Filmkritik: Skyfall

Teaserposter "Skyfall"Review zum Film „Skyfall“, UK / USA, 2012

Regie: Sam Mendes, Schauspieler: Daniel Craig (James Bond), Judi Dench (M), Javier Bardem (Silva), Ralph Fiennes (Gareth Mallory), Naomie Harris (Eve), Ben Wishaw (Q)

Inhalt

Der Film beginnt mit einem Einsatz von Bond und Eve. Der MI6 hat sich einen Datenträger mit den Deckidentitäten aller verdeckt ermittelnden NATO-Agenten stehlen lassen. Im Laufe des Kampfes gegen den Dieb bekommt Eve den Befehl, zu schießen, obwohl sie kein freies Schussfeld hat. Bond wird getroffen und fällt vom fahrenden Zug. Nach längerer, ergebnisloser Suche wird er schließlich vom MI6 für tot erklärt.

Wochen später: Ein unheimlicher Gegner hat es scheinbar auf M abgesehen, die wegen der Einsätze der letzten Zeit sowieso politisch unter Druck steht. Der geheimnisvolle Unbekannte hat scheinbar Insider-Kenntnisse und tritt auf die Bühne, indem er das MI6-Hauptquartier sprengt. Bond, der sich langsam von seinen Verletzungen erholt und nicht direkt scharf darauf ist, unter die Lebenden zurückzukehren, kann nicht anders, als nach London zurückzukehren und seiner Chefin beizustehen…

Bewertung

„Skyfall“ ist typisches Event-Kino: Großes Budget, groß beworben, praktisch jeder geht ihn sich anschauen und natürlich schaut man sich so einen Film im Kino an – auch in einem Jahr, in dem ich nur viermal im Kino war. Und bevor ich weiterschreibe muss ich klarstellen, dass „Skyfall“ spannend anzuschauen und überaus unterhaltsam war. Für einen Bond-Film ist er wirklich nicht schlecht und ich kann nicht behaupten, dass ich unzufrieden aus dem Kino gekommen wäre.

Aber: Wie so oft bei Bond hakt es am Script und der inneren Logik. Die Schauspieler geben sich alle Mühe, gerade Daniel Craig und Judy Dench glänzen wie immer. Die Produktion ist ansonsten auch makellos was Kamera, Effekte, Stunts, Locations etc. betrifft, und mit Sam Mendes hat man einen Regisseur, der sein Handwerk sichtbar versteht. Trotzdem fallen einem, je länger man über den Film nachdenkt, immer mehr Unstimmigkeiten auf, und dazu wollte ich hier hauptsächlich etwas aufschreiben. Alle anderen Reviews, die mir im Netz so begegnet sind, fallen ja überaus positiv aus (z.B. beim Wortvogel). Ich habe an einen guten Film aber durchaus den Anspruch, dass auch die Geschichte stimmt und einen Sinn ergibt.

Man kann übrigens fast alles, was ich vor vier Jahren zu Quantum of Solace geschrieben habe so stehen lassen. Daniel Craig ist ein guter Bond-Darsteller, und „Skyfall“ entspricht ebenfalls nicht den vielen über die Jahre aufgebauten Bond-Klischees. In dieser Hinsicht ist der Film sehr gelungen.

Warnung an alle, die den Film noch nicht gesehen haben: Schaut ihn euch besser erst an, ehe ihr hier weiterlest – ich werde im weiteren auch das Ende spoilern.

Ich bin mit dem Charakter James Bond noch nie warm geworden. Er wird uns als bester Geheimagent ihrer Majestät präsentiert, ist in Wirklichkeit aber eher ein grober, uneffektiver, psychopathischer Killer. An diesem Agenten ist wirklich nichts geheim. Das setzt sich in „Skyfall“ natürlich fort, vielleicht weil es so aus den Büchern kommt, vielleicht aber auch, weil sich dieses Schema irgendwie so eingefahren hat. „James Bond“ ist nicht „Mission Impossible“ oder „Alias“. Wie wir in „Skyfall“ erfahren, heißt James Bond tatsächlich James Bond – man sieht das Grab seiner Eltern, die auch Bond hießen. Er läuft also wirklich herum und bindet jedem, der es wissen möchte, seinen echten Namen auf die Nase? Ehrlich? Selbst wenn er keine Familie und Freunde hat, die er damit in Gefahr bringen könnte, wäre es nicht oft genug praktisch, wenn seine Aktionen zu keiner Regierung zurückverfolgt werden könnten?!

Sehr schön wird in „Skyfall“ geschildert, dass die dauernden Einsätze und sein Beinahe-Tod sich drastisch auf Bonds Fitness und seine Einsatzfähigkeit ausgewirkt haben. Die entsprechenden Szene fand ich sehr schön geschrieben und gespielt, bringen sie doch mal etwas Glaubwürdigkeit in die oft übertriebenen Bond-Filme. James ist halt nicht Superman, seine Wunden heilen nicht schneller als bei anderen Menschen. Leider schafft der Film es dann nicht, das Handlungsende etwas deutlicher als kapitalen Fehler Bonds darzustellen. Man kann das ja so zusammenfassen: Bond traut dem MI6 nicht mehr, da er von Silva wohl unterwandert ist (ist er?) und entführt deswegen M auf sein Landgut in Schottland, wo sie sich dann dem Gegner zu dritt stellen, mit einem sehr überschaubaren Waffenarsenal. Wenn man sich anschaut, was dann passiert und was Bond ja absehen kann, ist Ms Tod eine direkte Folge seiner schlechten Entscheidungen. Er hätte vielleicht schon durch eine Handvoll Heckenschützen auf den angrenzenden Hügeln vermieden werden können. Bond will also den MI6 raushalten. Gut. Aber kennt er sonst niemanden mehr, der binnen 24 Stunden oder so bei ihm sein kann? Hat er keine Kontakte zu einem lokalen Army-Stützpunkt, Marine-Kommandeur oder meinetwegen dem örtlichen Fuchsjagd-Verband? Irgendjemand? Das Filmende hätte ich mir dann eher so vorgestellt, dass Bond in schlechter Verfassung in einer Bar hockt und seine Erinnerungen an M im Alkohol ertrinkt. Stattdessen ist alles shiny, es gibt einen neuen M und Bond scheint der Meinung zu sein, einen guten Job geleistet zu haben.

