Rezension zu „Old Man’s War“ von John Scalzi, Tor Books New York, 2007, ca. 351 Seiten, Ersterscheinung: 2005 (US)
Deutsche Ausgabe: „Krieg der Klone“, Heyne Verlag, 2007, ca. 432 Seiten
Inhalt
Einige Jahrhunderte in der Zukunft: Die Menschheit ist ins All vorgestoßen und hat begonnen, andere Planeten zu kolonisieren. Der Konkurrenzkampf um Ressourcen ist jedoch brutal, denn die Menschen stießen im All nicht nur auf andere Planeten, sondern auch auf deren Bewohner. John Perry ist einer der Rekruten der Colonial Defense Force, welche für die Menschen diesen Kampf führt und die Kolonien verteidigt – und wie alle Rekruten ist er 75 Jahre alt. Ein langes Leben liegt hinter ihm, seine Frau ist tot und er hat auf der Erde nicht mehr viel zu erwarten. Doch im Dienst der CDF muss er zwei Jahre Krieg zwischen den Sternen überstehen, um dann ein neues Leben auf einer der Kolonien zu bekommen…
Bewertung
Ich habe in den letzten Jahren den Namen John Scalzi immer mal gehört, aber bisher noch keines seiner Bücher gelesen. Insofern war ich durchaus gespannt, und die Tatsache, dass Scalzi ein guter Freund von Wil Wheaton ist, hat natürlich gewisse Erwartungen geweckt. Gleichzeitig kenne ich die Klassiker der „Military SF“ ebenfalls nicht („The Forever War“ oder „Starship Troopers“), so dass ich zu diesen Klassikern keinen Vergleich ziehen kann. Das Buch muss also etwas für sich stehen.
Mal ganz grob heruntergebrochen: John Scalzis Schreibstil hat mich überzeugt, die kreierte Welt mit Abstrichen auch, seine Charaktere und die Story an sich jedoch leider nicht.
Zum Schreibstil braucht man nicht viel sagen. Scalzi beherrscht das Schreiben definitiv, das Buch liest sich flüssig und spannend. Die Sprache ist schnörkellos gehalten und der Humor trocken und bissig. Ob Scalzi immer so schreibt oder sich diesen speziellen Erzählstil zugelegt hat, weil „Old Man’s War“ deutlich als Military SF konzipiert ist, kann ich aktuell nicht sagen. Beides, vermute ich.
Scalzi schildert eine Welt, in der im All ein gnadenloser Krieg um Planeten und Ressourcen geführt wird. Manchmal wird auch einfach nur Krieg geführt, weil die Religion der außerirdischen Gegner das so vorsieht oder weil die Aliens menschliches Fleisch lecker finden. Da kommen wir schon zum ersten Kritikpunkt: Der Fokus des Buches liegt ziemlich ausschließlich auf dem Krieg gegen Aliens. Die Welt, die Scalzi kreiert, ist durchaus spannend, aber es hätte ihr sicher nicht geschadet, noch ein paar andere Details einzuflechten. Weniger „Military“, mehr „SF“, gewissermaßen. Wir erfahren bis auf zwei, drei Anekdoten nichts über das Leben auf der Erde und ebenso wenig über das Leben auf den Kolonien. Es wird ausschließlich die Welt aus der Sicht der CDF geschildert. Es gibt nicht einmal eine Jahreszahl, außer dass die Geschichte jenseits des Jahres 2200 spielen muss. Gibt es in dieser Welt noch Politiker? Journalisten? Künstler? Diplomaten? Dahingehend bleibt der Autor einiges schuldig. Aus Sicht des Lesers gibt es ausschließlich die CDF, die alle Fäden zieht.
Nichtsdestotrotz ist die geschilderte Welt mit vielen spannenden Ideen angereichert. Der „Beanstalk“, mit dem man ins All reist etwa, der Skip Drive oder die BrainPals. Letztere sind ein Computerprogramm im Kopf der Soldaten, und dessen Benutzung wird augenzwinkernd und voller Humor aber auch sehr realistisch geschildert. Die verschiedenen Aliens sind ebenfalls sehr phantasievoll beschrieben, nicht so sehr vom Erscheinungsbild sondern was die Kulturen und Mentalitäten betrifft. Und nicht zuletzt ist die Prämisse des Buches nicht so doof, wie sie zuerst klingt: Natürlich hat die CDF gute Gründe, wieso sie nur 75-jährige anwirbt, und selbstverständlich werden diese nicht als Greise in den Kampf geschickt. Da will ich aber auch nicht zu viel verraten.
