Rezension zu „Star Trek: Tales From The Captain’s Table“, herausgegeben von Keith R.A. DeCandido, ca. 335 Seiten, 2005, Pocket Books New York
Inhalt
Das „Captain’s Table“ ist eine Bar, die außerhalb von Raum und Zeit existiert und zu der nur Raumschiff-Captains Zugang haben. Doch die wichtigste Regel des Captain’s Table ist, dass man seine Drinks nicht mit Geld sondernmit einer Geschichte bezahlt. Und so treffen sich hier Captains aus allen Epochen und erzählen eine Geschichte aus ihrem Leben. Von den Abenteuern eines Beagles im 22. Jahrhundert zur Besetzung Bajors im 24. Jahrhundert, von wichtigen Entscheidungen Captain Sulus zum Beginn der Karriere von Chakotay, von den Flitterwochen Captain Rikers zur Hintergrundgeschichte Captain Golds…
Bewertung
„Star Trek: Tales From The Captain’s Table“ ist eine Kurzgeschichten-Sammlung. Die titelgebende Bar ist das Konstrukt, das diese Geschichten zusammenhält. Es gab vorher schon eine sechsbändige Romanreihe, bei der in jedem Band ein Captain seine Geschichte erzählt hat. Deswegen sind einige der prominenteren Captains in dieser Sammlung auch nicht vertreten (Pike, Kirk, Sulu, Sisko, Janeway und Calhoun) bzw. erzählen eine Geschichte von einem anderen Schiff (Picards Geschichte handelt von der USS Stargazer).
Zuerst vielleicht einmal: Das Konzept der Bar an sich sollte man nicht zu ernst nehmen. Man darf wirklich nicht darüber nachdenken, dass da Archer und Shran im gleichen Raum mit Picard und Chakotay sitzen und sich theoretisch fleißig Notizen über die Zukunft machen könnten. Die „Rahmenhandlung“ ist aber auch dünn genug gehalten, dass man sie einfach als Gag am Rande ignorieren kann. Worauf es ankommt sind die Geschichten an sich.
Wie bei vermutlich jeder Anthologie ist die Qualität der Geschichten durchwachsen. Ich fand gerade das aber durchaus interessant: Man sieht sehr schön, wer wirklich schreiben kann und wer eher nicht, und bekommt so quasi einen kleinen Querschnitt durch die aktuellen Star-Trek-Autoren. Mich hat das wieder darin bestärkt, dass ich um einige Autoren einen großen Bogen machen werde und andere auch blind kaufen würde.
Was sonst noch erwähnenswert ist, ist die Art wie die einzelnen Autoren die Rahmenhandlung in ihre Geschichte integriert haben. Jeder geht das verschieden an, und auch das ist spannend zu beobachten. Mangels & Martin z.B. nehmen das Setting (eine Geschichte wird in einer Bar erzählt) sehr ernst und lassen die Zuhörer Riker alle drei Sätze unterbrechen. Das mag realistisch sein, stört aber beim Lesen ungemein. Heather Jarman dagegen lässt Kira ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive ohne Unterbrechung erzählen. Demora Sulus Geschichte von David R. George III geht wieder einen anderen Weg, der Autor vereinnahmt quasi die Rahmenhandlung für seine Geschichte (Sulu verfolgt einen Flüchtling in die Bar und ihre Geschichte dient vor allem dazu, zu diesem durchzudringen).
So, es folgen ein paar kurze Worte zu den einzelnen Geschichten. Ich versuche nicht zu sehr spoilern. 😉
William Riker: „Improvisations on the Opal Sea: A Tale of Dubious Credibility“ von Michael A. Martin and Andy Mangels
Captain Riker erzählt die Geschichte seiner abenteuerlichen Flitterwochen. Geniales Thema, da kann eigentlich nichts schief gehen, sollte man meinen. Aber die Geschichte wirkte auf mich unausgegoren und fängt nicht annähernd den Ton der Serie ein, finde ich. Das bestärkt mich in meiner Ansicht, um Martin & Mangels einen Bogen zu machen was Star-Trek-Bücher betrifft. Schon „The Sundered“ war nicht wirklich gut geschrieben, und über die Titan-Romane (wo die beiden häufig mitmischen) höre ich auch nicht die besten Sachen.
Jean-Luc Picard: „Darkness“ von Michael Jan Friedman
Friedman erzählt eine Episode aus der Zeit einige Monate nach dem Verlust der USS Stargazer. Merklich besser geschrieben als die erste Geschichte, aber inhaltlich fand ich es etwas arg konstruiert. Aber immerhin lesbar.