Zur Auflockerung mal eine Kleinigkeit am Rande: Ich liebe den schottischen Akzent! Von Bond abgesehen (who knew?) taucht genau ein schottischer Charakter im Film auf – Kincade, der Verwalter von Skyfall Manor. Diese Rolle hat man mit einem Engländer besetzt, der sich nicht mal Mühe gibt, einen passenden Akzent zu fälschen. An der Stelle war ich dann doch arg enttäuscht. :-/

James Bond zu Hause

Und nun noch mal ein großer Kritikpunkt: Der Film lässt den MI6 wie einen Haufen Idioten aussehen. Klar, das passt zu Bonds eigener Unfähigkeit, geht mir dann aber doch etwas zu weit. Dass der MI6 es am Anfang schafft, eine Datenbank aller NATO-Geheimagenten zu verlieren, die undercover im Einsatz sind – geschenkt, irgendwie muss die Sache ja ins Rollen kommen. In UK werden Daten dieser Art sowieso jeden Monat in einem Vorort-Zug verloren. 😉 Aber dann geht es weiter: Q schließt einen fremden Laptop ans interne Netzwerk an. Bei der Großaufnahme seiner Hand, die das Kabel einstöpselt, dachte ich mir schon „oh, oh“ und sah die nächsten zehn Minuten Handlung vor mir. Nicht nur, dass das behauptete Genie Q diesen kapitalen Fehler begeht, er braucht dann auch noch lange Sekunden, zu kapieren, was er gerade getan hat. Das ruiniert diesen Charakter so halbwegs.

Aber es geht noch weiter: Man hat Silva in einen Glaskäfig gesperrt, der offenbar über kein nicht-elektronisches Türschloss verfügt. Wenn man so einen Schwachsinn schon baut, würde sich der Käfig dann nicht bei Stromausfall verriegeln anstatt aufzuspringen? Und weiter: Es stehen zwei Wachen bei Silva, einer im gleichen Raum und einer hinter einer weiteren Tür. Beide sind bewaffnet. Wie schaffen die es, sich von einem einzelnen, unbewaffneten Gefangenen umbringen zu lassen? Unterm Strich wirkt der MI6 auf mich wie ein Haufen Volldeppen, was doch nicht wirklich die Absicht des Autors sein kann. Da wäre es schön gewesen, wenn er bei der Konstruktion der Handlung etwas weiter gedacht hätte.

Überhaupt, die Handlung: Der Film ist rasant und spannend, aber wenn man ein, zwei Tage später darüber nachdenkt, ergibt vieles keinen Sinn. Insbesondere der Mittelteil der Handlung verwirrt mich nachträglich. Der MI6 nimmt Silva also gefangen, aber ihm gelingt mittels des Laptops, den Q idiotischerweise ans Netzwerk anschließt, die Flucht. Bond und Q theoretisieren zwischendurch, dass Silva genau das wohl geplant haben muss. Aber wieso sollte er? Alles, was er dann tut, ist durch die Kanalisation zu fliehen, Bond dabei mit einer megalomanisch sinnlosen Action-Szene etwas aufzuhalten, irgendwo auf Straßenniveau zu klettern und dann in ein Regierungsgebäude zu spazieren. Das hätte er aber doch auch einfach so machen können, ohne die ganzen Umwege!? Wann die Anhörung gegen M stattfindet, ist vermutlich kein zu großes Geheimnis, der Saal war ja voll genug. Und noch ein paar letzte Worte wechseln könnte er auch dort mit ihr. Da bleibt also leider das Gefühl zurück, dass die Handlung um die festgesteckten Actionszenen herum konstruiert wurde anstatt andersherum.

Unterm Strich ist all das doppelt ärgerlich, weil „Skyfall“ ansonsten ein so guter Film ist. Bond wird relativ realistisch als Mensch statt als Superheld dargestellt, seine anachronistischen Arbeitsmethoden werden thematisiert und es geht auch nicht mit Martinis und Bond-Girls gegen einen Super-Schurken, der die Weltherrschaft will. Der Film gibt sich stattdessen Mühe die Charaktere von Bond und M zu beleuchten, was durchaus gut gelingt. Auch toll: Der Kniff am Ende, mit dem die modernen Bonds die komplette Rolle rückwärts geschafft haben. Das macht trotz allem neugierig auf den nächsten Bond, der dann mal wieder hemmungslos „retro“ sein darf.

Fazit

Ein Fazit ist nicht leicht zu ziehen. Ich kann „Skyfall“ kaum schlechter bewerten als damals „Quantum of Solace“, und dem habe ich 4 von 5 Sternen gegeben. Was „Skyfall“ an innerer Unlogik mehr hat, macht er dafür mit echtem Interesse an seinen Charakteren wieder wett. Alles andere ist sowieso Kino auf höchstem Niveau, und wie erwähnt: Man geht nicht enttäuscht aus dem Kino, wenn man auch nur annähernd wusste, was für eine Art Film einen erwartet.

Links

„Skyfall“ bei IMDB.com

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)