Jon Courtenay Grimwood: Felaheen – The Third Arabesk

Cover FelaheenRezension zu „Felaheen – The Third Arabesk“ von Jon Courtenay Grimwood, ca. 357 Seiten, 2008, Gollancz UK, Erstveröffentlichung 2003

Inhalt

Die Geschichte beginnt etwa sieben Monate nachdem Ashraf al-Mansur unverhofft aus einem US-Gefängnis freikam, in die Freihandelsmetropole El Iskandryia geflogen wurde und dort als ein Sohn des Emirs von Tunis zum Polizeichef gemacht wurde. Raf ist schon längst nicht mehr Polizeichef und auch nicht mehr Gouverneur der Stadt. Als Angehöriger der Oberschicht hat er automatische Privilegien, doch er hat keinen Job, kein Einkommen, keine Aufgabe. Obwohl Zara Quitrimala in die Madersa al-Mansur eingezogen ist, hat er keine Beziehung mit ihr. Raf ist relativ deprimiert und lebt in den Tag hinein, als er Besuch von Eugenie de la Croix erhält, der Leibwächterin des Emirs von Tunis, seines angeblichen Vaters. Auf den Emir wurde ein Anschlag verübt, und Eugenie möchte, dass Raf den Drahtzieher findet. Raf weigert sich, doch sieht bald ein, dass er kaum ein Wahl hat: Seine Mutter ist tot. Der Mann, den seine Mutter ihm gegenüber zu seinem Vater erklärt hat, ist ebenfalls tot. Wen soll er über seinen eigenen Ursprung befragen, falls der Emir sterben sollte?

Bewertung

Band 1 und Band 2 dieser Trilogie um Alexandria in einer Parallelwelt habe ich vor mittlerweile einigen Jahren gelesen. Nun habe ich mir endlich mal den Abschluss der Geschichte besorgt und gelesen.

Die ersten beiden Bücher haben mit dem farbenfrohen Setting El Iskandryias gepunktet, litten jedoch etwas unter dem wenig geradlinigen Erzählstil des Autors. Da wurde gleich auf mehreren Zeitebenen willkürlich hin- und hergesprungen, und vor allem im ersten Buch bekam man erst gegen Ende ein Gefühl, wer der Hauptcharakter Raf eigentlich ist. Bei Band 3 habe ich nun den Eindruck, dass der Autor die Probleme mit dem Erzählstil in den Griff bekommen hat, ohne bei den guten Seiten der ersten beiden Bücher Abstriche zu machen. Zum Beispiel läuft die Handlung relativ linear, unterbrochen von ebenfalls linear verlaufenden Flashbacks zur Geschichte von Rafs Mutter. Dem kann man gut folgen, was in Band 1 und 2 nicht immer der Fall war.

Gleich geblieben ist die lebensnahe Schilderung El Iskandryias und im weiteren Verlauf der Handlung auch Ifriqiya (Tunesien). Der Autor reichert das Bild aus den ersten beiden Bänden mit vielen spannenden Details an, und man kann diese Welt wirklich vor sich sehen. Ebenfalls ergänzt wird die spannende politische Konstellation dieser Parallelwelt. Wir erinnern uns: Hier hat das Deutsche Kaiserreich den ersten Weltkrieg gewonnen. Es besteht noch immer, genau wie das Ottomanische Reich. Die Welt wird aus Berlin und Paris regiert, aus London und Washington, aus Stambul und dem sowjetischen Moskau. Die Geschichte spielt in Nordafrika und insofern nicht im Zentrum des politischen Geschehens. Doch gerade durch die Flashbacks zur Geschichte von Rafs Mutter erfahren wir auch viel über diese Welt. Der Autor erinnert einen dabei immer mal wieder nebenbei daran, dass bei aller akkurater Beschreibung des Lebens in Nordafrika die Bücher in einer Parallelwelt und zudem in einer nicht näher datierten Zukunft spielen.

