James S. A. Corey: Leviathan Wakes

Cover Leviathan WakesRezension zu „Leviathan Wakes – Book One Of The Expanse“ von James S. A. Corey, Orbit Verlag, 2011, 561 Seiten

Deutsche Ausgabe: „Leviathan erwacht“, Heyne Verlag, 2012

Inhalt

Einige hundert Jahre in der Zukunft: Die Menschheit hat einen Antrieb entwickelt, der die Kolonisierung des Sonnensystems möglich macht. Erde und Mars befinden sich in dauerhafter Rivalität, während der Asteroidengürtel ausgebeutet wird, um die Kolonien auf den Jupiter- und Saturnmonden zu versorgen. Der Eisfrachter Canterbury empfängt auf einer Routinemission ein Notsignal des havarierten Schiffes Scopuli. Der Erste Offizier James Holden setzt mit einer kleinen Crew über und entdeckt die Überreste eines Massakers. Bald jedoch wird offensichtlich, dass die Täter wollten, dass das Wrack gefunden wird, und Holdens kleines Team bekommt gewaltige Probleme…

Derweil erhält Detective Miller auf dem Asteroiden Ceres einen Auftrag: Er soll die Tochter eines Industriellen finden und nach Hause bringen, notfalls gegen ihren Willen. Während auf Ceres wegen der Ereignisse um die Canterbury größere Spannungen ausbrechen, verbeißt sich Miller in diesen Auftrag, der ihn über kurz oder lang zur Scopuli führt. Und bald geht es um mehr als nur um ein Raumschiff oder eine verschwundene Tochter. Die Planeten des Sonnensystems steuern auf einen Krieg zu…

Bewertung

„Leviathan Wakes“ hat mich ziemlich beeindruckt und auch mehr als einmal länger wach gehalten als gut ist. Das Buch ist eine klassische Space Opera und gleichzeitig ein Polit-Thriller. Es kommt ohne mystische Elemente aus und zieht sich auch nicht zu sehr an technischen oder wissenschaftlichen Schilderungen hoch. Stattdessen sehen wir eine relativ realistische Zukunft, einige hundert Jahre von uns entfernt. Die Menschheit hat starke Antriebe entwickelt, aber keine Überlichtantriebe und keine Antigrav-Geräte. Gravitation gibt es auf den Schiffen und Stationen nur in den Teilen, die sich drehen. Auf einer Station wie Ceres wohnen die Armen deswegen innen und müssen ihren Alltag ohne Gravitation meistern.

Außerirdische spielen ebenfalls keine Rollen. Wie so oft ist hier der Mensch des Menschen schlimmster Feind. Die Autoren schildern auch schön die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen. Insbesondere die Belter ragen hier heraus. Die Menschen des Asteroidengürtels haben sich an die fehlende Gravitation körperlich angepasst, haben eine eigene Pidgin-Sprache entwickelt und sind in ihrer Mentalität sehr auf ihre Lebensbedingungen angepasst. Wenn an einem Ort wie der Ceres-Station das Wasser ausgeht oder die Außenhaut einen Riss hat, gibt es keinen Plan B. Auf Menschen, die im Dreck eines Planeten aufgewachsen sind, sind die Belter nicht gut zu sprechen.

All diese Details führen dazu, dass die Autoren die Raumfahrt hier sehr realistisch schildern. Das erinnert alles mehr an einen U-Boot-Thriller als an ein glänzendes Raumschiff wie die Enterprise und macht die erzählte Geschichte relativ glaubwürdig. Auch die Raumschlachten, die teilweise vorkommen, haben mich in der Hinsicht beeindruckt. Hier werden realistische Abstände eingehalten, der Angreifer ist nicht in Griffweite sondern 200.000 km entfernt, und wenn Torpedos abgefeuert werden, hat man mehrere Minuten Zeit sich auf den Tod vorzubereiten. Das geht soweit, dass tatsächlich später im Buch einer der Charaktere stirbt, einfach weil so etwas in einer Raumschlacht ohne Schutzschilde eben passiert. An diesem Punkt kannte man den Charakter bereits und dieses Ereignis schockiert doch etwas, macht aber die Geschichte um so vieles glaubwürdiger.

