Der Beginn

Jem'HadarDie Straßen von Labrar lagen im Dämmerlicht. Hoch am Himmel stand ein weißer Zwergstern, der aber nur wenig Licht und Wärme spendete. Und bis zum Aufgang der zweiten Sonne würden noch einige Stunden vergehen.

Dementsprechend leer waren die Straßen, als Haska‘thuur auf das Administrationsgebäude zuging. Wie jeder Jem‘Hadar hatte Haska‘thuur eine humanoide Gestalt, sein haarloser Schädel konnte aber die reptilischen Vorfahren nicht verleugnen. Mehrere Knochenkämme liefen von den Augen bis zum Hinterkopf, und auch das Gesicht war vom Hals durch einen solchen Kamm getrennt. Haska‘thuur war der Kommandant der Jem‘Hadar-Truppen im Sektor Labrar. Seit Abschluss des Koalitionsvertrages sorgten die Jem‘Hadar auf der Heimatwelt der humanoiden Vorta für die nötige Sicherheit, während die Vorta sich vorwiegend wissenschaftlichen und politischen Aufgaben widmeten.

Die beiden Jem‘Hadar-Wachen grüßten ihren Vorgesetzten vorschriftsmäßig, als Haska‘thuur das Gebäude betrat, in den dritten Stock fuhr und sich bei dem Sekretär Dooklars meldete. Er wurde sofort vorgelassen, was ungewöhnlich war, denn normalerweise musste Haska‘thuur bei Dooklar, der Verbindungsoffizierin der Vorta zu den auf Vorth stationierten Jem‘Hadar-Truppen, lange warten. Aber andererseits war es schon ungewöhnlich, dass sie ihn zu so früher Stunde um ein Gespräch ersuchte.

Nach einigen Dienstangelegenheiten kam die Sprache auf die Politik. „Was halten Sie von der Entscheidung des Koalitionsrates, eine Strafexpedition nach Dosi Gura zu schicken?“ fragte sie.

Haska‘thuur überlegte einen Augenblick, ob es sich um eine Fangfrage handeln könnte, dann antwortete er vorsichtig: „Ich glaube nicht, dass es mir zusteht, die Entscheidungen des Koalitionsrates zu beurteilen.“ An Dooklars Mine sah er, dass dies nicht die Art von Antwort war, die sie hören wollte, deshalb fügte er hinzu: „Aber ich persönlich hätte erst einmal das Ende der Untersuchungen abgewartet. Es steht noch gar nicht fest, dass die Dosi Rakella Prime angegriffen haben.“

„Sprechen Sie ruhig weiter“, ermunterte ihn Dooklar und sah ihn dabei interessiert an.

Etwas mutiger geworden, fuhr der Jem‘Hadar fort: „Solange noch Zweifel an der Schuld der Dosi besteht, könnte ein Vergeltungsschlag der Koalition viele Feinde schaffen. Es ist mir, ehrlich gesagt, ein Rätsel, warum Dala‘ghar dieser Strafexpedition zugestimmt hat. Ich kenne Dala‘ghar persönlich. Seit er im Koalitionsrat für die Jem‘Hadar spricht, hat er es immer geschafft, die Interessen unseres Volkes und die der Koalition zu vereinen.“

Dooklar schwieg eine Weile, dann fragte sie: „Haben Sie von der Explosion der Labrar-Energiewerke gehört?“ Haska‘thuur war von diesem plötzlichen Themawechsel ziemlich überrascht, deswegen nickte er nur. Die Vorta fuhr fort: „Die Hauptversorgung der Stadt wird jetzt durch das neue Kraftwerk im Norden gewährleistet. Wussten Sie eigentlich, dass es bei der Explosion mehrere Tote gab?“

„Soweit ich weiß, waren es zehn Arbeiter“, antwortete Haska‘thuur immer noch verwirrt.

„Was Sie aber nicht wissen, ist, dass zur Zeit der Explosion eine Besichtigung des Kraftwerkes stattfand. Vier Abgeordnete des Parlaments von Vorth wurden dabei getötet. Diese Information wurde vor der Presse absichtlich geheimgehalten“, eröffnete sie ihm und fügte dann eindringlicher hinzu: „Hohe Militärs werden plötzlich in den Ruhestand geschickt und durch andere ersetzt, Personen verhalten sich untypisch, es kommt zu Unfällen und der politische Kurs der Koalition wird immer aggressiver. Die Wenigsten sehen diese Ereignisse im Zusammenhang, aber wer das tut, erkennt ganz deutlich, dass etwas auf Vorth vorgeht.“

„Dass etwas vorgeht?“ fragte der Jem‘Hadar verwundert.

