Filmkritik: Die Weiße Rose

Die weiße RoseReview zum Film „Die Weiße Rose“, Deutschland, 1982

Regie: Michael Verhoeven, Schauspieler: Lena Stolze (Sophie Scholl), Wulf Kessler (Hans Scholl), Oliver Siebert (Alexander Schmorell), Ulrich Tukur (Willi Graf), Werner Stocker (Christoph Probst)

Inhalt

Sophie Scholl ist 20 Jahre alt, als sie mitten im Zweiten Weltkrieg von Ulm nach München kommt, um an der Universität zu studieren. Sie wohnt mit ihrem Bruder zusammen und lernt dessen Freunde kennen. Beide Geschwister sind mit der repressiven Politik des Nazi-Regimes nicht einverstanden, können dies jedoch mit niemandem diskutieren, zumal bald schon ihr Vater wegen einer unbedachten Äußerung über den Kriegsverlauf verhaftet wird. Doch eines Tages findet Sophie heraus, was ihr Bruder Hans im Haus eines befreundeten Künstlers wirklich macht: Im Keller steht eine Druckerpresse, auf der Hans und seine Freunde Flugblätter vervielfältigen. Unter dem Namen „Weiße Rose“ verteilen sie diese in München und rufen darin zum Widerstand gegen das Regime auf. Trotz der Gefahren hilft Sophie bei der Herstellung und Verteilung der Flugblätter…

Bewertung

Die Geschichte der Geschwister Scholl, die sich mit Flugblättern gegen das Nazi-Regime aussprachen und dafür hingerichtet wurden, kennt heute vermutlich jeder. Es gab aber eine Zeit, als ihr Schicksal der breiten Masse nicht bekannt war. Dieser Film von 1982 stellt die erste Verfilmung ihrer Geschichte dar. Den Film kann man entsprechend auf mehreren Ebene beurteilen: Einfach als Film, als Film über ein historisches Ereignis und zuletzt als Film über ein historisches Ereignis, der an einem bestimmten historischen Punkt gedreht wurde.

Die ersten beiden Ebenen sind schwer zu trennen. Wie gesagt, man kennt das Schicksal der Scholls bereits, wenn man den Film schaut. Für diejenigen, die es nicht kennen, macht Regisseur Michael Verhoeven aber bereits in den ersten Minuten klar, was mit Hans und Sophie Scholl, Christoph Probst, Alexander Schmorell, Willi Graf und Professor Huber passiert. Der Film beginnt mit einer Einblendung ihrer Fotos und den Lebensdaten. Man geht also nicht unbelastet an die Geschichte heran und fiebert mit den Charakteren mit, ob sie ihren Verfolgern entkommen werden oder nicht. Das ist insofern passend, als Michael Verhoeven die Geschichte sehr ruhig erzählt, fast schon dokumentarisch. Er bleibt an den Charakteren dran, versucht uns ihre Gefühle, Gedanken und Motivationen aufzuzeigen. Es gibt jedoch keine größeren Action-Sequenzen, keine dramatischen Verfolgungsjagden mit Schießerei, keine emotional aufwühlenden Folterszenen. Die ganze Atmosphäre ist sehr lebensnah und „normal“.

Geschwister Scholl

Insgesamt bemüht sich Verhoeven um einen realistischen Blick auf das Dritte Reich, das er als Kind ja noch miterlebt hat. Nazis sind hier größtenteils keine Abziehbilder wie in so vielen Hollywood-Filmen. Statt dessen bekommen wir einen sehr detaillierten Einblick in den Alltag in einem repressiven Regime. Aus ganz vielen Puzzleteilen ergibt sich dabei ein interessantes und beklemmendes Gesamtbild. Der Film zeigt uns ängstliche Menschen, Mitläufer, Verblendete, Unbekümmerte, überzeugte Parteimitglieder, Berufssoldaten und viele mehr. Es gibt einige Szenen an der Ostfront, aber der Hauptteil des Filmes spielt in München, wo 1942 der Krieg noch relativ weit weg war. Judenverfolgung und Verbrechen der Wehrmacht kommen kurz vor, aber der Film behält den Fokus auf den realen Biographien der Scholl-Geschwister. Da wird dann z.B. der Kauf von größeren Mengen Briefmarken zum Spannungsmoment oder der Diebstahl von Papier für die Flugblätter, aber auch das unbekümmerte Fahrradfahren durch die menschenleere Stadt während eines Bombenalarms.