Nach einer Weile findet man sich als Leser so langsam in der Welt der politischen Intrigen im Sonnensystem zurecht. Antagonist ist zuerst die Martian Congressional Republic, deren Navy besser ausgestattet ist als die der anderen Fraktionen. Die Befürworter der Unabhängigkeit der äußeren Planeten haben sich folglich in den Untergrund zurückgezogen. Gerade der Gegensatz von Erde und Mars hat mich ganz stark an „Babylon 5″ erinnert. Die Stimmung dem Mars gegenüber und die Schilderungen der Raumschiffe lassen mich sehr an die Staffeln zwei und drei dieser tollen SF-Serie denken. Aber es ist schon mehr „inspired by“ als ein reiner Abklatsch. Es wird dann auch relativ schnell klar, dass hinter der Geschichte mehr steckt als es zuerst den Anschein hat.

Was die Charaktere betrifft haben wir zum einen Jim Holden und seine kleine Crew Naomi, Amos, Shed und Alex. Sie sind nicht die besten Offiziere der Navy, sondern verdienen sich ihren Lebensunterhalt auf einem Eisfrachter. Wie Holden am Anfang sagt, wenn man ganz unten angekommen ist, hat man nirgends anders hinzugehen und macht es sich dort eben gemütlich. So kommt Holden auch rüber, als jemand der durchaus viel Erfahrung hat, aber eben nicht gut genug war oder nicht genug Ehrgeiz hatte für eine steile Militärkarriere. Was ihm an Voraussicht fehlt, hat er vielleicht an Gerechtigkeitssinn etwas zu viel.

Die Geschichte um Detective Miller läuft für eine lange Zeit völlig separat. Millers Funktion ist es, uns in das Leben im Astroidengürtel und in die politischen Verwicklungen einzuführen. Er ist ein Detective, der sich für wesentlich besser hält als er tatsächlich ist. Genau deswegen bekam er den Fall „Julie Mao“, und als ihm das klar wird, wächst er über sich hinaus und verbeißt sich in diesen Fall. Seine Charakterisierung ist spannend, und anfangs haben die Szenen auf der Ceres-Station etwas von einem Noir-Krimi an sich. Später wachsen beide Storylines jedoch zusammen und es kommt noch ausreichend Space-Action dazu.

Das Buch war 2012 für den Hugo Award (Best Novel) und den Locus Award (Best Science Fiction Novel) nominiert. James S. A. Corey ist ein gemeinsames Pseudonym von Daniel Abraham und Ty Franck. „Leviathan Wakes“ ist der Beginn der Buchreihe „The Expanse“, die mittlerweile von Syfy auch als Serie verfilmt wurde. Letztere habe ich noch nicht gesehen, werde da aber bald mal reinschauen. Man merkt im übrigen an keiner Stelle, dass das Buch von zwei Autoren geschrieben wurde. Manchmal kann man ja relativ deutlich sagen, welcher Autor welchen Teil verfasst hat. Hier ist es eine homogene Geschichte, insofern ist das gemeinsame Pseudonym auch sinnvoll.

Fazit

Eine tolle spannende Space Opera! „Leviathan Wakes“ schildert das Leben im Weltall sehr realistisch, setzt jedoch im Zweifel auf Charaktere und Politik anstatt auf technische oder physikalische Schilderungen. Wenn man ein bisschen was für SF übrig hat, sollte man hier zugreifen und sich schon mal an den Gedanken gewöhnen, dass man dann die Folgebände auch noch lesen wird.

Links

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Bitte beachte die Kommentarregeln: 1) Kein Spam, und bitte höflich bleiben. 2) Ins Namensfeld gehört ein Name. Gerne ein Pseudonym, aber bitte keine Keywords. 3) Keine kommerziellen Links, außer es hat Bezug zum Beitrag. mehr Details...

So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)