„Ja. Das Gesamtbild, das sich ergibt, ist erschreckend: Jemand ist dabei, auf Vorth die Macht zu übernehmen.“ Haska‘thuur war nicht dumm, er hatte selbst bemerkt, dass sich in letzter Zeit einiges auf Vorth verändert hatte. Und doch hatte er die Veränderungen bisher nicht im großen Zusammenhang gesehen. Doch Dooklars weitere Ausführungen überzeugten ihn.

„Warum erzählen Sie mir das alles?“ fragte er schließlich.

„Ganz einfach. Wir brauchen Sie für eine bestimmte Mission.“

Haska‘thuur horchte auf. „Wir?“

„Es gibt noch mehr, denen die Veränderungen auf Vorth aufgefallen sind. Und die bereit sind, den oder die Unbekannten aufzuhalten.“

Haska‘thuur nickte nachdenklich und fragte dann: „Wie sieht diese Mission aus?“

„Wir haben eine Spur, die unter Umständen zu den Unbekannten führt. Sie wissen sicher, dass vor zwei Wochen ein Schiff der Delta-Staffel von den Sherrick vernichtet wurde.“

Dooklar sah ihn fragend an und Haska‘thuur nickte. „Ich habe die Aufnahmen gesehen. Die Rettungsschiffe fanden nur noch ausglühende Trümmer.“

Dooklar lachte bitter und schob ihm etwas über den Tisch. Haska‘thuur musterte den Gegenstand und meinte dann überrascht: „Das ist eine ID-Plakette. Delta-20, sie stammt also von einem der Soldaten an Bord des vernichteten Schiffes. Wo haben Sie die her?“

„Ein Mitglied unserer Gruppe entdeckte vorgestern diesen Soldaten – tot. Der Informant arbeitete im Thabori-Forschungskomplex und drang illegal in die tieferen Etagen vor. Dabei fand er den Toten.“ Als Haska‘thuur schwieg, fügte Dooklar noch hinzu: „Sie sollten wissen, dass es eine gefährliche Aufgabe ist. Unser Informant wurde entdeckt und verschwand gestern spurlos.“

Haska‘thuur sah sie ungläubig an, dann fragte er leise: „Was soll ich tun?“

***

Die Wachen dieses Nebeneingangs waren ausgeschaltet worden. Der südliche Stadtteil, in dem der Forschungskomplex errichtet worden war, galt normalerweise als relativ sichere Gegend, so dass die Wachen nicht mit einem Angriff gerechnet hatten. Haska‘thuur kam ungehindert bis zum Eingang.

Hier zeigte sich, warum gerade er für diese Mission ausgewählt worden war. Die Gruppe hatte zwar eine Zugangskarte für die inneren Sektionen des Komplexes von wer-weiß-wem erbeutet, aber zum Betreten brauchte man eine allgemeine Alpha-2-Sicherheitseinstufung. Und Haska‘thuur besaß als Sektorenkommandant der Jem‘Hadar-Truppen diesen Code. Damit gelang es ihm, die Tür zu öffnen. Er huschte ins Innere und sah sich schnell um, doch niemand war zu sehen. Hinter ihm schloss sich das Schott wieder, von nun an war er auf sich allein gestellt.

Kurz dachte er an seine Frau, die glaubte, er wäre auf einer außerplanmäßigen Truppenübung. Die Chancen hier lebend herauszukommen, waren nicht allzu gut. Doch Haska‘thuur wusste, dass er es auf keinen Fall schaffen würde, wenn er weiter hier herumstand und seinen Gedanken nachhing.

