Der Wert von Journalismus

Heute mal nur ein ganz kurzer Gedanke: In einem Artikel auf heise.de über die Einstellung des gedruckten Independent wird aus einem Interview mit der Redakteurin Lisa Markwall zitiert:

Gleichzeitig finde es die Redaktion aber auch äußerst deprimierend, dass die Menschen zwar bereit seien drei Britische Pfund für eine Tasse Kaffee zu bezahlen, aber nicht 1,60 Pfund für den „fantastischen Journalismus“ des gedruckten Independent.

Dieses Argument hört man öfters, und ich finde es überhaupt nicht schwierig, diese Diskrepanz zu erklären. Meine Vermutung: Den meisten Menschen wäre der Genuss einer gut gemachten Zeitung dieses Geld durchaus wert. Allerdings nur, wenn man sie dann auch konsumieren kann. Bei mir zumindest scheitert das am Zeitmangel. Es gibt in meinem Tag einfach keine 30 bis 60 Minuten um eine mitteldicke Zeitung zu lesen, und das ist nicht erst so, seit ich Vater bin. Selbst als Student artete es in Stress aus, einmal die Woche 60 Seiten Perry Rhodan zu lesen. Seit ich Vollzeit arbeite, ist das quasi unmöglich geworden. Wann sollte ich eine Zeitung lesen? Früh, während ich meine Tochter für den Kindergarten fertig mache? Im Auto auf dem Weg zur Arbeit? In der Mittagspause, wenn alle Kollegen sich daneben unterhalten? Oder abends, wenn dann gegen 22 Uhr endlich mal Ruhe in der Bude ist? Not gonna happen.

Insofern hinkt der Vergleich von Kaffee und Zeitung einfach massiv: Zeitungsverlage stellen ein Produkt her, das auf den möglichst täglichen Konsum ausgerichtet ist (idealerweise mit Abo) und dessen Konsum zeitaufwendig ist. Coffee Shops stellen ein Produkt her, dass man so oft oder so selten genießen kann wie man möchte und dessen Konsum ggf. auch in 5 Minuten erledigt ist.

Eine Möglichkeit wäre es, eine Tageszeitung zu abonnieren, jeden Tag kurz auf die Überschriften zu schauen und sie ansonsten ungelesen ins Altpapier zu packen. Kann man machen, wenn man z.B. seine Lokalzeitung unterstützen möchte. Mir käme das jedoch wie Papierverschwendung vor und würde zudem ständig den Druck aufbauen, die Zeitung dann doch zu lesen. Statt dessen lese ich halbwegs regelmäßig tagesschau.de und heise.de, womit man über das große Weltgeschehen sowie alle News innerhalb meiner Branche schon mal ganz gut informiert ist. Für solchermaßen kompakte und trotzdem gut recherchierte Nachrichten würde ich sogar Geld bezahlen, was ich im Fall der Tagesschau über meine Gebühren ja auch tue.

Die Zeitungs-Redaktionen sollten meiner Meinung nach also aufhören, den Fehler nur bei den potentiellen Käufern zu suchen. Früher waren Zeitungen die einzige echte Informationsquelle, heute sind sie nur noch eine Informationsquelle von vielen, und eine sehr unpraktische dazu. Wohin die Reise für die Zeitungen geht, weiß ich auch nicht, das wird ja auch seit Jahren schon debattiert. Ich bin mir aber sicher, dass es nicht viel bringt, auf einem Geschäftsmodell zu beharren, für das es keinen Bedarf mehr gibt.

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3 Gedanken zu „Der Wert von Journalismus

  1. Der Vergleich mit dem Kaffee hinkt wirklich sehr. 🙂 Ich drück das mal so aus: eine Zeitung, die von mir gelesen werden will und für die ich freiwillig Geld ausgeben würde, müsste einen Volltext-RSS-Feed anbieten, denn die Internetseiten werden immer unlesbarer und ein Abo dürfte nicht zu teuer sein. Eine andere Option wäre, nur für den Artikel zu bezahlen, den man tatsächlich lesen will. Aber für mal eben nen Euro einem weiteren Risikofaktor eine Bankverbindung anvertrauen? Und außerdem liest man ja gerade, wenn man Nachrichten im Netz liest, nicht nur eine Zeitung.. wer soll denn das bezahlen? Papierzeitung käme für mich schon allein wegen der zu kleinen Schrift nicht in Frage, außerdem würde ich dann wohl auch nur bestimmte Artikel lesen und ansonsten nur die Überschriften. Das lohnt sich einfach nicht.

    Am peinlichsten find ich ja die Fälle, wo man zwar ein Abo für die Online-Ausgabe oder ePaper bekommen kann, man aber zusätzlich die Papierzeitung aufgedrückt bekommt, respektive die Papierzeitung abonnieren muss, um die Artikel online lesen zu können.

    So bleibe auch ich eher bei den kostenlosen Angeboten, und da sind gar nicht mal soo viele Zeitungen dabei, aber mir genügt das. Leider alle ohne Volltextfeed, was dazu führt, dass ich tatsächlich oft nur die Überschriften und den Anreißer lese. 🙂

  2. Ich finde das Format furchtbar, vollkommen unhandlich, von der Papierverschwendung gar nicht erst zu reden. Auf dem Kindle habe ich schon einige Male eine Zeitung gekauft, erst nur aus Neugier, dann aus Überzeugung, weil dieses Format genau dem entspricht, wie ich mir heute eine Zeitung vorstelle. Aber die Zeit zum Lesen beläuft sich bei mir auch gegen Null.

  3. Barrierefreiheit ist ein spannender Hinweis. Da hatte ich noch gar nicht drüber nachgedacht, aber theoretisch müsste sich das ja im Digitalen sehr einfach handhaben lassen. Müsste man halt wollen als Verlag. Einen passwortgeschützten Feed anzubieten sollte z.B. nicht so schwierig sein.

    Zum Thema bezahlen: Ich habe es nicht probiert, aber der de-facto-Standard ist wohl Blendle (https://blendle.com/signup/kiosk). Da registriert man sich bei einem einzigen großen Service und kann dann beliebige deutsche Zeitungen/Zeitschriften lesen. Das ist ja schon mal eine bessere Idee, als sich bei jeder potentiell interessanten Publikation ein eigenes Nutzer-Konto anzulegen.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)