Elizabeth Shelby: „Pain Management“ von Peter David
Eine Geschichte von Shelby von der USS Trident. Peter David scheint irgendwann seinen Schreibstil gefunden zu haben, und den zieht er nun durch. Er schreibt routiniert und amüsant, und das auf hohem Niveau. Diese Geschichte gehört allerdings zur „New Frontier“-Reihe und kann nur bedingt für sich stehen: Wer die NF-Romane nicht gelesen hat, wird mit Shelby und Soleta nicht so viel anfangen können, und wer die Reihe liest, sollte aufpassen, die Geschichte zwischen den richtigen Romanen zu lesen (ich hänge da eine ganze Reihe Romane zurück und bin nun für alle möglichen Sachen gespoilert :-/).
Klag, son of M‘Raq: „loDnI‘pu‘vajpu‘je“ von Keith R.A. DeCandido
Keith R.A. DeCandido gibt Captain Klag, bekannt aus der TNG-Episode „A Matter of Honor“ und neuerdings den „IKS Gorkon“-Romanen, etwas mehr Background. Das wäre an sich nicht weiter spannend, aber DeCandido gehört zu den besten aktuellen Star-Trek-Autoren, und so ist sogar diese Klingonengeschichte interessant und flüssig zu lesen.
Kira Nerys: „The Officers‘ Club“ von Heather Jarman
Heather Jarman erzählt eine Geschichte aus Kiras Zeit im bajoranischen Widerstand. Dies ist eine der besten Geschichten des ganzen Buches, finde ich, denn die Autorin trifft einfach sowohl den Charakter als auch die Atmosphäre ziemlich genau.
Jonathan Archer: „Have Beagle, Will Travel: The Legend of Porthos“ von Louisa M. Swann
Louisa M. Swann liefert vielleicht nicht die beste, aber mit Abstand die unterhaltsamste Geschichte des Buches. Mehr kann ich da gar nicht verraten, außer dass sie die gestellte Aufgabe aus einem ganz anderen Blickwinkel angegangen ist. Und es passt am Ende sogar zu Archer und ist in dieser Länge genau richtig.
Demora Sulu: „Iron and Sacrifice“ von David R. George III
Meine Lieblingsgeschichte des Buches: Demora Sulu, die aus „ST Generations“ bekannte Tochter von Hikaru Sulu, erzählt von den Ereignissen, die dazu führten, dass sie das Kommando über die USS Enterprise (B) aufgab. David R. George packt gleich drei Erzählebenen in die Geschichte, welche aus der Ich-Perspektive geschrieben ist. Die Einbindung in die Rahmenhandlung gefällt mir ebenfalls sehr gut, und auch sonst ist das einfach gut und glaubwürdig geschildert. Thematisch kann man diese Geschichte übrigens gut nach „Serpents Among The Ruins“ vom gleichen Autor lesen.
Chakotay: „Seduced“ von Christie Golden
Christie Golden erzählt die Geschichte, wie Chakotay zur Sternenflotte kam. Das wurde in einer Voyagerfolge mal im Vorbeigehen erwähnt, hier gibt es nun die ganze Story. Gut geschrieben und eine ältere Demora Sulu hat ebenfalls einen Auftritt. Nur eine Sache stört mich: Dass Chakotays Stamm solchermaßen veralteten Vorstellungen von der Rolle der Frau anhängen soll, fällt mir schwer zu glauben. Bei allen Entwicklungen hin zu mehr Realismus in DS9 und Voyager würde ich doch gerne an der grundsätzlichen Star-Trek-Idee festhalten, dass die Menschheit des 24. Jahrhunderts sich weiterentwickelt hat.
David Gold: „An Easy Fast“ von John J. Ordover
Captain Gold stammt aus den „Starfleet Corps of Engineers“-Büchern, welche ich bisher noch gar nicht gelesen habe. Das macht es etwas schwer, diese Geschichte zu beurteilen. Ich bin nicht mal sicher, ob sie tatsächlich die Hintergrundgeschichte des Charakters darstellen soll, würde das aber annehmen. Ist auf jeden Fall ebenfalls gut geschrieben.
Fazit
Eine hübsche Sammlung an Kurzgeschichten aus dem Star-Trek-Universum. Nicht alle der zehn Geschichten sind gleich spannend oder gleich gut geschrieben, aber es gibt genug wirklich gute Geschichten darin, dass die Anthologie sich lohnt.