MIB

Als ich letzte Woche aus dem Urlaub zurückkam, fiel mir sofort die kreisrunde, verbrannte Stelle im Garten auf. Gleich danach stach mir die Menschenmenge ins Auge, die sich auf meinem Rasen versammelt hatte. Ich näherte mich ihnen vorsichtig und erhielt auf meine Frage die Auskunft, dass sie hier auf die Rückkehr der Außerirdischen warten würden. Welcher Außerirdischen? Na die, die mit ihrem UFO diese Abdrücke hinterlassen hatten. Nachdem die Dinge soweit geklärt waren, ging ich erst einmal hinein.

Am Nachmittag, als die UFO-Gläubigen draußen anfingen Lieder zu singen, um die Außerirdischen anzulocken, begann ich ernsthaft zu überlegen, was ich gegen sie unternehmen könnte. Ich rief schließlich unser Lokalblatt an, weil ich dachte, dass es die Leute vielleicht zur Vernunft bringen könnte, wenn ein Reporter ihnen bestätigt, dass UFOs niemals so kleine Abdrücke hinterlassen würden. Man versprach mir, binnen zwei Stunden jemanden zu schicken.

Kurze Zeit später kam dann wirklich der versprochene Reporter. Mit seinem absolut unvoreingenommenen Sachverstand versicherte er mir, dass es sich bei meinem verbrannten Rasen zweifelsfrei um den stummen Zeugen einer nächtlichen UFO-Begegnung handele. Er versprach, ein paar Zeilen für seine Zeitung zu schreiben, dann verschwand er. Eine knappe Stunde später tauchte er wieder auf, diesmal trug er ein „Area 51″-T-Shirt und gesellte sich zu der restlichen Meute.

Gegen 19 Uhr begann die Menge sich zu zerstreuen, sie gingen tatsächlich zu ihren Autos. Ich begann mir schon Hoffnungen zu machen, doch ich wurde bitter enttäuscht: Sie waren nur ihre Zelte holen gegangen. Kurz darauf kamen zwei von ihnen und fragten, ob sie meine Toilette benutzen dürften. Natürlich lehnte ich diesen Schmarotzern ihre unverschämte Bitte rundweg ab. Doch als ich dann ihre flehenden Gesichter sah, ihr Betteln und das Klingeln von Geld in ihren Taschen hörte, ließ ich mich erweichen. Seitdem steht vor der Tür meiner Toilette eine Sammelbüchse.

Am nächsten Morgen prangte ein Bild meines Rasens auf der Titelseite. „Die Außerirdischen kommen!“ stand in großen Lettern darunter. Der Verfasser, kein anderer als der gestrige Reporter, brachte die Landung der Außerirdischen mit einem Entführungsfall in einer 250 km entfernten Stadt in Verbindung. Offenbar wusste er nicht, dass eben jenes vermeintliche Entführungsopfer am Strand von Mallorca gesichtet worden war. Der Artikel gipfelte in der Aufforderung an die US-Regierung, endlich die ganze Wahrheit über Roswell bekannt zu geben.

Als ich die Haustür öffnete, um nach den Campern zu sehen, starrte ich in mindestens fünf Kameras. Mikrofone reckten sich mir entgegen und eifrige Reporter schrien mir ihre Fragen zu: „Empfinden Sie es als Ehre, dass die Aliens gerade bei Ihnen gelandet sind?“ – „Wie lange haben Sie schon Kontakt zu den Außerirdischen?“ – „Erzählen Sie uns etwas über deren Heimatplaneten! Sie waren doch schon dort, oder?“

Ich versuchte ihnen zu erklären, dass es keine Außerirdischen gäbe, jedenfalls keine grünen Männchen in Fliegenden Untertassen, doch sie wollten mir nicht glauben. Also begann ich zu erzählen, wie ich damals bei Experimenten mit meinem neuen Videorecorder plötzlich Kontakt zu ihnen bekommen hatte. Sie hatten mich schon oft besucht, und schließlich war ich in Wirklichkeit die letzten zwei Wochen ja auch nicht in London, sondern auf Hafnoorsk, ihrem Planeten, gewesen. Mit dieser Geschichte gaben sie sich zufrieden und zogen ab.

Im Laufe des Tages kamen immer mehr von den UFO-Gläubigen. Zum Glück für sie steht mein Haus gleich neben einem großen, brach liegenden Gelände, dass jetzt immer mehr zum Campingplatz mutierte. Ich war nur mäßig überrascht, als ich mich nachmittags im Fernsehen erblickte. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, was nun begann. Noch am gleichen Abend besuchten mich drei Besitzer von Imbissbuden und fragten, ob sie ihre Wagen hier auf dem Gelände parken dürften. Gegen eine angemessene Standgebühr natürlich. In einem Anfall von Großzügigkeit gab ich ihnen die Erlaubnis.

Gleich danach klingelte es wieder. Diesmal war es ein Mann, der für eine geringe Provision als mein Manager arbeiten wollte. Er meinte, ich bräuchte unbedingt jemanden, der das Geschäft ein bisschen ankurbeln würde, und er hätte als ehemaliger Manager der Vulkan-Werften damit reichlich Erfahrung. Auch hier ließ ich mich überreden. Dann ging es Schlag auf Schlag. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich der Besitzer des benachbarten Geländes. Mein Manager hatte die Männer, die dort einen Souvenirladen errichten sollten, gleich mitgebracht. Die Sache begann, mir sympathisch zu werden, spätestens seit gestern Mittag Chris Carter anrief und mir die Rechte für meine Geschichte abkaufte. Er will daraus den nächsten X-Files-Kinofilm machen.

Heute morgen feierte unser Laden Eröffnung. Das Geschäft läuft gut, am begehrtesten sind die Schwarzweiß-Fotografien der betreffenden Rasenstelle.

Mittlerweile denke ich darüber nach, einige Videokameras aufzustellen, und dann Originalvideos der UFO-Landung zu verkaufen. Ich habe schon einen alten Science-Fiction-Streifen aus den 50gern entdeckt, in dem ein UFO vor einem Haus landet, dass meinem zum Verwechseln ähnelt.

Nervös machen mich nur die beiden schwarz-gekleideten Männer, die vorhin um mein Haus schlichen. Ich habe für einen Augenblick wirklich überlegt, hinauszugehen und den Leuten die Wahrheit zu erzählen. Während ich in London war, wollte ich rufen, hat meine Schwester hier eine Grillparty gefeiert, mit Lagerfeuer und was so dazugehört. Glücklicherweise hat mich ein Anruf von Harald Schmidt von diesem verhängnisvollen Gedanken abgebracht. Ich muss jetzt sofort los, damit ich mein Flugzeug noch erwische und heute Abend in seiner Show life und in Farbe die Wahrheit über meine UFO-Begegnungen berichten kann.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)