Und nun zu den ernsteren Problemen des Buches. In meinen Augen hat der Autor die Geschichte einfach schlecht strukturiert. Lange Zeit folgen wir einfach Perrys Weg durch die Armee. Anwerbung, Reise ins All, Grundausbildung, erster Kampfeinsatz, zweiter Kampfeinsatz, dritter…. Da ist leider über lange Strecken gar nicht erkennbar, wo der Autor hin möchte mit dieser Geschichte, ein übergreifender Story Arc oder so existiert nicht. Wenn man sich damit abgefunden hat, dass der Rest des Buches aus anekdotischen Erlebnissen des Charakters bestehen wird, zaubert der Autor plötzlich eine dramatische Handlung aus dem Hut, die das Zeug zur Rahmenhandlung gehabt hätte. Er zaubert plötzlich neue Charaktere und emotionales Drama für Perry aus dem Hut. Mit all diesen Dingen hätte man eine wirklich spannende Handlung stricken können. Im Gegenzug hätte ich gerne auf die klischeehaften Erzählungen aus der Grundausbildung verzichtet. Leider kommt all das aber erst 100 Seiten vor Schluss des Buches auf und passt auch vom Tempo her nicht wirklich, um dann so richtig die Handlung des Buches zu übernehmen. Es ist eher wie eine wirklich lange Anekdote nach vielen eher kurzen.
Das zweite Problem für mich ist der Charakter John Perry. Perry war nie Soldat, durchlebt aber die Ausbildung mit Bravour und scheint auch in keinem der Kampfeinsätze irgendwelche Probleme zu haben. Jede Herausforderung wird mit einem Lächeln einfach so gelöst, das macht den Charakter schnell unglaubwürdig. Kaum mal reagiert er mit echten Emotionen, und wenn dann sind diese oft mehr behauptet als wirklich gezeigt („show, don’t tell“), auch wenn das bei einer Ich-Erzählung natürlich zwangsläufig schwieriger ist. Trotzdem wirkt Perry einfach glatt und leblos. Insbesondere stört mich, dass bis kurz vor Ende fast gar nicht auf seine Vergangenheit eingegangen wird. Auf der einen Seite heißt das Buch „Old Man’s War“, auf der anderen Seite wird Perry aber zu keiner Zeit als alter Mann geschildert. Er schöpft eben nicht aus Erinnerungen und Erfahrungen, er hängt an fast nichts aus seinem alten Leben und fängt ein komplett neues an. Es wird auch nie begründet, wieso Perry als Soldat so gut in seinem Job ist. Er ist es einfach, offenbar weder aufgrund seiner Ausbildung noch aufgrund seiner Erfahrungen.
Fast schon zu vernachlässigen ist, dass „Old Man’s War“ natürlich klassische Military SF ist und man hier keine Kritik am Militär finden wird. Irgendwann zwischen den ganzen Schlachten und dem ein oder anderen Massaker halten einige Charaktere kurz inne und fragen sich, ob das denn wirklich sein muss, die ganzen Aliens alle abzuschlachten?! Und dann zucken sie mit den Schultern und machen weiter. Dahingehend ist auch speziell bei Perry keine Entwicklung erkennbar, und seine kurze „Krise“ mit seinem Job wird auch wieder eher behauptet, finde ich. Dass das Buch großflächig aus expliziten Schilderungen von Blut, Knochen und spritzender Gehirnmasse besteht, muss ich wohl ebenfalls nicht weiter ausführen.
„Old Man’s War“ erschien zuerst online: John Scalzi stellte das Buch 2002 auf seiner Webseite online. Dadurch wurde der Tor-Verlag auf ihn aufmerksam, 2005 erschien das Buch dort als Hardcover. Es wurde 2006 für den Hugo Award for Best Novel nominiert. Mittlerweile gibt es mehrere Fortsetzungen.
Im übrigen: Was soll bitte der deutsche Titel? Wieso wird damit etwas vorweggenommen, das erst in Kapitel 4 passiert und das der englische Klappentext explizit nicht erwähnt?!
Fazit
„Old Man’s War“ ist gut geschrieben und schildert eine spannende Welt mit vielen spannenden Ideen. Die erzählte Geschichte und die Charaktere lassen aber doch zu wünschen übrig. Wenn man militärische SF-Geschichten mag, ist das Buch sicher trotzdem empfehlenswert, ansonsten wäre ich da vorsichtig. Alles in allem etwas Schade, denn das Buch liest sich gut und ich zumindest wollte es wirklich mögen.