Richard Morgan: Broken Angels

Cover Broken AngelsRezension zu „Broken Angels“ von Richard Morgan, Verlag Victor Gollancz London, 2003, 490 Seiten

Inhalt

Auf der Koloniewelt Sanction IV tobt ein Bürgerkrieg, und Takeshi Kovacs ist mittendrin. Offiziell kämpft die legitime Regierung gegen die Rebellentruppe von Joshua Kemp. Inoffiziell kämpfen vom Corporation-Kartell angeheuerte Söldner für die schwache Regierung. Kovacs hat von dem blutigen Krieg jedoch genug, und als sich ihm eine Gelegenheit bietet, von Sanction IV zu entkommen, ergreift er sie. Er trifft Jan Schneider, der ihm von einer unglaublichen Entdeckung erzählt: Zusammen mit der Archäologin Tanya Wardani hat Jan vor dem Krieg ein Artefakt der geheimnisvollen, ausgestorbenen Marsianer entdeckt. Das Artefakt stellt ein Tor zu den Sternen dar, und hinter dem Tor wartet ein Raumschiff der Marsianer! So eine Entdeckung ist den konkurrierenden Corporations jeden Preis wert, auch einen Needlecast zur nächsten Siedlungswelt plus maßgeschneidertem neuen Körper. Kleines Problem: Wardani, die das Artefakt als einzige bedienen kann, wurde von der Regierung interniert. Außerdem liegt das Artefakt mitten in umkämpften Gebiet. Nur mit der Hilfe einer der machthungrigen und skupellosen Corporations können Kovacs und Schneider zum Sternentor vordringen…

Bewertung

Dies ist Morgans zweites Buch um Takeshi Kovacs, nach „Altered Carbon“. Das erste Buch ist vom Stil bzw. der Atmosphäre her deutlich verschieden. „Altered Carbon“ hat uns Kovacs vorgestellt und in Morgans Welt eingeführt, angesiedelt im 26. Jahrhundert. Die Menschheit hat den Kosmos besiedelt, die Erde ist nur noch eine rückständige Welt unter vielen. Möglich wurde dies durch die Technologie, den Geist eines Menschen vom Körper zu trennen, über große Entfernungen zu übertragen und dort in einen (künstlichen) Körper wieder zu implantieren. Kovacs wurde uns vorgestellt als ein ehemaliger Söldner des Envoy-Corps, hochkonditioniert, hochgefährlich, pragmatisch und meist eher auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Er hat über die Jahrzehnte seinen Körper so oft gewechselt, dass die Erinnerungen an seine Jugend auf Harlan’s World zu verblassen beginnen.

„Altered Carbon“ nahm dieses faszinierende SciFi-Setting und erzählte damit prinzipiell eine Kriminalgeschichte. „Broken Angels“ spielt nun ca. 30 Jahre später und hat bis auf wenige Erwähnungen der Geschehnisse des ersten Buches keinen Bezug dazu. Die neue Geschichte spielt dagegen im Krieg und schildert einen Kommandoeinsatz. Das ganze ist also viel militärischer angelegt, auch wenn es nebenbei auch einige Rätsel zu lösen gibt.

Die Marsianer, deren Hinterlassenschaften hier eine zentrale Rolle spielen, wurden auch schon im ersten Buch erwähnt. Offenbar fanden die Menschen bei ihrem Vorstoß ins All auf dem Mars Navigationskarten einer untergegangenen Zivilisation. Die Menschheit folgte diesen Karten zu vielen bewohnbaren Planeten, und auf jedem einzelnen fanden sich Ruinen und Artefakte, teilweise auch mumifizierte Leichen. Viel mehr ist über diese Kultur jedoch nicht bekannt. Die Geschichte um den Fund des Sternentors und des Raumschiffs rückt „Broken Angels“ damit mehr in Richtung SciFi und ist durchaus spannend erzählt.

Ich persönlich hatte anfangs etwas Schwierigkeiten, mich in der Geschichte zurecht zu finden. Ich denke, das liegt an dem Einstieg, den der Autor gewählt hat. Er fängt gewissermaßen in der Mitte der Geschichte an und geht erst sehr spät (wirklich, buchstäblich auf den allerletzten Seiten) auf die Anfänge ein. Einige der Enthüllungen taugen als Auflösung offener Handlungsfäden, aber in Bezug auf Kovacs verstehe ich nicht, wieso nicht relativ früh im Buch klar gemacht wird, was er auf Sanction IV überhaupt tut. Das würde eine gewisse Orientierungslosigkeit vermeiden, während der man sich fragt, wie diese Geschichte nun mit dem ersten Buch zusammenhängt.

Davon abgesehen kann Morgan aber einfach gut schreiben und hat eine etablierte Welt, mit der er spielen kann. „Broken Angels“ kommt in dieser Hinsicht schneller in Fahrt als „Altered Carbon“, denn man kennt die grundlegenden Regeln dieser Welt, auch wenn Sanction IV als Handlungsort neu ist. Die Geschichte wird dabei flüssig und spannend erzählt. Morgan ist natürlich weiterhin nicht zimperlich, gegen Ende wurde es dann für meinen Geschmack fast etwas zu brutal.

Die Erfindung der Cortical Stacks verändert natürlich radikal den Umgang mit Leben und Tod und auch den Wert des Lebens an sich. Das erste Buch schilderte sehr schön, wie Reichtum darüber entscheidet, wie langlebig man ist, wie oft man sich einen neuen Körper oder ein Offsite-Backup leisten kann. „Broken Angels“ nutzt die Stacks vor allem, um mit virtuellen Umgebungen zu spielen. Ich bin gerade nicht sicher, wie intensiv das im ersten Buch vorkam, es passt jedenfalls sehr gut. Hier gerät dieser Aspekt leider etwas in den Hintergrund und jeder scheint sich neue Körper leisten zu können, was vielleicht einfach an der Auswahl an Charakteren liegt. Wenn ich drüber nachdenke kommt im ganzen Buch vermutlich keine einzige Person vor, die in dem Körper herumläuft, in dem sie geboren wurde. Bewusstseine werden hier eher zur Ware, die teilweise pro Kilogramm gehandelt werden (Gewicht der Stacks toter Soldaten). Selbst der Begriff „tot“ bekommt neue Bedeutungen, denn man ist nur so lange tot, bis einen jemand in ein Construct bootet oder in einen neuen Körper transplantiert. Das ist zum einen faszinierend ausgedacht, zum anderen nehmen das die Charaktere für meinen Geschmack alle etwas zu leicht hin. Hofft einfach jeder, dass der eigene Stack schon überleben wird?

Fazit

Eine spannende und durchaus gelungene Fortsetzung zu „Altered Carbon“, wenn auch mit einigen Mängeln. Das erste Buch um Takeshi Kovacs gefiel mir von der Geschichte her besser, aber ich mag den Charakter und Morgan schafft es, dass man auch die neuen Charaktere dieses Buches mag, selbst die eigentlich unsympathischen.

Links

Rezension zu „Altered Carbon“
Webseite des Autors

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)