Eric Brown: Engineman

Cover EnginemanRezension zu „Engineman“ von Eric Brown, 637 Seiten, Solaris Books, 2010, Ersterscheinung 1994

Deutsche Ausgabe: „Das Nada-Kontinuum“, 1997, Heyne Verlag

Inhalt

Lange Zeit wurden riesige Raumschiffe von den sogenannten Enginemen durch das Nada-Kontinuum gelenkt. Doch nun beginnt die Keilor-Vincicoff-Organisation, die besiedelten Welten der Galaxis mit ihren Interfaces zu verbinden. Nur noch einen Schritt braucht man von einem Planeten zum anderen. Als die Big-Ship-Linien schließen, verliert Engineman Ralph Mirren wie so viele andere nicht nur seinen Job, sondern seine Existenz. Viele Enginemen beten das Nada-Kontinuum an, haben daraus eine Religion gemacht. Aber ob religiös oder nicht, sie alle sind süchtig nach dem Kick, den ihnen das Verschmelzen mit dem Kontinuum gibt. Als ein mysteriöser Fremder Ralph anbietet, für ihn ein Raumschiff zu steuern, hat Ralph kaum eine Wahl, als das Angebot anzunehmen. Genau wie die junge Ella Fernandez auf ihrem Weg nach Hause gerät er jedoch in ein gefährliches Abenteuer von Bedeutung für die ganze Menschheit…

Bewertung

Ich habe von Eric Brown bereits Kethani gelesen sowie die drei Bengal-Station-Romane. Insofern kannte ich Eric Brown als guten Autoren, der spannend schreiben kann, und hatte gewisse Erwartungen an „Engineman“. Das Buch lässt mich leider etwas zwiespältig zurück, in etwa so wie I Am Legend.

Zuerst zum Positiven: Eric Brown schildert hier mit viel Liebe zum Detail eine spannende SF-Welt. Die Menschheit ist ins All aufgebrochen, hat dort andere Rassen getroffen und viele Planeten besiedelt. Dem Autor gelingt es dabei hervorragend, die einzelnen Aspekte dieser Welt darzustellen, ohne dass das in längeren Infodumps ausartet. Gerade die Welt der Big Ships und der Enginemen ist stimmig und spannend geschildert, ebenso das von Alien-Pflanzen überwucherte Paris. Da stecken viele schöne Einfälle drin.

Das Buch hat zwei Hauptcharaktere, zwischen denen die Geschichte wechselt. Ralph Mirren steht für die Welt der Enginemen. In seiner Geschichte geht es um das Nada-Kontinuum, um die Abwicklung der alten Schiffslinien und die Einführung der Interfaces, aber auch um die religiöse Verehrung des Kontinuums und die Abhängigkeit der Engineman. Zugleich lernen wir Ralphs Bruder Bobby kennen, den „Time-Lapsed Man“. Bobbys Sinneseindrücke erreichen seit einem Unfall vor Jahren sein Gehirn nur mit 24 Stunden Verzögerung. Er sieht, hört, schmeckt also, was ihm gestern zur gleichen Zeit passierte. Das Konzept ist interessant, wenn auch nicht direkt realistisch. Es nimmt aber zum Glück keinen zu großen Raum im Buch ein.

Der zweite Hauptcharakter ist die junge Künstlerin Ella Fernandez, die für die politische Geschichte des Buches steht. Über ihre Reise in ihre alte Heimat lernen wir die repressive Danzig Organisation kennen, die einen unwillkürlich an Nazi-Deutschland denken lässt. Wir sehen den unbedeutenden Kolonialplaneten Hennesy’s Reach und lernen dessen Ureinwohner, die Lho-Darvo, kennen. Die Geschichte von Ella ist etwas geradliniger und mehr auf Spannung getrimmt als die von Ralph. Als Charakter fand ich sie auch spannend. Zufällig las ich eben auf der Seite des Autors, dass sie in den „Salvageman Ed“-Geschichten wohl ebenfalls vorkommt.