Deshalb konzentrierte er sich auf seine Mission, welche darin bestand, herauszufinden was in den Kellerlabors vorging und wie der Delta-Soldat aus dem angeblich explodierten Schiff gekommen war. Haska‘thuur machte sich auf den Weg. Ohne Zwischenfälle erreichte er den Antigravlift, der in die unteren Stockwerke führte. Hier in der Alpha-2-Zone waren noch keine besonderen Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden. Doch im Antigravschacht wurde es gefährlicher, denn es konnte jederzeit einer der hier arbeitenden Thabori den Schacht betreten. Haska‘thuur konzentrierte sich deshalb auf sein Symboflex-Organ, und innerhalb weniger Sekunden verschwammen seine Konturen, bis sie schließlich ganz verschwanden. Auf optischem Wege war er jetzt nicht mehr auszumachen.

Er schwang sich in den Schacht und schwebte abwärts, bis er die F-Sektion erreichte. Dort verließ er den Schacht. Hier begegnete er den ersten anderen Wesen: Zwei der insektoiden Thabori, ebenfalls ein Volk der Koalition, kamen aus einem Gang und verschwanden, ohne ihn zu bemerken, im Antigravschacht.

Haska‘thuur wandte sich der nahe gelegenen Sicherheitsschleuse zu, durch die er die Kernsektion dieser Ebene betreten konnte. Kurz kamen ihm Zweifel. Was, wenn es sich bei dem Soldaten nur um einen Überlebenden handelte, der vielleicht rechtzeitig mit einem Beiboot geflohen war? Doch er hatte keine Wahl, er war schon zu weit gekommen. Jetzt musste er es zu Ende bringen, so oder so.

Er trat vor den Sensor und schaltete ein Gerät ein, dass eine künstliche Gehirnwellenstrahlung emittierte, seine eigene überlagerte und gleichzeitig falsche ID-Daten an den Überwachungscomputer übermittelte. Verbunden mit einer Magnetkarte, die er von Dooklar erhalten hatte, konnte er so die zuständige Automatik überzeugen, dass er berechtigt war, diese Sektion zu betreten. Die Tür öffnete sich, und Haska‘thuur trat hindurch.

Er zog eine Waffe aus einer Tasche. Es war eine antike Projektilwaffe, mit der er in jedem offenen Kampf unterlegen wäre, doch etwas besseres hatte er nicht an den Wachautomatiken vorbeischmuggeln können, die nach Energiequellen scannten. Damit konnten sie jede Energiewaffe entdecken, nicht aber diese altertümliche Projektilwaffe.

Vor Haska‘thuur tat sich ein schier endloser Gang auf, der nur schwach beleuchtet und leer war. Von Dooklar hatte er erfahren, wo ihr Informant bei seinen illegalen Recherchen den toten Jem‘Hadar gesehen hatte. Er suchte die richtige Tür heraus und öffnete sie mittels eines Mikro-Impulsgebers. Die Tür glitt zischend zur Seite und gab den Blick auf das Innere des Raumes frei. Der Raum war stockdunkel, aber Haska‘thuurs Augen nahmen die Wärmestrahlung der Gegenstände auf, so dass sich ein Infrarotbild des Raumes ergab. Mit dieser Fähigkeit erkannte er einige laufende Computerterminals, mehrere Kühlkammern an der rechten Wand und schließlich nahm er auch den Körper wahr, der auf einer Liege in einer Ecke des Raumes ruhte. Nach der Körperwärme zu urteilen, lebte er noch, war aber zumindest stark geschwächt.

Bevor Haska‘thuur weitere Einzelheiten ausmachen konnte, vernahm er plötzlich Geräusche aus dem Nebenraum. Dort ging das Licht an, und Haska‘thuur konnte durch eine riesige Glasscheibe einen weiteren Laborraum sehen.

Ein Thabori hatte den anderen Raum betreten. Haska‘thuur wusste, dass der Thabori ihn nicht sehen konnte, deshalb kümmerte er sich nicht mehr um ihn. Sein Blick fiel auf den Körper, den er entdeckt hatte. Im Licht aus dem Nebenraum sah er, dass es sich um einen Jem‘Hadar handelte, und erst jetzt dämmerte es ihm, auf was er hier gestoßen war: Dies war definitiv keine Medosektion, eher ein Labor. Man hatte mit dem Jem‘Hadar Experimente angestellt!

