Sprachen in Serien: Y Gwyll und 100 Code

Heute wollte ich mal zwei Krimiserien kurz vorstellen, deren Verbindung in ihrem Umgang mit Sprache besteht. Sie handhaben das Problem eines mehrsprachigen Umfelds allerdings auf wirklich sehr verschiedene Weise.

Y Gwyll alias Hinterland

Y Gwyll„Y Gwyll“ ist eine britische Krimiserie, die im Westen von Wales spielt. Übersetzt bedeutet der Titel „Die Dämmerung“. Auf der BBC lief sie unter dem schönen Titel „Hinterland“, und bei der ARD machte man daraus das unglaublich unoriginelle „Mord in Wales“. Die Serie spielt in Aberystwyth an der Westküste und dreht sich um DCI Tom Mathias, gespielt von Richard Harrington, der dort mit seinem Team Mordfälle löst. Das Setting ist insofern interessant, als Aberystwyth der Ort in Wales ist, wo man am weitesten von London und Birmingham, von England entfernt ist. In den Valleys von Mittelwales leben tatsächlich noch Menschen, die mit Walisisch als Muttersprache aufwachsen, was in den Metropolen Cardiff und Swansea eher nicht der Fall ist.

Ich hatte nun gehört, dass die Serie auch auf Walisisch gedreht wird und mir deshalb die DVDs der ersten Staffel geholt. Walisisch ist eine sehr spannende Sprache, und ich hatte mich darauf gefreut, mehr davon in eine spannende Handlung verpackt zu hören. Am Ende war ich sehr verwirrt, wieso in der ersten Staffel quasi kein einziges Wort auf Walisisch gesprochen wurde. Und dann habe ich die Extras geschaut. Was hier passiert ist, ist relativ unglaublich: Die Crew hat diese Serie tatsächlich zweimal gedreht, Szene für Szene. Einmal auf Englisch, dann alles auf Anfang und das gleiche noch mal auf Walisisch. Am Ende lief dann die gleiche Episode als „Y Gwyll“ auf S4C und als „Hinterland“ auf BBC One!

Der Grund dafür ist sicherlich, dass man dem normalen englischsprachigen Zuschauer keine wichtigen Dialoge in Walisisch zumuten will, während man andererseits für den walisisch-sprachigen Sender S4C ja auch spannendes Material braucht. Trotzdem fand ich das absolut erstaunlich, dass jemand einen solchen produktionstechnischen Alptraum auf sich nimmt. Die normale Lösung wäre ja, einfach ab und an Gespräche mit Einheimischen in den Valleys auf Walisisch zu führen und zu untertiteln, während die Handlung in der Stadt und im Team auf Englisch stattfindet. Oder man könnte sich für eine Sprache entscheiden und die andere drüber synchronisieren. Da würde in Deutschland niemand auch nur überlegen, aber es wäre dann halt nicht perfekt lippensynchron.

Das hat im übrigen auch spannende Konsequenzen für die Schauspieler. Zum einen konnte man nur Schauspieler casten, die beide Sprachen fließend sprechen. In Wales ist Walisisch ein Pflichtfach in der Schule, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Großteil der Bevölkerung die Sprache wirklich fließend spricht. Außerhalb von Wales spricht die Sprache quasi niemand, also sieht man hier schon mal relativ exklusiv walisische Schauspieler. Spannend sind die Unterschiede bzgl. der Muttersprache: Richard Harrington wurde z.B. in einer englischsprachigen Familie groß, andere der Hauptdarsteller sind dagegen walisische Muttersprachler. So oder so dreht also ein Teil des Casts immer in einer Fremdsprache, was zu ganz anderen schauspielerischen Leistungen führt. Den Extras auf der DVD zufolge unterscheiden sich die Charaktere in den beiden Sprachfassungen deshalb auf subtile Weise, was Selbstsicherheit angeht.

Hinterland: Trailer – BBC Cymru Wales

Und jetzt noch mal auf Walisisch:

Y Gwyll/Hinterland | Extended Trailer – English subtitles (NEW Series)

Zur Serie: Wenn man keine Verbindung zu Wales hat, ist diese Serie eher nicht so spannend. Es gibt auf jeden Fall interessantere Krimiserien. Ich fand es dagegen wunderbar, mal wieder etwas von Wales zu sehen, zumal Aberystwyth eine der wenigen Ecken in Wales ist, die wir nie besucht haben. Die Serie macht allerdings auch nicht gerade Werbung für die Gegend, welche als komplett düster und hinterwäldlerisch rüberkommt. Selbst einige der Hauptcharaktere lassen durchblicken, dass sie eher nicht freiwillig dort wohnen und die Wochenenden in Cardiff verbringen. Das ist tatsächlich etwas Schade, denn ich bin sicher, dass auch Westwales ganz bezaubernd sein kann.