Nun zu meinem Problem mit dem Buch. Es liegt in der Auflösung begründet und ist schwer zu beschreiben, ohne das Ende zu spoilern. Ich sage es mal so: Es passiert gegen Ende der Geschichte etwas, was aus Sicht der Geschichte total Sinn ergibt. In sich ist das logisch. Aus meiner Sicht als nicht-religiöser Leser und mit Blick auf die täglichen Nachrichten aus allen Ecken der Welt finde ich diese Auflösung aber sehr problematisch, moralisch gesehen. Genau genommen ist es auch schon wieder spannend, mit welcher Selbstverständlichkeit und Konsequenz Eric Brown diese Auflösung präsentiert, denn wenn man das als Gedankenexperiment auf den Gemütszustand der verschiedensten Fanatiker unserer realen Welt überträgt, kommt man vielleicht ein bisschen näher dazu, ihre Beweggründe zu verstehen. Interessant, aber gruselig! Das macht es aber trotzdem nicht ok, so etwas unreflektiert als Auflösung eines SF-Abenteuerromans zu präsentieren, dessen Charaktere eben nicht als Fanatiker geschildert werden. Wie gesagt, das ist jetzt alles etwas vorsichtig umschrieben, um das Ende des Buches nicht völlig zu spoilern. Ich wäre aber sehr interessiert zu erfahren, wie andere Leser das Ende fanden!

„Engineman“ erschien bereits 1994. Die Ausgabe von 2010 enthält ein kurzes neues Kapitel (25) sowie 9 Kurzgeschichten aus dem Engineman-Universum. Letztere haben mich nicht so wirklich begeistert, da sie irgendwie allesamt schwerer zugänglich waren als der eigentliche Roman. Ich weiß, dass alle diese Geschichten vor dem eigentlichen Roman erschienen sind und sozusagen die Bühne für diesen vorbereitet haben. Trotzdem fand ich den Kontrast des sehr flüssig zu lesenden Romans und der etwas zähen Kurzgeschichten unschön, zumal das Buch dadurch viel dicker wirkt als es eigentlich ist. Von den 637 Seiten enthalten nur 435 den eigentlichen Roman.

Während des Lesens haben mich auch die Parallelen zu „Xenopath“ beschäftigt. Inhaltlich hat sich wohl der Autor bei „Xenopath“ von sich selbst inspirieren lassen. Kann man machen, wirkt aber schon etwas merkwürdig. Da „Xenopath“ später erschien, kann man das aber natürlich „Engineman“ nicht anlasten. Auf der anderen Seite fragt man sich unwillkürlich, ob „Engineman“ im gleichen Universum wie die Bengal-Station-Geschichten spielen. Sicher bin ich mir nicht, aber ich gehe schon davon aus. Es bleibt etwas vage, aber so wie die Raumfahrt in den Bengal-Station-Büchern beschrieben wird, würde ich sie etwas vor „Engineman“ ansiedeln.

Fazit

„Engineman“ ist ein gut geschriebenes und flüssig zu lesendes SF-Abenteuer mit einer problematischen Auflösung. Wenn man sich über solche Sachen ärgert, sollte man vielleicht doch besser zu den „Bengal Station“-Büchern greifen. Ansonsten ist „Engineman“ aber durchaus lesenswert.

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3 Gedanken zu „Eric Brown: Engineman

  1. Klingt trotzdem interessant genug, um mal reinzulesen, auch in die anderen Bücher von Eric Brown.

  2. Hallo!

    Der Roman klingt trotz der Kritik wirklich spannend. Ohne das Buch gelesen zu haben klingt die Auflösung für mich danach, als wollte der Autor da weiterdenken, was passieren könnte, wenn die Welt sich weiter so entwickelt, wie der Stand zu dem Zeitpunkt war, Auf jeden Fall klingt das nach nem Roman, den ich lesen sollte… fragt sich nur, wann ich dazu komme. 😀 Deine Rezensionen geben ne gute Liste ab, was ich alles noch lesen will… 😀

    Liebe Grüße

  3. Falls ihr das Buch gelesen habt, sagt auf jeden Fall mal Bescheid. Würde mich wirklich interessieren, wie andere das Ende fanden. Generell kann ich Eric Brown schon empfehlen, auch wenn es noch spannendere SF-Bücher gibt. Die Review zu „Leviathan Wakes“ bereite ich gerade vor…

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)