Anhand der Plakette erkannte er ihn als einen Soldaten des Delta-Schiffes. In seinem Hals klaffte eine große Wunde, aus der ein Schlauch zu einem Behälter mit einer weißen Flüssigkeit führte. Die Flüssigkeit wurde dem Jem‘Hadar auf diesem Wege ständig zugeführt. Haska‘thuur konnte nichts für ihn tun, der Jem‘Hadar würde diese Nacht nicht überleben. ‚Wie barbarisch‘, dachte Haska‘thuur verbittert, und gleichzeitig wurde ihm klar, dass er dieses Gebäude nicht lebend verlassen würde, sollte er entdeckt werden. Wer immer dies auch getan hatte, konnte auf keinen Fall riskieren, dass es an die Öffentlichkeit kam.

Plötzlich hörte er weitere Geräusche von nebenan: Ein Vorta hatte den Raum betreten. Haska‘thuur erkannte ihn sofort: Es war Lakool, der Forschungsminister von Vorth. Langsam begriff Haska‘thuur, wie Recht Dooklar mit ihren Vermutungen gehabt hatte: Auch Lakool hatte seinen Posten erst vor einigen Monaten erhalten, nachdem sein Vorgänger plötzlich einer Krankheit erlegen war.

Haska‘thuur näherte sich vorsichtig der leicht geöffneten Verbindungstür, um zu hören, was Lakool und der Thabori zu besprechen hatten. Ohne ein Wort der Begrüßung ging Lakool gleich zum Grund seines Hierseins über: „Ihr hattet Erfolg?“ verstand Haska‘thuur.

„Ja, Erhabener.“ Das war die zirpende Stimme des Thabori. „Die chemische Struktur ist stabil und die ersten Tests fielen positiv aus.“

Der Thabori wies in den Hintergrund, wo ein weiterer Jem‘Hadar auf einer Liege festgebunden war. Lakool näherte sich dem Bedauernswerten. Haska‘thuur glaubte, Verachtung in seiner Haltung wahrnehmen zu können. Auf jeden Fall hatte Lakool eine unheimliche Ausstrahlung, die sich auch in seinem kalten Tonfall widerspiegelte. Er trat an die Liege heran und betrachtete den Schlauch, durch den auch diesem Jem‘Hadar die weiße Flüssigkeit zugeführt wurde.

„Lässt sich das Enzym in Massenproduktion herstellen?“ hörte Haska‘thuur ihn fragen. Der Thabori antwortete eilig: „Ja, Herr. Sobald wir die Feinabstimmung der chemischen Zusammensetzung beendet haben.“

„Gut. Alle Unterlagen über den Forschungsprozess, der zur Entdeckung des White führte, müssen vernichtet werden. Niemand außer uns darf in der Lage sein, das White zu synthetisieren.“

Der Thabori fügte vorsichtig hinzu: „Da gibt es aber noch ein Problem: Die Abhängigkeit vom Ketracel White lässt sich leicht in den Gencode der Jem‘Hadar implantieren, aber diese Sequenzen lassen sich nicht vererben. Der Organismus der schwangeren Jem‘Hadar-Frauen filtert sie einfach heraus.“

Lakool erwiderte ohne zu zögern: „Dann müssen die Jem‘Hadar eben künstlich gezüchtet werden. Für ein Kriegervolk sind Frauen sowieso von geringem Nutzen.“ Der Thabori zirpte zustimmend.

Lakool wandte sich direkt an das insektoide Wesen und sah es mit seinem stechenden Blick an. Seine Stimme schien noch um einige Grad kälter zu werden. „Dein Volk kennt seinen Auftrag. Diesmal muss ihnen der Gehorsam eingebrannt werden, bis in die tiefsten Tiefen ihrer genetischen Struktur. Die Ordnung der Dinge muss für sie wichtiger werden als ihr Leben. Nie wieder darf es zu einer Rebellion wie auf Rakella Prime kommen.“

Haska‘thuur stand im Nebenraum und lauschte ohnmächtig dem Gespräch. Er war noch nicht in der Lage, ganz zu begreifen, was er da hörte. Sein Verstand konnte all diese Ungeheuerlichkeiten nicht auf einmal verarbeiten.

Benommen lehnte sich Haska‘thuur gegen einen Schrank, der dabei ein knarrendes Geräusch von sich gab. Sofort verharrte er in bewegungslosem Entsetzen. Einige Sekunden vergingen, doch nichts regte sich nebenan. Lakool und der Thabori besprachen noch Details der Forschung. Die Ohren der Vorta waren anscheinend doch nicht so gut, wie sie aussahen.

