Terry Pratchett: Rollende Steine

Cover Rollende SteineRezension zu „Rollende Steine“ von Terry Pratchett, 16. Scheibenwelt-Roman, Originaltitel: „Soul Music“, Ersterscheinung: 1994 (UK)

Deutsche Ausgaben: „Rollende Steine“, 1996, Wilhelm Goldmann Verlag München, 379 Seiten; „Rollende Steine“, 2001, Blanvalet Verlag

Inhalt

Wieder einmal hat Gevatter Tod nachgedacht, und wie üblich ist das Ergebnis eine leichte Identitätskrise. Diesmal möchte er begreifen, wie die Menschen vergessen. Während also Tod bei der klatschianischen Fremdenlegion das Vergessen lernt (bei den Legionären klappt das schon recht gut), muss jemand die PFLICHT ausüben. Binky und der Rattentod wählen dafür Tods Enkelin Susanne aus, die bisher nichtsahnend in einem Mädchen-Internat aufwuchs. Die Tochter von Mort und Ysabell muss sich erst an den Gedanken gewöhnen, dass es den Tod tatsächlich gibt. Und dass sie jetzt seine Position einnimmt.

Derweil in Ankh-Morpork: Der Barde Imp y Celyn (Künstlername: Buddy), der Zwerg Glod (man beachte das Wortspiel) und der Troll Lias (alias Klippe) finden sich zu einer Band zusammen. Zwar können sie die Mitgliedschaft in der Musikergilde nicht bezahlen, aber nachdem Imp eine ganz besondere Gitarre erstanden hat, sind sie im Nu in der ganzen Stadt bekannt. Die „Musik Mit Steinen Drin“ scheint die Leute regelrecht zu verzaubern, jeder möchte sie hören.

Während Erzkanzler Ridcully von der Unsichtbaren Universität versucht, diesem Mysterium auf den Grund zu gehen (auch, um seine Zauberer wieder unter Kontrolle zu bekommen), trifft Susanne auf Imp. Und sie erkennt, dass er eigentlich hätte sterben müssen, aber dass ihn etwas anderes am Leben erhält! Die Musik Mit Steinen Drin scheint ihn übernommen zu haben…

Hauptpersonen

  • Tod – die anthropomorpische Personifizierung hat eine Identitätskrise
  • Susanne – Tods Enkelin muss die PFLICHT erfüllen
  • Die Band Mit Steinen Drin – ein Barde, ein Zwerg und ein Troll stellen Ankh-Morpork auf den Kopf
  • Mustrum Ridcully – der Erzkanzler der Unsichtbaren Universität kämpft gegen die neue Musik an
  • Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin Schnapper – betätigt sich als Manager

In weiteren Rollen

  • der Rattentod und der sprechende Rabe
  • der Stinkende Alte Ron
  • der Geruch des Stinkenden Alten Rons
  • Herr Clete von der Musikergilde
  • Lord Vetinari, der Patrizier
  • der Bibliothekar der Unsichtbaren Universität
  • Albert
  • Binky, Tods Pferd
  • der Dekan, der Oberste Hirte, der Quästor und weitere Rektorats-Mitglieder der Unsichtbaren Universität
  • Feldwebel Colon und Korporal Nobbs
  • der Troll Asphalt

Schauplätze

Ankh-Morpork, die Wüste von Klatsch, Tods Haus und Garten, Pseudopolis, Sto Lat, Quirm

Bewertung

Dieser Scheibenwelt-Roman führt die Story um Gevatter Tod fort (siehe „Gevatter Tod“). Mort und Ysabell hatten damals geheiratet, ihre Tochter Susanne aber wuchs nicht bei ihrem „Großvater“ auf, sondern in einem Internat. Durch Tods Verschwinden ist sie nun gezwungen, ihre Abstammung zu erkunden. Und natürlich begnügt sich Susanne nicht damit, einfach nur die Pflicht zu tun. Sie möchte das Sterben gerechter machen. Doch da muss sie erst mal mit der merkwürdigen neuen Musik zurecht kommen.

Letztere ist eine eindeutige Hommage an die Ära des Rock‘n Roll (Musik Mit Steinen Drin). Es ist schon schwierig, die vielen Anspielungen alle zuzuordnen. Immerhin, Imp nennt sich nicht zufällig Buddy (Imp y Celyn ist Walisisch und bedeutet ‚Bud of the Holly‘) und warum verwechseln nur alle Leute den Barden mit einem Elfen (Er sieht so elvisch aus!)? Unzählige Anmerkungen zu diesem und anderen Büchern findet man übrigens im Annotated Pratchett File, und gerade bei einem Buch so voller Anspielungen lohnt sich ein Blick dorthin (Link siehe unten)