Schon Band 2 habe ich hauptsächlich gelesen, weil ich wissen wollte, wie die Geschichte für die etablierten Charaktere weitergeht. Hier liegt auch eine der Stärken dieses Buches: Man kennt die Charaktere und nimmt Anteil an deren Schicksal. Der Autor übertreibt es auch nicht mit Einführungen, ohne Band 1 und 2 gelesen zu haben, macht dieses Buch vermutlich nicht viel Sinn. Mehr als vorher spielt diesmal Hani eine Rolle, die ca. 10 Jahre alte Cousine von Raf, um die er sich kümmert. Hani ist einfach Klasse geschildert. Sie ist erkennbar ein hochbegabtes Genie und agiert auch als solches, doch gleichzeitig auch immer wieder mit kindlicher Naivität. Das ist einfach schön beschrieben. Auch alle neuen Charaktere sind spannend und realistisch geschildert, vor allem Rafs Mutter Sally, aber auch Moncef al-Mansur, Eugenie und Murad Pasha.

Der Fokus der Geschichte liegt natürlich auf Raf. Während Band 1 generell in diese Welt einführte und Band 2 sich eher anderen Themen widmete, dreht sich diese Geschichte wieder komplett um Raf und seine Vergangenheit. Wir wissen ja eigentlich nicht viel über ihn: Seine Mutter war Photographin und etwas unorthodox, er wuchs größtenteils in Internaten auf. Sein Gencode wurde mit allerlei Spielereien aufpoliert – Modifikationen, die mit einer 8000-Zeilen-Garantie kamen, wie er gerne betont. Dazu gehören besseres Gehör, besserer Geruchssinn, Lichtempfindlichkeit, ein photographisches Gedächtnis… In diesem Buch erfahren wir nun mehr darüber, wie es kam, dass sich Sally Welham mit dem Emir von Tunis einließ und wieso Bayer-Rochelle die Genmodifikationen an Raf bezahlte. Auch wieso Ifriquiya als einziges Land den UN-Vertrag zur Biodiversität von 2005 nicht unterzeichnete und wieso der Emir von Tunis seit seiner Hochzeit kein Wort mit seiner Frau gesprochen hat.

Das alles liest sich spannend und wird bis zu einer in meinen Augen brauchbaren Auflösung getrieben. Ich erinnere mich, dass mich das Ende des Buches ein wenig verwirrt zurückgelassen hatte. Nun habe ich es aber noch einmal gelesen und finde die Auflösung eigentlich ziemlich gut. So oder so können die drei Bücher damit gut für sich stehen, ohne dass nennenswerte Punkte ungelöst bleiben. Unterm Strich bleibt eine wunderbar konstruierte Welt mit liebevoll geschilderten Charakteren. Die Geschichte ist abgeschlossen und wird es wohl auch bleiben, denke ich.

Interessant ist auch, dass der Fox in Rafs Kopf wieder eine große Rolle spielt. Das geht diesmal so weit, dass der Fox Raf teilweise steuert, was meiner Erinnerung nach nicht recht zu den ersten beiden Bänden passt. Da mag mich aber mein Gedächtnis trügen, genauso bei der Frage, was der Fox eigentlich ist, die bisher meiner Meinung nach etwas anders beantwortet worden war. Ich habe die anderen beiden Bücher leider nicht hier, aber wer sie am Stück liest kann ja mal drauf achten.

Wenn ich Jon Courtenay Grimwoods Erzählstil als manchmal zu verworren oder kompliziert kritisiere, soll das übrigens nicht darüber hinwegtäuschen, dass er exzellent schreiben kann. Spannend, flüssig lesbar, mit Humor und einem Händchen für Charaktere. Er ist auch nicht zimperlich, was Sprache und Schilderungen von Sex und Gewalt betrifft. Wenn man allerdings mal seine neue Trilogie „The Assassini“ gelesen hat, sind die Arabesken dagegen echt harmlos. 😉

Letzter Fun Fact am Rande: „Felaheen“, der Titel dieses Buches, ist der Begriff für Bauern oder Arbeiter und im übertragenen Sinn für die Unterklasse, in Abgrenzung zur Oberschicht, welche ja im Titel des zweiten Buches, „Effendi“, vorkam.

Fazit

Ein gut gelungener und spannend zu lesender Abschluss einer empfehlenswerten Trilogie. Mindestens so gut wie Band 1 und besser als Band 2, rundet dieses Buch die Arabesk-Trilogie gekonnt ab und macht sie wirklich lesenswert, zumal wenn man wie ich Parallelwelt-Geschichten mag.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)