Langsam entspannte sich Haska‘thuur, und seine Gedanken setzten wieder ein. Abhängigkeit, Gencode der Jem‘Hadar, das hatte zweifellos etwas mit den Experimenten zu tun. Und der Aufstand auf Rakella Prime? Langsam dämmerte es Haska‘thuur, dass die Dosi tatsächlich unschuldig an diesem Überfall waren. Wenn die Jem‘Hadar auf Rakella gemeutert hatten…

Aber welchen Grund hätte es für solch eine Meuterei gegeben? Den Jem‘Hadar ging es gut, seit sie der Koalition beigetreten waren. Und die Vorta würden doch nicht eine ihrer wichtigsten Kolonien zerstören, nur um einige Aufständische zu vernichten, oder? Haska‘thuur dachte mit Grausen an den Jem‘Hadar, der hinter ihm im Sterben lag und war sich dessen plötzlich nicht mehr sicher.

Nur am Rande bekam Haska‘tuur mit, wie Lakool und der Thabori den Nebenraum verließen. Haska‘thuur zwang sich, alle seine Gedanken beiseite zu schieben und sich auf seine jetzige Situation zu konzentrieren. Vorsichtig trat er auf den Gang hinaus, und sah gerade noch, wie Lakool in einer großen Tür auf der anderen Gangseite verschwand.

Einen Moment zögerte er. Das Vernünftigste wäre gewesen, sofort den Komplex zu verlassen, um Dooklar von den Vorfällen zu berichten. Doch andererseits, was wusste er schon wirklich? So schnell würde man niemanden mehr hier herein schmuggeln können, also musste er so viel wie möglich in Erfahrung bringen. Haska‘thuur setzte sich in Bewegung, trat auf die Tür zu, durch die der Vorta verschwunden war. Mit der Hand umklammerte er seine Waffe, dann betätigte er den Öffnungskontakt.

***

VortaDie Tür glitt vor ihm zur Seite und gab die Sicht auf ein großes Büro frei. Lakool stand an einer Konsole und wandte ihm den Rücken zu. Doch beim Geräusch der sich öffnenden Tür drehte er sich um.

Er wirkte nicht erstaunt, obwohl er den Grund, warum die Tür sich öffnete, nicht sehen konnte. Haska‘thuur wusste, dass er von Lakool nur etwas erfahren würde, wenn er sich zu erkennen gab. Er konzentrierte sich auf sein Symboflex-Organ und im selben Augenblick wurde er für Lakool sichtbar. Immer noch wirkte der Vorta nicht im mindesten erstaunt, er fragte nur mit seiner kalten Stimme: „Was machen Sie hier, Jem‘Hadar?“

Haska‘thuur war über die Ruhe Lakools etwas besorgt, doch er hob entschlossen seine Waffe und richtete sie auf den Vorta. Dann sagte er, so ruhig er konnte: „Sie wissen sicher, dass ich Sie damit ohne weiteres töten kann. Und jetzt möchte ich wissen, was hier unten vorgeht, wozu die Experimente dienen und was auf Rakella Prime geschehen ist.“

Der Vorta verzog sein maskenhaftes Gesicht zu einem kalten Lächeln und antwortete: „Sie sind ja erstaunlich gut informiert.“ Und nach einer kleinen Pause: „Nun gut, es schadet nichts, wenn Sie es erfahren. Auf Rakella Prime wurde eine Regierungsverschwörung aufgedeckt. Die gesamten Jem‘Hadar-Truppen des Planeten rebellierten daraufhin, bevor sie von einer Flotte der alliierten Caremma vernichtet wurden.“ Er trat einen Schritt auf Haska‘thuur zu, doch der hob warnend die Waffe.

Lakool fuhr fort: „Und damit so etwas nie wieder geschehen kann, haben wir Maßnahmen ergriffen. Die Jem‘Hadar werden in Zukunft nur noch künstlich gezeugt werden und von der Substanz Ketracel White abhängig sein. Ihr Gehorsam uns gegenüber wird ihnen zur zweiten Natur werden, wenn er erst einmal in ihren Gencode eingefügt ist.“

Entsetzt stand Haska‘thuur da, unfähig einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Seine schlimmsten Befürchtungen hatten sich also bewahrheitet. Dass die Vorta zu solch abscheulichen Verbrechen in der Lage waren, hätte er sich früher nicht im Traum vorstellen können. Doch „früher“ war jetzt vorbei, mit dem, was er wusste, war die Koalition in ihren Grundfesten bedroht. Er musste sein Wissen an die Öffentlichkeit bringen. Und dazu gab es nur einen Weg.