100 Code

100 CodeEinen komplett anderen Weg schlägt die deutsch-schwedische Coproduktion „100 Code“ ein. Statt einer Parallelität zweier Sprachen co-existieren sie hier als Teil der Geschichte, was man leider auch nicht oft sieht.

Zum Inhalt: In Stockholm treibt ein Serienmörder sein Unwesen, und Kommissar Mikael Eklund (Michael Nyqvist) bekommt Unterstützung vom New Yorker Cop Tommy Conley (Dominic Monaghan). Conley ist überzeugt, dass hier der gleiche Mörder am Werk ist, den er schon in New York gejagt hat und der seinen Partner das Leben gekostet hat…

Als deutscher TV-Zuschauer ist man es ja schon gewohnt, dass alle Sprachunterschiede bis hin zu Dialekten fröhlich wegsynchronisiert werden. „100 Code“ nimmt die Welt dagegen wie sie ist: Conley ist Amerikaner und spricht folglich nur eine Sprache, nämlich Englisch. Stockholm liegt in Schweden, folglich redet man dort Schwedisch. Als Schwede spricht Eklund aber natürlich gutes Englisch und kann insofern mit Conley kommunizieren. Wie im echten Leben wechselt die Serie munter zwischen den Sprachen hin und her. Wann immer Conley den Raum betritt erinnert er die Anwesenden genervt daran, dass sie bitte Englisch mit ihm reden sollen. Dann schalten die Dialoge eben auf Englisch um.

Wie beim Walisischen mag ich auch das Schwedische als Sprache. In beide Sprachen habe ich früher mal reingeschnuppert, beim Schwedischen immerhin ein halbes Jahr an der Volkshochschule. Ich liebe die Melodie dieser Sprache, weswegen wir in Cardiff z.B. auch die schwedische Wallander-Serie gerne im Original mit Untertiteln geschaut haben. Die schwedischen Teile von „100 Code“ sind untertitelt, womit ich kein Problem hatte, da ich eh sehr viel mit Untertiteln schaue.

Wirklich witzig wird das nun erst in der deutschen Fassung: Wie gesagt, wir synchronisieren gerne alle Sprachunterschiede weg, und eine Serie wie „100 Code“ kann man natürlich keinem deutschen Zuschauer zumuten. Folgerichtig spricht der New Yorker Cop Deutsch und der schwedische Kommissar auch. Alle reden also meistens Deutsch miteinander und ich habe keine Ahnung, was Conley in der deutschen Fassung anstatt „English please“ sagt. Es gibt aber einige Szenen, wo die schwedischen Charaktere plötzlich auf Schwedisch miteinander reden. In einer Besprechung z.B. ist es Teil der Story, dass sie trotz Conleys Anwesenheit auf Schwedich reden und er eben nicht weiß, was gerade besprochen wird. Das hat man dringelassen, und so schalten plötzlich die Charaktere, die sich sonst untereinander auf Deutsch unterhalten, plötzlich auf Schwedisch um. Ich bin nicht sicher (ist länger her, dass ich die Serie gesehen habe), aber ich nehme an, auch mit dem damit verbundenen Wechsel zur Originalsprache. Dieses ganze Konstrukt ist also halbwegs bizzar und sollte nur aus Neugier mal kurz angeschaut werden.

100 CODE

Zur Serie: „100 Code“ ist sehr spannend, aber für meinen Geschmack zu düster. Die dargestellte Brutalität der Mörder ist einfach zu viel des Guten (bzw. Bösen). Allerdings durchaus sehr spannend. Nyqvist und Monaghan sind beide exzellente Schauspieler, welche ihre konfliktreiche und unfreiwillige Arbeitsbeziehung sehr gut rüberbringen. Felice Jankell als Eklunds Tochter fand ich auch klasse. Die Serie hat ein halbwegs offenes Ende. Sie kann auch so für sich stehen, aber eine zweite Staffel wäre sicher spannend gewesen. Durch den Tod von Michael Nyqvist hat sich das aber vermutlich erledigt.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)