Terry Pratchett hat hier jedenfalls liebevoll die Revolution der Rockmusik auf der Scheibenwelt nachgezeichnet. Die Band, der unverhoffte Aufstieg, der hinterhältige Manager, die hysterischen Massen von Fans, grottenschlechte Nachahmer, rebellierende Jugendliche (auch wenn sie wie z.B. der Dekan diese Phase erst mit über Siebzig durchleben), einen Leadsänger, der nur für die Musik lebt und der (zumindest nach dem Willen der Musik) einen tragischen Tod erleidet – alles klassische Elemente, die einem sehr bekannt vorkommen. Man sollte den ein oder anderen Liedtitel mal ins Englische übersetzen…

Gevatter Tod spielt hier nicht unbedingt die Hauptrolle, aber seine Persönlichkeit wird um einiges erweitert. Seine Versuche, das Vergessen zu lernen, sind auch durchaus originell in Szene gesetzt, genau wie sein Verhältnis zu Susanne. Der Rattentod hat hier seinen zweiten Auftritt, nach „Alles Sense!“.

Wie immer hält Terry Pratchett einen recht guten Kurs zwischen Klamauk und Ernsthaftigkeit. Gerade die Story um Imp alias Buddy, sowie die letztliche Auflösung (welche die Entstehung des Universums näher beleuchtet) haben auch ihre ernsten, ja tragischen Elemente, fast schon zu viel für meinen Geschmack. Wer dies zu bemerken nicht gewillt ist, kann sich aber auch ganz auf die humoristische Seite des Buches konzentrieren. Irrwitzige Storyverläufe und Wortspiele aller Art gibt es jedenfalls genug. Von letzteren sogar so viele, dass der Übersetzer mehr als nur einmal in echte Schwierigkeiten geriet.

Fazit

Insgesamt also ein durchaus gut zu lesender Roman, auch wenn es noch spritzigere und weniger tiefgründige Scheibenwelt-Romane gibt.

Zitate

Deshalb hatte sie sich zur Aufgabe gemacht, bei den ihr anvertrauten jungen Damen logisches Denken und einen forschenden Geist zu stimulieren. Das war etwa ebenso klug wie die Absicht, hungrige Alligatoren in einem Boot aus Pappe zu jagen.
[S. 16]

Es gab tatsächlich einen Fluss, der Vergessen brachte, wenn man auch nur einen Tropfen von seinem Wasser trank. Viele Leute glaubten, dass es der Fluss Ankh war, dessen Wasser nicht nur getrunken, sondern auch geschnitten und gekaut werden kann.
[S. 30]

„Mir fällt schon was ein“, versprach Glod. „Ich bin ein Zwerg. Wir kennen uns mit Geld aus. Geld liegt mir praktisch im Blut.“
„Wie wäre es dann mit einem Aderllass?“
[S. 37, Glod und Imp]

Die Klasse erfuhr gerade von einem Aufstand, bei dem Bauern versucht hatten, ihre Existenz als Bauern zu beenden. Die Adeligen gewannen, was dazu führte, dass die Existenz der Bauern tatsächlich endete, und zwar ziemlich schnell.
[S. 43]

Ein solcher Anblick war nichts für einen leeren Magen, obwohl er sicher einen verursachen konnte.
[S. 88]

Susanne betrachtete die undefinierbare Masse in der großen Pfanne. […] Albert konnte in einem Ei den Wunsch wecken, nie gelegt worden zu sein.
[S. 88]

Nun, der Patrizier mochte Musik, die nie gespielt wurde. Seiner Ansicht nach ruinierte es Musik, wenn man sie zum Kontakt mit getrockneter Haut, Teilen von toten Katzen und Metallstücken in Form von Drähten und Röhren zwang.
[S. 167]

Er fühlte sich wie jemand, der seit vielen Jahren in der Tundra wohnt und eines Morgens mit dem brennenden Wunsch erwacht, Wasserski zu laufen.
[S. 172]

Ridcully ließ gewisse Anzeichen erkennen. Wäre er ein Vulkan gewesen, hätten die in der Nähe wohnenden Eingeborenen jetzt nach einer geeigneten Jungfrau Ausschau gehalten.
[S. 193]

Crash hatte nicht besonders viele Gehirnzellen, und sie mussten Fähnchen schwenken, wenn sie die Aufmerksamkeit ihrer Nachbarn erregen wollten.
[S. 207]

Er hielt das Messer in Hüfthöhe. Wer sich mit diesen Waffen auskannte, würde nie auf den Gedanken kommen, eine Klinge über die Schulter zu heben, um von oben zuzustechen. […] Echte Profis stachen von unten nach oben – der Weg zum Herzen eines Mannes führt durch den Magen.
[S. 276]

Die Rechte an obigen Zitaten liegen bei Terry Pratchett und den Verlagen. Dies soll keine Copyright-Verletzung darstellen, sondern lediglich zum Lesen des Buches anregen. Alle Seitenangaben beziehen sich auf die Goldmann-Ausgabe.

Links

Dieses Buch im Annotated Pratchett File
Übersicht aller Scheibenwelt-Bücher

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So, noch mal kurz drüber schauen und dann nichts wie ab damit. Vielen Dank fürs Kommentieren! :-)