Das Ziel des Filmes ist tatsächlich die Schilderung der historischen Ereignisse, nicht eine auf größtmögliche Dramatik zugeschnittene Geschichte zu erzählen. Und so werden alle Mitglieder der Weißen Rose mit durchaus viel Zeit eingeführt und man muss eine Weile zuschauen, um herauszufinden wer wer ist und wie sie alle zusammenhängen. Ich habe mich da zeitweilig auch etwas schwer getan, den Überblick zu behalten. Nichtsdestotrotz gibt sich das Drehbuch große Mühe, auch die Hauptcharaktere nicht alle über einen Kamm zu scheren, und so werden auch immer wieder Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gruppenmitgliedern herausgearbeitet. Soll man auf die Wehrmacht vertrauen oder nicht? Soll man zum bewaffneten Widerstand aufrufen oder nicht? Lohnt es sich Verbindungen in andere Städte aufzubauen oder ist das zu gefährlich? Die Mitglieder der Weißen Rose werden hier auf sehr nachvollziehbare Art als eigenständige Charaktere dargestellt.

Zur Einordnung in den historischen Kontext der Filmentstehung enthält die DVD ein spannendes Interview mit dem Regisseur. 1982 gab es durchaus schon Geschwister-Scholl-Schulen, es gab eine Briefmarken-Reihe zu ihrem Gedenken und die ein oder andere nach ihnen benannte Straße. Es gab aber auch die Ansicht des Bundesgerichtshofes, dass der Volksgerichtshof ein gültiges Gericht gewesen sei, weswegen die Mitglieder der Weißen Rose gleichzeitig als rechtskräftig verurteilte Verbrecher galten. Diesen Widerspruch wollte Michael Verhoeven mit seinem Film thematisieren. Er hat damit wohl auch einigen Wirbel ausgelöst und mit zu der 1985 erfolgten Einstufung des Volksgerichtshofes als Terrorinstrument des NS-Regimes durch den Bundestag beigetragen. Gleichzeitig haben Verhoeven und sein Co-Autor Mario Krebs viele damals unbekannte Details recherchiert, haben mit Angehörigen und Freunden gesprochen und durften in Tagebüchern der Scholls lesen. Der Film hat somit auch dazu beigetragen, ein umfassenderes und realistisches Bild der Weißen Rose einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen.

Werner Stocker

Für Highlander-Fans gibt es noch einen Extra-Grund, den Film zu schauen: Er ist einer der bekannteren Filme von Werner Stocker, dem 1993 verstorbenen Darsteller des Darius. Hier spielt er Christoph Probst. Wie alle Schauspieler (allen voran Lena Stolze) macht Stocker seine Sache sehr gut. Im Gegensatz zu z.B. „Rama Dama“ ist „Die Weiße Rose“ aber kein Werner-Stocker-Film, Probst ist ein Charakter von mehreren. „Die Weiße Rose“ war Stockers erster deutscher Kinofilm, den er mit 27 Jahren drehte. „Highlander“ entstand zehn Jahre später, so dass er hier ungewohnt jung aussieht und auch jugendlicher agiert als in seiner 2000 Jahre alten Highlander-Rolle. Ob es Sinn macht, den Film nur wegen Werner Stocker zu schauen, wenn man am Thema sonst kein Interesse hat, muss jeder für sich entscheiden. Stocker hat durchaus einige Szene für sich, aber er spielt eben nicht den Hauptcharakter.

Fazit

„Die Weiße Rose“ ist kein Film für einen vergnüglichen Popcorn-Filmabend und auch kein Film, den man unter Ausblendung des historischen Kontextes schauen kann. Es ist für sich genommen durchaus ein guter Film, aber er entfaltet seine Wirkung erst richtig, wenn man auch die Zeit seiner Entstehung Anfang der Achtziger im Blick hat. Dann ist er aber wirklich sehenswert, wenn man den ruhigen Erzählstil aushalten kann.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)