacco, die neue Präsidentin, der das Buch für ein Jahr folgt (mit kleinen Sprüngen über jeweils ein, zwei Monate). Bacco ist ein interessanter Charakter, der mich ein wenig an Laura Roslin aus Galactica erinnert. Sie ist resolut und steht zu ihren Prinzipien, hat jedoch bei vielen Ratsmitgliedern keinen leichten Stand. Der Rest des Castes besteht aus ihren Beratern, Redenschreibern, Pressesprechern, Starfleet-Verbindungsoffizieren etc., und ich muss zugeben, dass mich die Fülle der Charaktere doch ein wenig verwirrt hat. Das schadet dem Buch aber nicht wirklich – wäre man tatsächlich ein stiller Beobachter einer Regierung, würde einen die Fülle der Akteure sicher auch verwirren. Nebenbei haben auch einige bekannte Charaktere Gastauftritte, so etwa Admiral Ross und Botschafter Rozhenko.

DeCandido gelingt es auf faszinierende Weise, ein glaubwürdiges Bild der Föderationspolitik zu malen, wobei er sich auf erstaunlich wenig Informationen aus den fünf Serien und zehn Filmen stützen kann. Politik war dort offensichtlich nie ein Thema, und man kann an einer Hand abzählen, wie oft wir Details über das Funktionieren der Föderation erfahren haben. Genau genommen kennen wir gerade mal drei Präsidenten (Hiram Roth aus Star Trek IV, Ra-ghoratreii aus Star Trek VI und Jaresh-Inyo aus DS9), haben einmal kurz den Föderationsrat gesehen (Star Trek IV) und wissen sonst so gut wie nichts über die Interna der Föderationspolitik. Der Autor füllt diese großen Lücken mit vielen eigenen Ideen. Aus DS9 wissen wir etwa, dass das Büro des Föderationspräsidenten in Paris ist. Dieses Buch malt das weiter aus: Der Präsident residiert im obersten Stock des Palais de la Concorde, mitten in Paris (vermutlich anstelle des Arc de Triomphes), vierzehn Stockwerke über dem Föderationsrat. Das widerspricht einer Nebenbemerkung aus einer Voyager-Folge, aber die Welt des Palais ist so liebevoll ausgeschmückt, dass ich damit gut leben kann und das vermutlich als bleibendste Erinnerung von diesem Buch mitnehmen werde. Außerdem reicht es ja wohl, wenn sich die Starfleet-Welt komplett in San Fransisco befindet.

Die Handlung selbst hat dokumentarischen Charakter. Viele verschiedene Handlungsstränge vermischen sich, einige werden in der Mitte des Buches abgehakt, andere bleiben mehr oder weniger offen. Es gibt keine eindeutige Spannungskurve, die auf einen großen Showdown hinausläuft, denn nach der Krise ist vor der Krise wenn man Präsident der Föderation ist. Stellenweise ist vielleicht etwas zu viel Alltag mit reingerutscht, aber DeCandido ist ein exzellenter Autor, so dass es fast immer spannend bleibt. Ich persönlich fand allerdings auch gerade den Blick in den Alltag ungemein spannend. Allein mit dem Zählen, wie viele Völker als Föderationsmitglieder (jeweils repräsentiert durch ihr Ratsmitglied) bestätigt werden, konnte mich das Buch schon unterhalten. Auch witzig gemacht waren die Talkshow-Einblendungen zwischen den Kapiteln.

Zur Einordung: „Articles of the Federation“ spielt kurz nach „Star Trek: Nemesis“ und knüpft inhaltlich an den Neunteiler „A Time to…“ sowie den TNG-Roman „Death in Winter“ an. „Death in Winter“ muss man nicht unbedingt gelesen haben, „Articles“ bezieht sich nur auf die Entwicklungen der romulanischen Politik aus diesem Buch, nicht auf die eigentliche Handlung. Wer die „A Time To“-Reihe allerdings nicht kennt, wird hier relativ heftig für deren Hintergründe und die Auflösung gespoilert. Das sollte man also ggf. in der richtigen Reihenfolge lesen.

Das Buch hat im übrigen die längste Widmung, die ich je gesehen habe: Es ist ganzen 43 Leuten gewidmet, von George über Abraham bis hin zu George. Das ist eine sehr nette Idee, hat aber leider zur unangenehmen Folge, dass das dann wohl das einzige Star-Trek-Buch sein dürfte, das George W. Bush gewidmet ist. Naja, zu 1/43-stel immerhin.

Fazit

Spannend wenn man sich als Fan für die Details des Alltags im Star-Trek-Universum interessiert, insbesondere für die bisher wenig beleuchtete Welt der Politik. Wer mit Politik allerdings nichts anfangen kann, ist hier falsch, das Buch streift andere Themen nur am Rande.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)