Er richtete die Waffe auf den Vorta, doch er zögerte. Er war zwar Soldat, aber er sträubte sich dagegen, einen Unbewaffneten quasi zu exekutieren.

„Sie haben keine Wahl. Wenn Sie hier lebend herauskommen wollen, müssen Sie schießen“, meinte der Vorta. Haska‘thuur dachte wieder an seine Frau. Er wollte sie wiedersehen, sie und die Kinder. Er warf seine moralischen Bedenken über Bord und drückte ab. Drei Projektile, gefüllt mit einem chemischen Explosivstoff, verließen den Lauf der Waffe. Doch was nun passierte, überstieg den Verstand Haska‘thuurs.

Lakools Körper begann sich zu verformen, blitzschnell bildete sich ein Loch in seinem Oberkörper, die drei Projektile durchflogen dieses Loch und explodierten an der Wand hinter dem Vorta. Dem Vorta? Kein Vorta konnte seinen Körper so verformen, das war absolut unmöglich. Haska‘thuur wurde noch im selben Moment von den Füßen gerissen, als sich die Arme des Wesens in zwei Pseudopodien verwandelten, die zu ihm herüberwuchsen und ihn mit unglaublicher Kraft an die Wand drückten.

Der restliche Körper war jetzt etwas geschrumpft, hatte aber immer noch die Gestalt Lakools. Er kam zu Haska‘thuur herüber und blickte ihn voller Verachtung an: „Du hattest schon verloren, als du den Raum betratst, Jem‘Hadar!“ Haska‘thuur verstand gar nichts mehr.

„Du bist ein Wechselbalg“, murmelte er ungläubig.

„So ist es, Solid.“

„Aber ihr seid Sagengestalten, mit denen man kleine Kinder erschreckt“, kam es von Haska‘thuur.

„Offensichtlich nicht!“ meinte der Formwandler zynisch. Er beugte sich ganz dicht über Haska‘thuur und flüsterte: „Wir sind überall. Und eines Tages werden wir euch Solids vollständig kontrollieren. Dann wird wieder Ordnung in der Galaxis herrschen.“

Das waren die letzten Worte, die Haska‘thuur hörte. Er sah noch, wie der Formwandler sich wieder vollkommen in Lakool zurückverwandelte. Die Pseudopodien wurden wieder zu Armen, doch die Finger lagen noch um Haska‘thuurs Hals und jetzt begannen sie, zuzudrücken. Mit der Kraft eines Schraubstockes schnürten sie ihm die Kehle ab. Haska‘thuur versuchte, sich zu wehren, doch der Fremde war stärker. Sein letzter Gedanke galt seiner Familie und seinem Volk. Er hatte versagt, sein Wissen würde in wenigen Sekunden mit ihm untergehen und niemand konnte dann das Unheil noch aufhalten. Es dauerte nicht lange, dann wurde Haska‘thuur ohnmächtig.

Der Formwandler ließ von ihm ab, nahm einen Desintegrator vom Schreibtisch und zerstrahlte den Jem‘Hadar.

‚So berechenbar‘, dachte er. Diese Solids waren einfach zu berechenbar. Niemand auf Vorth würde merken, dass die Macht von Wechselbälgern übernommen wurde. Der falsche Dala‘ghar würde eine Strafexpedition nach Dosi Gura schicken, um die Dosi für die Zerstörung Rakella Primes zur Rechenschaft zu ziehen, und man würde sich schließlich so einigen, dass die Dosi der Koalition zu denkbar schlechten Konditionen beitreten würden. Und mit den verbesserten Jem‘Hadar würde bald eine unüberwindliche Streitmacht zur Verfügung stehen.

‚Berechenbar, aber gefährlich‘, dachte „Lakool“. Er legte den Desintegrator weg, ohne noch einmal zu einer bestimmten Stelle auf dem Boden zu sehen.

‚Zeit, sich zu regenerieren‘ war sein letzter Gedanke, bevor er die Tür verschloss und sich in seinen flüssigen Urzustand begab.

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)